Merken

Straßenbau wird bombensicher

Zwischen Radeberg und Eierberg wird bald gebaut. Jetzt sind Sprengstofffachleute und Archäologen am Zug.

Teilen
Folgen
NEU!
© René Plaul

Von Reiner Hanke

Radeberg / Lichtenberg. Ex-akt steht am Firmenwagen von Denny Bernhardt. Exakt muss er auch sein. Denn er untersucht das Erdreich nach Munition. Dabei hilft moderne Technik. Die ist an einem Gestell aus Aluminium und Karbon montiert. Das ruht auf zwei Kunststoffrädern. „Mein Kinderwagen“, sagt Denny Bernhardt scherzhaft. Den schiebt er an dem Vormittag über einen Acker zwischen Lichtenberg und Leppersdorf an der Autobahn A 4. Auf der Trasse soll einmal die neue Staatsstraße 177 von Radeberg kommend entstehen, in die Autobahn eingebunden werden und nördlich der Autobahn am Fuß des Eierbergs bei Pulsnitz in die Staatsstraße 95 münden. In diesem Korridor läuft die Bauvorbereitung. Bedächtig schreitet der Geophysiker das Terrain ab. Die Augen hat er auf ein kleines gelbes Gerät mit LCD-Bildschirm fixiert. „Ein Mini-Computer“, erklärt er. Der sagt ihm zum Beispiel genau, ob er jedes Zipfelchen der Fläche erwischt hat. Aus Freiberg ist Bernhardt mit der Technik angerückt. Dort hat die Spezialfirma „Ex-akt“ ein Büro.

Bei Radeberg haben die archäologischen Grabungen vor dem Bau der Schnellstraße Richtung A4 begonnen. In den ersten Tagen wurde eine Holzwasserleitung gefunden, die Aufmerksamkeit erregt.
Bei Radeberg haben die archäologischen Grabungen vor dem Bau der Schnellstraße Richtung A4 begonnen. In den ersten Tagen wurde eine Holzwasserleitung gefunden, die Aufmerksamkeit erregt. © René Plaul

Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr lässt den Untergrund nach Munition absuchen. Kampfmittelerkundung heißt es ganz korrekt. Der Meißener Niederlassungsleiter Holger Wohsmann ist mit vor Ort. Das sei die sicherste Variante, z. B. Weltkriegsmunition oder Bomben-Blindgänger aufzuspüren. Es sei nie auszuschließen, dass Irrläufer aus der Dresdner Bombennacht auf der Bautrasse niedergegangen sind oder Munition nach dem Krieg vergraben wurde. „Wir wollen kein Risiko eingehen, dass ein Unglück passiert“, sagt Wohsmann. Das Baufeld soll möglichst frei von bösen Überraschungen sein.

Mindestens 1,7 Millionen Euro will das Landesamt noch 2017 in den neuen Abschnitt der Schnellstraße investieren. Wohsmann lobt dabei die Zusammenarbeit mit Partnerbehörden. In der zweiten Jahreshälfte soll es losgehen. Zwei Fledermausbrücken sind für dieses Jahr im Plan und der Baustart an Regenrückhaltebecken vorgesehen. Im künftigen Kreuzungsbereich mit der A 4 zwischen Lichtenberg und Leppersdorf werde ebenfalls noch 2017 gebaut und auch mit Neupflanzungen begonnen. Die Kosten für die 6,7 Kilometer lange Straße belaufen sich auf rund 50 Millionen Euro. Die Strecke ist ein Teilabschnitt der Spange von 33 Kilometern bis Pirna. Parallel werde an den noch klaffenden Lücken in der Trasse geplant – wie zwischen Großerkmannsdorf und Rossendorf.

Wuchtig, aber ungefährlich

Nach Munition werden alle Abschnitte untersucht. Dafür befinden sich am Messwagen von Denny Bernhardt vier Eisendetektoren, die gleichzeitig messen und Veränderungen im Magnetfeld, also Verdächtiges im Boden registrieren. Was da schlummert, erfährt der Geophysiker erst nach Auswertung der Daten. 77 Hektar haben er und seine Kollegen für dieses Projekt zu prüfen. 2,5 Hektar am Tag sind zu schaffen. 30 verdächtige Stellen, Anomalien, nennt es der Geophysiker, wurden bisher festgestellt. Zu den Fundstellen rücken die Fachleute mit dem Spaten oder Minibagger aus: „Munition haben wir auf der Trasse bisher keine gefunden“, sagt Bernhardt. Anderswo schon. Sein größtes Fundstück war eine Granate (122 mm) bei Zeitz. Das sei dann schon ein mulmiges Gefühl gewesen.

Meist kommen Eisenstangen oder Werkzeug von früheren Bauarbeiten zutage, wie auch bei Radeberg. Oder Teile von Landmaschinen, die Jahrzehnte in der Erde geschlummert haben. Über GPS bestimmt das Gerät die Position der Fundstücke und ordnet sie den Messdaten zu. Auf einer Karte zeigt Denny Bernhardt die Fundstellen: „Hier z. B. lag ein alter Topf.“ Leider leer. Größtes Objekt war ein Basaltfindling. Den orteten die Geräte wegen seiner magnetischen Eigenschaften. Wuchtig, aber ungefährlich. Sollten die Fachleute etwas finden, müssen sie den „Sächsischen Kampfmittelbeseitigungsdienst“ alarmieren.

Bagger auf dem Acker

Zehn Hektar bei Radeberg sind bereits freigegeben. Dort können die nächsten Fachleute ran. Zwei Bagger und eine Schneise im Getreide südlich der Sandgrube am Radeberger Ortsausgang deuten darauf hin. Dort ist ein Grabungstrupp vom Landesamt für Archäologie am Zug. Ein Schnitt von vier Meter Breite auf der gesamten Trasse soll Aufschluss über archäologische Zeugnisse der Geschichte geben.

Die Bagger tragen vorsichtig den Mutterboden ab. Archäologin Anja Kaltofen und Mitarbeiterin Ulrike Richter beobachten genau, welche Informationen das Erdreich preisgibt. Der Blick ist dabei fest auf den Boden gerichtet: „Wir schauen nach Verfärbungen oder Formen, die sich abzeichnen“, sagt Anja Kaltofen. Gräber sind oval. Rötlich-dunkle Verfärbungen können auf Brandstellen hindeuten. Spaten und Spachtel liegen bereit, um auffällige Stellen zu untersuchen. Noch sind die Grabungen am Anfang. Eine Holzwasserleitung erregte bisher die besondere Aufmerksamkeit. Sie muss zur Versorgung von Schloss Klippenstein gedient haben und mehrere 100 Jahre alt sein. Die genaue Datierung steht noch aus. „Vielleicht finden wir auch noch Siedlungsreste“, sagt die Archäologin. Sie ist gespannt auf die kommenden Wochen. Die Grabungen dauern noch über zwei Monate. Die Grabungsstätte wird dokumentiert, und es werden auch Fundstücke gesichert.

Denny Bernhardt legt an dem Arbeitstag gegen 12.30 Uhr eine Pause ein: „Die Flüssigkeitsreserven auffüllen.“ Für Mitte Mai brennt die Sonne ziemlich heiß vom Himmel. Auch der Messwagen hat Pause. Trotz Leichtbauweise bringt der bestimmt 30 Kilogramm auf die Waage: „Abends merke ich nach so einem Tag draußen schon, was ich gemacht habe“, sagt der 38-Jährige. Aber er sei gern draußen, berichtet er. Hier draußen spielen sich zwei Drittel seiner Arbeit ab. Dafür habe er extra eine Zusatzausbildung mit Prüfung beim Kampfmittelbeseitigungsdienst absolviert. Sein Wissen als Geophysiker könne er einbringen. Und es sei immer spannend, dem Erdreich seine Geheimnisse zu entlocken. Auch wenn es nur selten Munition ist.