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Straßenmusiker unter Kontrolle

Seit zwei Wochen gelten neue Regeln. Doch Händler und Anlieger beschweren sich weiterhin über die Dauerbeschallung.

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© R. Meinig

Von Julia Vollmer

Dresden. Ganze 70 Minuten am Stück spielt ein Oboe-Spieler auf der Prager Straße. Nur drei verschiedene Töne, immer und immer wieder. Auch über Mittag, wenn die Angestellten aus den Büros und Praxen mal ohne Untermalung ihr Essen genießen wollen, gibt er keine Ruhe. So beschreibt Bernd Junkersdorf, Arzt im Kinderwunschzentrum in der Innenstadt, die Situation.

Seit 14. Juli gelten die neuen Regeln für die Straßenmusiker. Sie wurden nach langem Ringen und vielen Beschwerden von Anwohnern und Händlern eingeführt. Doch so richtig wirken sie nicht. Die Musiker können ganztags von 9.30 bis 22 Uhr in der Innenstadt auftreten. Einzelne Bereiche wie das Georgentor sind davon allerdings ausgenommen. Die Künstler dürfen immer nur eine halbe Stunde an einem Ort auftreten und dort jeweils nur einmal am Tag. An bestimmten Plätzen nur spezielle Instrumente zuzulassen und eine Mittagspause einzulegen, wie es die Verwaltung vorgeschlagen hat, lehnte der Stadtrat ab. Künstler müssen sich vorab für Plätze anmelden. Das können sie per App über den Computer oder Smartphone.

Nach dem Zonenplan ist der Bereich der Prager Straße zwischen Dr.-Külz-Ring und den Stufen vor dem Ibis Hotel für die Straßenkünstler tabu. Daran halten sich aber die Musiker nicht immer. Eine kleine Entspannung beobachtet der Arzt dann aber doch. „In der Tat ist es nach der Einführung der neuen Regeln etwas ruhiger geworden“, so der Reproduktionsmediziner Bernd Junkersdorf. Besonders die „extrem laute Brüllgruppe“ sei nicht wieder aufgetaucht. Doch auch eigentlich angenehme Töne können nach der 20. Wiederholung an die Nerven gehen.

Das beobachten auch die Mitarbeiter der Centrum Galerie. Irgendwo steht immer jemand. Verstärker sind verboten, doch auch das ist manchen Bands egal. „Immer noch genauso laut, aber dafür meist wirklich nur 30 Minuten“ spielen die Musiker, erzählt eine Mitarbeiterin aus dem Center-Management.

Genervt sind auch nach wie vor die Mitarbeiter des Oberlandesgerichtes am Schlossplatz. Sie haben schon im vergangenen Sommer unter der Dauerbeschallung gelitten. „Der gegenwärtige Umfang der Straßenmusik wird von Mitarbeitern des Oberlandesgerichts oftmals als störend empfunden“, sagt Sprecher Torsten Umbach. Er wünscht sich mehr Kontrollen am Schloßplatz, da die dortigen „geräuschintensiven Darbietungen in besonderem Maße im Hause zu hören sind.“ Eine kleine Verbesserung dagegen gebe es am Georgentor. Dort seien nicht mehr durchgehend Musiker aktiv. „Ob sich diese Entwicklung langfristig so bestätigen wird, bleibt abzuwarten“, so Umbach.

Nicht nur Anwohner und Händler, sondern auch die Musiker selbst sind genervt von den „schwarzen Schafen“. „Es ist unfair, wenn uns die Dresdner oder Touristen weniger Geld in den Hut werfen, weil sich einige nicht an die Gesetze halten“, ärgert sich Gitarrist Piet.

Bis zu 50 Euro Bußgeld

Dass sich längst nicht alle an die Regeln halten, muss auch das Ordnungsamt feststellen. Bereits 51 Verstöße gegen die Regeln wurden festgestellt. Die Ordnungshüter erwischten Musiker beim Spielen ohne Erlaubnis, außerhalb der Spielbereiche oder außerhalb der Spielzeiten. Auch der CD-Verkauf außerhalb der genehmigten Spielzeit wurde geahndet. In der ersten Woche wurden die Musiker nur verwarnt, ab der zweiten Wochen mussten sie Bußgeld bezahlen. Das kann bis zu 50 Euro sein. Viermal sprach das Ordnungsamt einen Platzverweis aus. Besonders oft eingreifen musste das Amt an der Augustusstraße, am Georgentor, auf dem Neumarkt, vor der Frauenkirche, am Schloßplatz, am Torbogen zur Altmarktgalerie an der Seestraße und auf der Prager Straße. Auf Streife sind die Kollegen montags bis sonnabends – in zwei Schichten. Ziel sei es, jeden „Spielplatz“ pro Schicht mindestens einmal zu kontrollieren.

Kritik an den Regeln kommt von den Straßenkünstlern selbst. Ungeklärt sei die Frage nach dem Missbrauch des Genehmigungsverfahrens. „Wer schützt die Künstler davor, dass Standorte von Außenstehenden blockiert werden?“, fragt die Initiative für Straßenkunst. Etwa, wenn ein genervter Anwohner oder Gastronom sich selbst über die neue App für einen Standort anmeldet, damit dort eine Weile Ruhe ist. Dagegen könne die Stadt nichts tun. „Missbräuchliches Verhalten kann die Satzung nicht verhindern“, so Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne).

Linken-Fraktionschef Andre Schollbach sieht Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel in der Pflicht. „Das ist kein Problem der Satzung, sondern eins der Durchsetzung.“ Die SPD und Grüne setzen auf Abwarten. „Die Regeln müssen sich erst einspielen. Nachbessern können wir nach ein paar Monaten immer noch“, so Fraktionsvorsitzender Christian Avenarius. Das sieht auch sein Kollege Thomas Löser von den Grünen so. CDU-Chef Jan Donhauser will im Zweifel prüfen, ob der Ursprungsvorschlag der Verwaltung nicht besser war als der jetzt beschlossene.