Merken

Stollenkönig startet in Freital neu

Als Chef von Dr. Quendt hatte Matthias Quendt einst 200 Mitarbeiter. Jetzt fängt er erst einmal mit einem an.

Teilen
Folgen
NEU!
© Egbert Kamprath

Von Tobias Winzer

Freital. Mietbüro statt eigener Firmensitz. Ein Angestellter statt 200. Maismuscheln statt Christstollen. Freital statt Dresden. Wer die berufliche Entwicklung von Matthias Quendt in den vergangenen Monaten verfolgt hat, könnte getrost von einem Abstieg sprechen, vom Niedergang des Dresdner Stollenkönigs. Doch der ehemalige Geschäftsführer und Inhaber des Unternehmens Dr. Quendt hat gar keine Lust auf Pessimismus.

„Ich habe hier die Chance, etwas Neues anzufangen“, sagt der 48-Jährige. Für seinen Neustart hat er sich das Freitaler Technologiezentrum ausgesucht. Im Erdgeschoss des Hauses an der Ecke Dresdner Straße/Bahnhofstraße ist der Sitz des neuen Unternehmens Quendt Innovation. Matthias Quendt und seine Frau Heike wollen von hier aus neuartige Lebensmittel entwickeln und vermarkten.

Die Vorgeschichte: Mitte 2014 hatte der Süßwarenhersteller Lambertz mit Sitz in Aachen das Unternehmen Dr. Quendt, das jeden zweiten Dresdner Christstollen und auch Russisch Brot herstellt, übernommen. „Wir hatten zuvor eine Krise“, sagt Quendt heute. Die Rohstoffpreise seien stark gestiegen. Ein Supermarkt als Großkunde sei abgesprungen.

Und er habe eine neue, kostspielige Führungsebene einsetzen wollen. 2013 sank der Umsatz von 21,2 auf 19,6 Millionen Euro – bei 1,4 Millionen Euro Verlust. „Da haben die Banken kalte Füße bekommen“, so Quendt. „Das hätte ich so nicht erwartet.“ Nach dem Einstieg von Lambertz, dem Weltmarktführer für Herbst- und Weihnachtsgebäck, musste er als Geschäftsführer gehen, ist aber seitdem weiterhin Gesellschafter des Unternehmens und sitzt zudem als Berater im Beirat.

„Die Frage war: Was jetzt?“, sagt Matthias Quendt. Zusammen mit seiner Frau Heike, die als diplomierte Ernährungswissenschaftlerin bei Dr. Quendt die Entwicklungsabteilung leitete, aber schon 2013 ausgestiegen war, suchte er nach neuen Ideen. Matthias Quendt ist in Dresden-Dölzschen an der Stadtgrenze zu Freital aufgewachsen. Das Ehepaar wohnt in Dippoldiswalde. „Wir mögen das Ländliche“, sagt er. „Die Städte wie Dippoldiswalde, Pirna und Freital haben aber das Problem, dass sich viele Leute nach Dresden orientieren.“ Es mangele an Innovationen.

In Dippoldiswalde habe sich zwecks Firmensitz nichts ergeben. Stattdessen sei man mit Jörg-Peter Schautz, dem Baubürgermeister Freitals und Geschäftsführer des Technologiezentrums, ins Gespräch gekommen. Im Oktober wurde der Mietvertrag unterschrieben. Seit Anfang November ist die Firma Quendt Innovation dort ansässig. Anfang dieser Woche haben Matthias und Heike Quendt ihren ersten Mitarbeiter eingestellt. „Die Infrastrukturen, die das Zentrum bietet, sind für uns perfekt“, so Matthias Quendt.

Zukunft in der Lederfabrik?

Ihre Unternehmensidee fußt auf drei Beobachtungen. Erstens sei der Süßgebäckmarkt stagnierend. Stollen, Dominosteine und Co. seien zwar bei älteren Menschen noch beliebt, nicht aber bei jüngeren Konsumenten. Zweitens gebe es noch Potenzial auf dem Salzgebäckmarkt. „Für viele Hersteller, die bisher nur süße Produkte fertigten, ist der salzige Markt ein Terrain, auf dem sie noch wirtschaftlich gesundes Wachstum erzielen können“, sagt Matthias Quendt. Drittens können sich viele mittelständische Unternehmen keine eigene Entwicklungsabteilung leisten. „Wir sind zwar ein Start-up-Unternehmen, haben aber ein großes Know-how.“

In ihrer Versuchsküche im Technologiezentrum arbeiten die Quendts nun an neuen Lebensmitteln, die sie auf zwei Wegen an den Mann bringen wollen: Als Idee, die dann von mittelständischen Gebäckherstellern aus der Region umgesetzt wird oder als eigenes Produkt unter dem Label Quendt Innovation in Kooperation mit einem produzierenden Unternehmen. Außerdem können Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie auch mit ihrer eigenen Idee zu den Quendts gehen und sich von ihnen beraten lassen, ob das Produkt Chancen auf dem Markt hätte und welche Technologie für die Herstellung nötig wäre.

Heike Quendt ist im Unternehmen zuständig für die Entwicklung der neuen Lebensmittel. Ihr Mann, der Maschinenbauingenieur ist, kümmert sich um Marktanalyse, das Berechnen der nötigen Produktionsabläufe und die Markteinführung. Bei ihren Produkten will das Unternehmer-Ehepaar auch auf den Trend zu gesunder Ernährung setzen. „Genuss und Gesundheit gehören bei uns zusammen“, sagt Heike Quendt. Zusatzstoffe sollen vermieden werden, die Rohstoffe aus kontrolliert biologischem Anbau kommen. Zurzeit arbeiten die Quendts zum Beispiel an einem neuen Knabbergebäck, das sie „Snäg.Gebägg“ getauft haben – ein muschelförmiger Cracker, der zum Beispiel mit Dips gefüllt werden kann. Er könnte später glutenfrei, also mit Mais- statt Weizenmehl und mit veganen Rohstoffen produziert werden. Matthias Quendt sagt, dass er sich bei der Suche nach neuen Lebensmitteln auch von Einflüssen zum Beispiel aus dem Orient inspirieren lassen will. Die große Zahl an Flüchtlingen, die derzeit nach Deutschland kommen, sieht er als Chance. „Innovation gibt es immer nur dann, wenn Austausch stattfindet.“

Die Mietdauer im Technologiezentrum ist erst einmal automatisch auf acht Jahre beschränkt. Matthias Quendt kann sich vorstellen, irgendwann einen eigenen Firmensitz im Technologiepark an der Lutherstraße zu bauen. Aber auch ein Sitz in der alten Lederfabrik, so sie denn zum Kreativzentrum umgebaut werde, sei denkbar. „Ich bin für alles offen.“