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Strafanzeige gegen Görlitzer Landrat

Bernd Lange hatte einen Problemwolf zum Abschuss freigegeben. Tierschützer werfen ihm nun etliche Rechtsbrüche vor. Der Fall wirft viele Fragen auf.

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© dpa

Von Daniela Pfeiffer und Irmela Hennig

Region. Der Görlitzer Landrat muss sich unangenehmen Fragen stellen. Die Menschen- und Tierrechtspartei Ethia mit Sitz in Hamburg stellt Strafanzeige gegen ihn. Und zwar in Kooperation mit der Interessengemeinschaft „Wolf ja bitte“ und der Grünen Liga Sachsen. Das teilte Ethia gestern mit. Man wirft Landrat Bernd Lange, der nach gemeinsamer Entscheidung mit dem sächsischen Umweltministerium zur Abnahme eines Problemwolfes die Genehmigung dazu unterzeichnet hatte, einen Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz, internationale Schutzstatuten, unter denen der Wolf steht, sowie das Tierschutzgesetz vor. Zudem würden „multiple Rechtsbrüche mit diesem Tötungsbefehl einhergehen“.

Es geht um einen Wolf, der am 2. Februar erschossen worden war – oder entnommen, wie es im Amtsdeutsch heißt. Das Tier soll im Dezember in Krauschwitz und Weißkeißel zwei Hunde getötet haben und mehrfach in der Nähe von beziehungsweise auf Grundstücken gesichtet worden sein. Experten gehen davon aus, dass auch tatsächlich der Wolf erschossen wurde, der die Hunde tötete. Ob auch der Tod eines Jagdhundes diesem Wolf zuzuschreiben ist, muss genetisch noch geklärt werden. Ende Januar war ein Jagdhund auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz tot aufgefunden worden. Laut dem Kontaktbüro „Wölfe in Sachsen“ sei es wahrscheinlich, dass er von einem Wolf getötet wurde.

Mit Hilfe von genetischen Proben hatten Wolfsexperten das auffällige Tier schon im Januar ziemlich sicher identifiziert. Demnach handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Wolf aus dem Wymiarki-Rudel in Westpolen. Vor einem Jahr war er im Rahmen von Beobachtungsmaßnahmen kurzzeitig im Kerngebiet des Nochtener Rudels nachgewiesen worden, zu diesem Rudel gehört er jedoch nicht. So hatte das Kontaktbüro informiert.

Das Görlitzer Landratsamt hingegen hielt sich mit Informationen sehr zurück. Seit der Vollzugsmeldung vom 2. Februar gab es trotz mehrmaliger SZ-Nachfragen keine Auskünfte. Stets wurde darauf verwiesen, auf die Untersuchungsergebnisse warten zu wollen. Denn das tote Tier wurde dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin zur weiteren Untersuchung übergeben. Gestern nun gab das Landratsamt eine kurze Mitteilung zu den Untersuchungsergebnissen heraus. Erst da wurde auch zum ersten Mal konkret benannt, dass der Wolf tatsächlich erschossen wurde und nicht etwa aus der Ferne betäubt und dann eingeschläfert. Der Abschuss wird als fachgerecht bezeichnet.

Zudem wurde in dem Gutachten bestätigt, dass das Tier eine massive Dermatitis – eine entzündliche Reaktion der Haut – hatte, wie sie nach einem Befall mit Räudemilben beobachtet werden könne. Weitere Untersuchungen würden noch ausstehen, weshalb das Landratsamt keine näheren Auskünfte geben könne. Die parallel veranlasste genetische Untersuchung des Tieres im Senckenberg-Institut in Gelnhausen dauere noch an.

Zum Thema Strafanzeige gab es gestern keine Aussage des Landratsamtes. Sprecherin Susanne Lehmann sagte lediglich: „Wir wissen, dass es eine solche geben soll, aber uns liegt noch nichts Schriftliches vor.“ Daher werde sich der Landrat zu den Vorwürfen gegen seine Person nicht äußern.

Bettina Jung, Tierheilpraktikerin und Bundesvorsitzende von Ethia, nannte die Pressemitteilung zum Untersuchungsbefund einen Skandal. „Fachgerecht scheint nur der abgegebene Schuss auf den Wolf gewesen zu sein. Die einzige bisher gesicherte Erkenntnis scheint ein toter Wolf zu sein. Bisher gibt es keinen Nachweis eines Räudebefalles und keine Identifikation des Wolfes als Hundebeißer.“ Der Abschuss basiere auf Vermutungen, unwissenschaftlichen Vorverurteilungen und haltlosen Schnellschüssen. So dürfe nicht weiter agiert werden. Hier sei nach dem Prinzip vorgegangen worden: „Erst töten, dann weitersehen“.

Fragen zur einwandfreien Identifizierung eines Wolfes ließ das Wolfs-Kontaktbüro in Rietschen gestern unbeantwortet beziehungsweise verwies auf das Landratsamt. Auch, ob vielleicht die Krankheit des Tieres zu seiner Verhaltensauffälligkeit führte, ob noch mehr Wölfe diese Krankheit haben könnten und ob es weitere Problemwölfe gibt, blieben unbeantwortet. Die Tierschützer argumentieren: Selbst wenn das Tier an Räude erkrankt gewesen wäre, wäre nach Bundesnaturschutzgesetz ein Abschuss nicht legal gewesen. Hautentzündungen des Tieres könnten ihren Ursprung ebenso in alten Bissverletzungen, Kontaktekzemen, Umweltgiften oder infizierten Kratzern finden. „Der Wolf, der Hunde angefallen haben soll, hätte fachgerecht vergrämt, also mit Gummigeschossen vertrieben werden können“, sagt Bettina Jung. Ihre Aussage, dass sich der Strafanzeige weitere 120 Bürger angeschlossen hätten, wollte die Staatsanwaltschaft Görlitz gestern nicht bestätigen. Weitere Angaben seien derzeit nicht möglich.

Es ist nicht das erste Mal, dass es in Deutschland wegen des genehmigten Abschusses eines Wolfes Probleme gibt. 2016 hagelte es nach der Entnahme von Problemwolf „Kurti“ in Niedersachsen 140 Anzeigen gegen den Umweltminister. Das Verfahren wurde damals eingestellt.