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Stollen im Test

Eine Vielzahl sächsischer Bäcker unterzog sich am Wochenende einer freiwilligen Prüfung dieses Weihnachtsgebäcks.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Moeller

Siebenlehn. Wer am Samstag das Möbelhaus Mahler aus üblichen Gründen, etwa der Suche nach neuen Ideen für die Inneneinrichtung, besucht hat, dürfte etwas verblüfft gewesen sein: Da sitzen mitten im Möbelcenter, nicht so fern von Sofas und Regalen, zwei Männer in weißen Bäckerjacken vor einem Tisch, auf den mehr und mehr Stollen gelegt werden. Für wen sollen nur die vielen Christstollen sein? Beim näheren Hinsehen wird schnell klar, was hier abläuft: Die Backwaren werden geprüft.

Die drei Hauptsorten Mandel-, Mohn- und Rosinenstollen.
Die drei Hauptsorten Mandel-, Mohn- und Rosinenstollen. © Claudia Hübschmann
Schwarzer Tee zum Neutralisieren des Geschmacks.
Schwarzer Tee zum Neutralisieren des Geschmacks. © Claudia Hübschmann
Die akribische Prüfung, ob auch der Stollenboden nicht etwa angebrannt ist.
Die akribische Prüfung, ob auch der Stollenboden nicht etwa angebrannt ist. © Claudia Hübschmann

Aufgeregt helfen deshalb einige ihrer Erzeuger beim Aufbau der zu testenden Waren. Sie stecken Zettel an jeden einzelnen Stollen, sodass Nummern zugeordnet werden können. Nun wird jeweils die Nummer samt Namen des Bäckers und Stollensorte durchgesagt und einer der Herren hinter dem Tisch tippt die Informationen in seinen Computer. Es ist Michael Isensee, Bäckermeister und Tester bei IQ-Back. Das Unternehmen überprüft jährlich Backwaren in ganz Deutschland.

So war Isensee beispielsweise schon Ende Oktober in Zittau zum Testen von Brot. Zum Stollentest der Bäckerinnungen Meißen, Mittweida und Freiberg hat er mit André Bernatzky sogar Verstärkung dabei: „Ab einer Zahl von dreißig Stollen kann man nicht mehr alleine testen. Das wäre zu viel“, sagt André Bernatzky. Und ohnehin nehme er als Stollentester in der Wintersaison sechs bis acht Kilo zu.

Der erste Stollen scheint in Ordnung zu sein: Die Prüfer sehen ihn an, tasten ihn ab und scheinen schon beim Anschneiden auf die Konsistenz zu achten. „Der sieht ganz gut aus.“, sagt Bernatzky. Isensee schnüffelt noch etwas an dem Stück, das er gleich verzehren wird. Danach ein kurzer Blickaustausch: In Ordnung, aber nicht optimal. Etwas dicke Kruste, Note 2. Das ging schnell.

Schwacher, schwarzer Tee zum Neutralisieren

Im Gegensatz zum Brottest trinken die Experten beim Stollentest übrigens schwachen, schwarzen Tee anstelle von Wasser zum zwischenzeitlichen Neutralisieren des Geschmacks. Der Anblick des nächsten Stollens entlockt den Testern zunächst ein besorgtes „Oh“. „Der wurde zu warm eingepackt, dadurch ist der Zucker zerlaufen“, erklärt Bernatzky das kleine Malheur. Nach dem Aufschneiden erhellen sich die Mienen der Bäcker, von innen sieht der Stollen gut aus. Und er schmeckt auch super, befindet Isensee. Dennoch bekommt dieses Exemplar aufgrund der etwas missratenen Optik nur ein „gut“.

„Man kann schon sagen, dass die Ansprüche der Bäcker an den Stollen hier in Sachsen größer sind als im Rest der Bundesrepublik“, sagt Isensee. Kein Wunder, der Stollen gehört fest verankert zur sächsischen Weihnachtstradition. Die Geschichte des klassischen Dresdner Christstollens geht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Damals nannte man ihn noch Striezel. Generell sei die Anzahl der Bäckereien in Sachsen überdurchschnittlich hoch. Mehr als 1 000 Bäckerbetriebe gibt es demnach derzeit im gesamten Bundesland. Heute werden allein aus Meißen 27 Produkte getestet, darunter hauptsächlich Rosinenstollen. Aber neben dieser wohl klassischsten Form des Stollens natürlich auch Mandelstollen und Mohnstollen sowie der im Trend liegende Cranberrystollen.

Die Tests sind freiwillig und kosten eine kleine Gebühr, jedoch nutzen viele Bäcker das Angebot dieser Qualitätskontrolle und hoffen auf die Benotung „sehr gut“. Neben dieser gibt es noch die Note „gut“, alles darunter wird nicht prämiert.

Das Weihnachtsgeschäft rette in der Region vielen Bäckern das gesamte Jahr, sagt Tester Bernatzky. Dementsprechend möchten die Bäcker Feedback haben und wissen, wo Verbesserungsmöglichkeiten sind. Die Prüfer von IQ-Back können mit ihrer Expertise schließlich auch immer wieder wertvolle Hinweise geben. Am Ende aber, das wissen auch die Tester, entscheidet ohnehin der Kunde. Letzterer muss sich vorerst auf steigende Stollenpreise einstellen. Die Preise der Mandeln, einer Hauptzutat jedes Stollens, sind durch eine schlechte Ernte in den USA gestiegen.