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Stroh, so fein wie Gold

Kunsthandwerkliche Schätze aus Sachsen, der Schweiz und England sind in Moritzburg zu sehen. Auch Fans alter Technik kommen auf ihre Kosten.

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© Arvid Müller

Von Sven Görner

Moritzburg. Mit Chancen für zweite Gelegenheiten ist das so eine Sache. Meist bekommt man sie nicht. Erst recht, wenn es um den Besuch von Sonderausstellungen geht. Wer solch eine Schau auf Zeit sehen will und sie verpasst, hat meist das Nachsehen.

Im Besucherzentrum des Fasanenschlösschens in Moritzburg bietet sich daher derzeit die seltene Möglichkeit, solch eine verpasste Chance nachzuholen. Denn die Verantwortlichen von Schloss Moritzburg haben sich dazu entschieden, wegen des positiven Echos im vergangenen Jahr die Sonderschau „Stroh zu Gold“ noch einmal dort zu zeigen.

Bis zum 31. Oktober sind so über 200 kunsthandwerkliche Schätze aus sächsischen Sammlungen, dem Strohmuseum Wohlen in der Schweiz und aus dem englischen Luton zu sehen. Ergänzt werden diese meisterhaften Kostbarkeiten aus Stroh von allerlei Gerätschaften, die geschickte Hände in der Vergangenheit für die Bearbeitung und Veredlung des nachwachsenden „Goldes“ nutzten. Dazu gehört auch eine Sammlung besonderer Nähmaschinen. Und das nicht ohne Grund.

Denn in Dresden, dessen Großraum zu den Zentren der Strohgeflechtherstellung und -verarbeitung in Deutschland gehörte, wurde ab 1870 schließlich auch eine spezielle Nähmaschine hergestellt, mit der Strohhüte deutlich schneller zusammengenäht werden konnten als mit der Hand. Noch 1937, als die Hochzeit dieser Kopfbedeckung bereits vorbei war, wurden in sächsischen Hutfabriken 260 000 Stück im Monat produziert. Welche Bedeutung die fast in Vergessenheit geratene hiesige Strohgeflechtindustrie einmal hatte, zeigt auch eine Entdeckung, die Ausstellungskuratorin Margitta Hensel bei ihrer Suche in alten Schriftstücken gemacht hat: „In einer Wirtschaftsübersicht von Dresden zur Mitte des 19. Jahrhunderts steht die Strohgeflechtverarbeitung an erster Stelle“, so die Museumsfrau.

Mit der Ausstellung im vergangenen Jahr sei viel Interesse an diesem Kapitel sächsischer Industriegeschichte geweckt worden. „Das führte dazu, dass wir weitere Exponate zur Präsentation angeboten bekommen haben“, ergänzt Margitta Hensel. Einige wurden sogar angekauft. Zudem seien auch zahlreiche neue Fakten und Erkenntnisse zusammengetragen worden. „Ein Teil der Ausstellung haben wir daher überarbeitet.“

Trotzdem gebe es bei diesem Thema noch viel zu forschen. Die Ergebnisse könnten in einem sächsischen Strohmuseum präsentiert werden. Wo das angesiedelt sein könnte, ist derzeit völlig offen. Margitta Hensel wünscht sich indes, dass sich jemand der bisher geleisteten Arbeit annimmt und sie fortsetzt. „Ich könnte mir das gut als ein Projekt für Studenten vorstellen“, sagt sie. Für das nächste Jahr hat Schloss Klippenstein in Radeberg erst einmal Interesse bekundet, einen Teil der Ausstellung zu zeigen. Auch dort gab es einst eine florierende Strohgeflechtindustrie.

Sicher ist, dass sich Schloss Moritzburg künftig nicht mehr weiter um die Erforschung der sächsischen Strohkunst kümmern wird. Dass sich die Moritzburger überhaupt diesem Thema angenommen haben liegt an der Rückkehr der Strohtapeten ins Fasanenschlösschen. Für deren Wiederherstellung hatten sich die Restauratorinnen auf die Suche nach dem passenden Stroh gemacht. Fündig wurden sie schließlich in der Schweiz. Im Strohmuseum Wohlen erhielt die Restauratorin zudem bereitwillig Auskunft zu alten Herstellungs- und Verarbeitungstechnologien. Der Ort in der Nähe von Zürich war über lange Zeit bis ins 20. Jahrhundert hinein einer der führenden Standorte der Strohflechtkunst. Zudem gab es offensichtlich auch immer wieder Kontakte nach Sachsen.