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Streit um Rietschener Kino eskaliert

Die Betreiber haben eine Räumungsklage am Hals. Alle Filmvorführungen sind vorerst gestoppt. Zum Ärger der Besucher bleibt das Kino-Café geschlossen.

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© Archivfoto: André Schulze

Von Steffen Gerhardt

Es gibt Ärger um das Kino-Café Rietschen. Ärger, den sich die Rietschener selbst gemacht haben und der sehr zum Leidwesen der Besucher dieser beliebten Lichtspielstätte ist. Denn seit Weihnachten vorüber ist, sind auch die Filmvorführungen vorbei. Vorerst. Was ist also los im kultigen Kino, und wer hat hier wem in die Suppe gespuckt? Die SZ lässt die Beteiligten zu Wort kommen.

Allein im leeren Kinosaal. Die Betreiber Ingolf Schulz (links) und Helmut Fechner wollen weiter Filme zeigen, aber das soll ihnen verwehrt sein.
Allein im leeren Kinosaal. Die Betreiber Ingolf Schulz (links) und Helmut Fechner wollen weiter Filme zeigen, aber das soll ihnen verwehrt sein. © Rolf Ullmann

Die Betreiber: Ein Lebenswerk soll hier zerstört werden

Helmut Fechner und Ingolf Schulz sind die beiden Betreiber des Kino-Cafés Rietschen. Dafür haben sie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet. Diese Gesellschaft hat mit der Wohnungsbaugesellschaft Rietschen, einer 100-prozentigen Tochter der Gemeinde, einen Pachtvertrag abgeschlossen. Demnach sind Fechner und Schulz die Pächter einer gemeindeeigenen Immobilie. So war es rund zweieinhalb Jahrzehnte, und es gab nie Grund zur Klage oder zu einer Veränderung.

Mit dem neuen Jahr 2017 soll alles anders werden. Statt der GbR soll der 2014 gegründete Verein Kino-Café Rietschen den Kinobetrieb übernehmen. Vorausgegangen war der Abschluss einer Vereinbarung im Juni 2016, in der die Übernahme durch den Verein zum Jahreswechsel festgeschrieben wurde. Helmut Fechner ließ sich nach eigenem Bekunden zu einer Unterschrift hinreißen, die ihm jetzt zum Verhängnis geworden sei. Auch eine von ihm das Jahr zuvor gemachte Äußerung, dass er mit 75 Jahren aufhören möchte, trug dazu bei.

Inzwischen denken Fechner und Schulz nicht mehr ans Aufhören. „Auch wenn ich schon Rentner bin, muss mein Geschäftspartner noch ein paar Jahre weiterarbeiten, deshalb soll die GbR bestehen bleiben“, sagt Helmut Fechner und betont: „Rückblickend kann ich sagen, dass es 50 Jahre sind und das Kino mein Lebenswerk geworden ist.“

Das meint er nicht nur ideell, sondern auch materiell. „Über die Jahre gerechnet kann ich sagen, dass es rund eine halbe Million Euro sind, die ich in das Haus und das Kino investiert habe.“ Nicht anders sein Geschäftspartner Ingolf Schulz. Seine ganze Abfindung vom Kraftwerk Boxberg steckte er in den Kinobetrieb. Seit 1988 ist er an der Seite von Helmut Fechner dabei und kümmert sich vorwiegend um die Gastronomie. Nun befürchten beide, dass mit der „feindlichen Übernahme“ durch den Verein ihr Lebenswerk zerstört werden soll. Und das wollen sie nicht zulassen und wehren sich. Sie hielten die Türen verschlossen, als der Verein am 6. Januar das Geschäft übernehmen wollte.

Das brachte ihnen inzwischen eine Räumungsklage ein, bestätigt Bürgermeister Ralf Brehmer. Für die beiden Betreiber ein sicheres Indiz, dass man sie aus dem Kino drängen will. Und das nicht nur mit der Klage, betont Helmut Fechner. „Nach unserer letzten Vorstellung am 28. Dezember kam der Schatzmeister des Vereins und nahm den Laptop mit, der für das Aufführen der Filme gebraucht wird.

Das kommt einem Berufsverbot gleich“, schimpft Fechner. Das war zu einer Zeit, als er aus Vereinssicht noch rechtmäßiger Betreiber des Kinos war. „Der Verein mischt sich in Geschäfte einer Gesellschaft ein, und dazu ist er nicht berechtigt“, wirft Fechner dem Verein vor. Er sitzt zwar in dessen Vorstand, kritisiert aber, nicht an allen Entscheidungen beteiligt worden zu sein. Und das hat wohl seine Gründe, mutmaßt er.

Der Verein: das Kino erhalten und attraktiver machen

Wie es zu dem Verein kam, muss ausführlicher erläutert werden: 2014 gab es eine große Zäsur für das Kino-Café. Der Filmverleih stellte von analog auf digital um. Ein Laptop hielt Einzug und ein leistungsstarker Beamer. Die Filmprojektoren sind nicht mehr gefragt, denn die Filme kommen auf einer Festplatte gespeichert. Es musste in neue Technik investiert werden.

Hier griffen die Gemeinde und Vattenfall den beiden Betreibern unter die Arme und finanzierten die technischen Neuanschaffungen im Wert von 65 000 Euro mit. Damit war das Kino zumindest auf technischer Basis gerettet. Doch diese Übergangszeit hinterließ ihre Spuren: „Die Besucherzahlen gingen deutlich zurück, ein wirtschaftlicher Betrieb des Kinos war nicht mehr möglich und damit das Ende einer langen Tradition abzusehen“, sagt Simone Schmidt. Sie ist die Vorsitzende des Vereins Kino-Café Rietschen, der sich im März 2014 gegründet hatte.

Der Verein sieht es fortan als seine Aufgabe an, dem Kinobetrieb nicht nur wieder auf die Beine zu helfen, sondern ihn auch zu übernehmen. Die inzwischen 64 Vereinsmitglieder wollen Kino für alle bieten. So hat es der Verein in seinem Konzept stehen, sagt Simone Schmidt. Nur hat dieses Konzept außer dem Verein selbst bisher niemand gesehen und zu lesen bekommen. Der Verein sieht sich aber als der rechtmäßige Nachfolger des Kinogeschäftes. Das macht er auch auf seiner Homepage deutlich: „Leider ist es so, dass diese Übergabe, trotz der beiderseits getroffenen Vereinbarungen, nicht stattgefunden hat. Die GbR Fechner/Schulz weigert sich, die Immobilie zu übergeben.“

Die Rechtsanwältin: Verein verstößt gegen Recht und Gesetz

Die Herren Fechner und Schulz haben sich im Zusammenhang mit der Kündigung des Betreibervertrages zwischen Verein und ihrer GbR im August 2016 eine Rechtsanwältin genommen. Sie betont, dass der Verein das Kino gar nicht übernehmen kann, „weil der Pachtvertrag zwischen der GbR und der Rietschener Wohnungsgesellschaft nach wie vor Gültigkeit hat“, so Verona Kaiser.

Außerdem stuft sie die Entnahme des Laptops als rechtswidrig ein. Aus ihrer Sicht gehört die Vorführtechnik zum beweglichen Inventar der Immobilie, und die ist Eigentum der gemeindeeigenen Gesellschaft. „Wir prüfen, ob wir Schadensersatzforderung stellen“, sagt sie mit Bezug auf ihre Mandantin, die GbR.

Inzwischen bewegt sich die Kommunikation auf juristischer Ebene, zwischen den Rechtsanwälten der Betreiber und der Gemeinde. Dazu komme, so die Weißwasseraner Anwältin, dass der Verein, dessen Gemeinnützigkeit nicht anerkannt sei, gar kein Gewerbe führen dürfe und auch kein Recht habe, Einblick in die Buchführung der GbR zu nehmen. „Wir streben eine einvernehmliche, außergerichtliche Lösung an. Aber die Räumungsklage lässt das Ganze einen Fall für das Gericht werden.“

Der Bürgermeister: Rietschen braucht sein Kino

Als Bürgermeister und Mitglied im Kinoverein sitzt Ralf Brehmer zwischen den Stühlen. Auch wenn er die Arbeit der Betreiber schätzt, setzt er auf den Verein. „Ich bin der festen Zuversicht, dass wir diese Veränderung meistern“, sagte er zum Neujahrsempfang. Mit Veränderung meint er aber auch die Sanierung des Kinos.