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Streit um Straßennamen

Wenn die Umbenennung von Straßen ein Anlass für heftige Dispute im Dorf wird.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Birgit Ulbricht

Schönfeld. Mit der früheren Maschinen-Traktoren-Station auf dem Land – kurz MTS genannt – haben die Schönfelder offensichtlich keine Probleme. Auch Heimatgeschichtler Jürgen Klauka findet, das war eine gute Sache. Folglich fand sich vor ein paar Jahren auch niemand, der die Straße der MTS umbenennen wollte. Der Altname „Cunnersdorfer Straße“ ist zwar geografisch und damit neutral, aber löste „auch kein Hurra aus“, so Bürgermeister Hans-Joachim Weigel im letzten Gemeinderat in Kraußnitz. Ganz anders sieht das freilich mit der Straße „Freie Scholle“ aus.

Weigel ist das durchaus bewusst, trotzdem unternimmt er gerade einen weiteren Anlauf, die kleine Straße am Schloss umzubenennen. Anlass: In Linz, Böhla, Kraußnitz und Schönfeld sollen Dopplungen verschwinden. Das betrifft die Ortrander Straße in Böhla und Kraußnitz oder auch die Dorfstraße in Linz. Vielfach geht es auch darum, Hausnummern sinnvoll zu ordnen. Letzteres will Hans-Joachim Weigel auch an der Freien Scholle. Denn oft sind die Hausnummern nicht ganz logisch, weil auf der anderen Seite des Grundstücks angebracht, von der eigentlich die Zufahrt ist.

Doch so pragmatisch wird die „Freie Scholle“ nicht gesehen. Denn diese atmet Geschichte, und zwar die der Bodenreform von 1946. Zu dieser Zeit wurde das fast tausend Hektar große Rittergut enteignet und in viele Parzellen aufgeteilt.

Die „Freie Scholle“ ist eine Kampfansage an die damals alte Zeit, ein Versprechen an die damals erhoffte Zukunft und damit unweigerlich ein Politikum. „Schon kurz nach der Wende gab es erste Bestrebungen, die Freie Scholle wieder in Straße zum Rittergut umzubenennen“, erzählt Weigel. Anträge gab es schon in seiner Anfangszeit als Bürgermeister – und genauso viel Widerstand.

Jürgen Klauka könnte jedenfalls einer Rückbesinnung aufs Rittergut etwas abgewinnen. „Die Bodenreform war Unrecht“, sagt er klipp und klar. Es wäre ohnehin auch für die Umsiedler besser gewesen, die Flächen nicht auseinanderzureißen und in einer Art gemeinschaftlichen GmbH weiter zu bewirtschaften. „Aber das war nicht gewollt. So haben wir viel Willkür erlebt“, so Klauka. Bis zuletzt hatten die von Burgks das Rittergut mitsamt seinen beiden Fuhrwerken in Liega und Lötzschen betrieben, bevor sie in den letzten Kriegstagen über die Elbe flohen. Nicht jedoch, ohne auch den letzten Lohn noch auszuzahlen, wie heute noch im Dorf erzählt wird.

Arthur von Burgk wurde schließlich denunziert und daraufhin von den Russen bis 1956 eingesperrt. Nun sollen sich die Schönfelder erneut Gedanken über ihre Geschichte machen. Ab 18. Juli sollen in der Gemeindeverwaltung in Schönfeld, an der Straße der MTS und beim Bäcker Lerch in Linz die Listen mit den Alt- und Neunamen für die Ortsstraßen ausliegen. Die Bürger können dann ihre Meinung zur Umbenennung sagen, bevor der Gemeinderat entscheidet.

Die Böhlaer und Kraußnitzer haben bereits Nein gesagt. Sie wollen, dass alles so bleibt, wie es ist – die Gemeinde hält sich daran. Nun darf man gespannt sein, wie die Schönfelder das Politikum „Freie Scholle“ sehen, denn ein Hauch Klassenkampf weht immer noch in diesem Namen mit.