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Stilvoller Laufsteg im Vereinshaus

Die Kittelschürze ist out. Landfrauen holen sich eine mobile Händlerin nach Rosenbach und machen ihre eigene Modenschau.

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© Thomas Eichler

Von Constanze Junghanß

Ingrid trägt Pink. Die farbenfrohe Hose steht der schlanken Frau mit der feschen Kurzhaarfrisur ausgezeichnet. Von der Größe her und mit ihrem Auftreten passt sie ins typische Modelbild. Allerdings ist Ingrid Stephan bereits im Rentenalter. Ihre 75 Jahre sieht man der Seniorin noch lange nicht an. Elegant und lächelnd läuft sie leichtfüßig auf den hochhackigen weißen Schuhen den „Laufsteg“ entlang, lüftet die Kurzjacke, unter der eine Kette mit auffälligem Anhänger blinkt. Vorbei an 60 Augenpaaren, die alles genau mustern. Ingrid Stephan verschwindet hinter der Tür nebenan. Geschafft. Es gibt Applaus.

Gemeinsam mit vier weiteren Frauen nimmt die elegante Dame an einer außergewöhnlichen Modenschau teil. Die haben die Landfrauen vom Kreisverein Görlitz, Ortsgruppe Rosenbach mit Sitz in Hirschfelde, organisiert. Der Laufsteg ist der Fußboden im Vereinshaus der Kleintierzüchter in Herwigsdorf. Mitglieder vom Landfrauenverein modeln selber. Ingrid Stephan ist die Älteste, die in die Vorführsachen schlüpft, Doreen Schmidt die Jüngste mit 46 Jahren. 14 Mitglieder hat die Ortsgruppe insgesamt. Zu den monatlichen Treffen kommen ebenso Nichtmitglieder zu Besuch, wie zu den Seniorennachmittagen. Wandern in der Region – vom Löbauer Berg bis über den Rotstein Sohland – steht ebenfalls regelmäßig im Terminkalender.

Die Modenschauen mit anschließender Einkaufsmöglichkeit gibt es schon lange und zweimal jährlich. Sie finden immer großen Anklang, erzählen die Teilnehmer. Schließlich hat der Laden mit Oberbekleidung und Kurzwaren im Ort vor vielen Jahren geschlossen. Eingeladen wird jetzt Carola Krautz aus Bautzen. Die 51-Jährige bringt ihre „fahrende Boutique“ mit. Im Transporter der neueste Frühjahrstrend an Jacken, Hosen, Blusen, Pullovern, Tüchern. Und auch Schmuck ist mit dabei.

Über 1 000 Exponate, fein sortiert auf Kleiderstangen und Tischen, sind im Vereinsheim aufgebaut. Seit zwölf Jahren tourt Carola Krautz über die Lande. Der Einzugsbereich ihrer rollenden Firma „Mosemo“ ist groß: Nicht nur im gesamten Landkreis Görlitz bietet die Unternehmerin ihre Waren an. Mittlerweile reicht das Territorium bis vor die Tore der Landeshauptstadt Dresden. „Nicht alle älteren Menschen sind immer mobil“, sagt die Händlerin. Und so hat sie ihre Geschäftsidee darauf aufgebaut, zu den Leuten hinzufahren.

Das Konzept kommt an, wie man in Rosenbach sieht. Kaum ein Platz an den Tischen bleibt frei. Senioren- und Sportgruppen besucht die „fliegende“ Händlerin ebenso, wie Landfrauenvereine. Mittlerweile habe sich das Modeverständnis der Älteren sehr geändert. Wo vor einigen Jahrzehnten vor allem auf dem Dorf die geblümte Kittelschürze aus Dederon noch zur Grundausstattung gehörte, sind heutzutage Jeanshosen ebenso angesagt, wie farbenfrohe Röcke und hippe Blusen. Die Erfahrung hat Frau Krautz jedenfalls gemacht und weiß genau, wovon sie spricht: „Ich bin gelernte Damenschneiderin“, erzählt sie Augen zwinkernd. Ihre Kollektion ist allerdings nicht selbst genäht, sondern eine Zusammenstellung von Modetrends, die nicht nur Ältere tragen können.

Die Verkaufsveranstaltung erinnert an eine Riesen-Tupperpartie. Erst gibt es Kaffee und Kuchen, dann laufen die Models, die Bautznerin bewirbt die Kleidung wortreich. Zum Schluss kann jeder im Saal nebenan einkaufen. Eine Art Öffentlichkeitsarbeit sei das, heißt es vonseiten der Landfrauen. Eingeladen und gekommen sind auch die Damen aus den Nachbarorten Sohland, Obercunnersdorf, Kemnitz, Eibau und einige Bewohner der Außenwohngruppe „Wohnen auf dem Lande“ Herwigsdorf der Awo-Behindertenhilfe.

Nicht mit dabei in der großen Runde: Die Ehepartner der Teilnehmerinnen. „Die lassen wir zu Hause“, sagt lachend eine Landfrau. Anita Lindner, 66 Jahre, ergänzt: „Wir Frauen vom Land wollen zeigen, dass auch wir schick gehen können.“ Das halte außerdem frisch und jung.

Jung sind die Rosenbacher sowieso: Von den 1 634 Einwohnern (Stand Januar 2016) sind 16,6 Prozent unter 15 Jahren. Das ist der vierte Platz in der sächsischen Statistik. Vom „vergreisten“ Dorf entwickelte sich die Gemeinde nach der Wende zum jüngsten Ort im Landkreis. Das Durchschnittsalter lag im Vorjahr bei 43,7 Jahren. Vielleicht hat auch das den Senioren im Ort einen Schub gegeben, sich einzubringen und immer neue Ideen zu entwickeln.