Von Daniela Pfeiffer
Es soll wieder großen Glanz bekommen, das Görlitzer Kaufhaus. Das sagte der Hausherr, Winfried Stöcker, am Sonnabendabend, als er mehr als 400 Gäste zum Görlitzer Modepreis „Euro Fashion Award“ begrüßte und erzählte, wohin es mit dem Haus gehen soll. Weil es aber noch mindestens zwei Jahre bis zur Wiedereröffnung dauern werde, „haben wir mal den Euro Fashion Award hergeholt, damit es Ihnen nicht so langweilig wird“.
Erster Görlitzer Modepreis
Glanz. Das war in der Tat das Motto des Abends. Eine Berliner Firma hatte in der vergangenen Woche unzählige Scheinwerfer im Kaufhaus installiert, die das Haus und seine einmalige Architektur in wunderschönes, farblich wechselndes Licht tauchten. Sehr stilvoll, lobten Besucher schon vor Beginn der Show. Die dann auch sehr stilvoll eröffnet wurde – von Tenor Tobey Wilson, der den Gästen gleich den ersten Gänsehaut-Moment bescherte, von denen weitere folgen sollten.
Elf Nachwuchsdesigner und 28 Models dürften zu diesem Zeitpunkt noch schweißnasse Hände und zittrige Knie gehabt haben. Hoffentlich verläuft alles reibungslos, hoffentlich kommen die Sachen gut an, hoffentlich stolpert niemand die Treppe herunter. Denn diesen Weg hatten die Models bei jeder der elf kleinen Shows zu gehen: vom Backstage-Bereich im ersten Obergeschoss die Treppen hinunter ins Erdgeschoss, einmal vorlaufen und zurück. Bis auf einen Ausrutscher von Moderatorin Uta Georgi auf der Treppe klappte alles bestens. Das aus Görlitzern, geladenen Gästen aus Politik und Wirtschaft und vielen Menschen aus der Modeszene gut gemischte Publikum sah elf spannende, schöne, mitunter mutige und humorvolle Kollektionen. Jede wurde kurz mit Thema und Designer vorgestellt. Christina Braun setzte auf Mode für die Powerfrau, Julia Preckel spezialisierte sich auf Mode mit klassischen Blaudruckelementen, Annalena Skörl Maul entwarf Mode mit vielen gehäkelten Elementen. Das deutsch-chinesische Duo Robin Rau und Jing Jing Qi ließ in ihrer Kollektion deutsche und asiatische Elemente miteinander verschmelzen – und avancierte am Sonnabend klar zu einem der Publikumslieblinge.
Keine Mode für die Stange
„Ich hatte das Gefühl, dass Sie Spaß hatten“, sagte Jurymitglied Gudrun Allstädt, Ressortleiterin der Fachzeitschrift Textil-Wirtschaft, nach den Laufsteg-Präsentationen. Natürlich seien ihr auch die Publikumsfavoriten nicht entgangen, aber die Jury – allesamt alte Hasen in der Branche – habe natürlich ihre eigenen Kriterien. Neu und besonders muss die Mode sein, Persönlichkeit widerspiegeln. Es gehe nicht darum, etwas zu schaffen, das morgen im Geschäft hängt. Vielmehr soll es sich abheben – Mode als Kunst und Kultur. Ob die vielen tollen Ideen, die man am Abend vorgeführt bekam, auch handwerklich einwandfrei sind, davon hatte sich die Jury im Vorfeld ein Bild gemacht. „Hier geht es um hohe Gewinnsummen, da haben wir schon eine Verantwortung“, so Allstädt.
Bevor das von Winfried Stöcker gestiftete Preisgeld in Höhe von insgesamt 60 000 Euro vergeben wurde, kamen zunächst die Blogger zu Wort. Jene Experten, die Trends beobachten und im Internet darüber berichten. Sieben Modeblogger verfolgten den Euro Fashion Award aus der ersten Reihe und vergaben einen eigenen Preis: eine Art Gutschein. Ein Jahr lang werden sie den Sieger begleiten, über seine Arbeit berichten und ihm zu Bekanntheit verhelfen. Katharina Buczek aus Dänemark gewann mit ihrer Herrenkollektion „Bad News“. Strahlende Gewinner von 10 000 Euro waren Trio Heike Becker, Benjamin Kräher und Sebastian Schettler mit ihrer Damenkollektion „Bergwertung“. Über 20 000 Euro war Anna Bornhold mit ihren humorvollen Kollektion „Küss den Frosch – aber nur mit geputzten Zähnen“ überglücklich. Von dem Geld werde sie Wolle kaufen, sagte Bornhold atemlos ins Mikro. Wahre Freudensprünge vollführte die Siegerin des Abends: Anastasia Lotikova aus Weißrussland ist die Gewinnerin des Euro Fashion Award, womit sie 30 000 Euro gewonnen hatte. Vor allem die Lebenslust und die Nachhaltigkeit dieser Herrenkollektion hatte die Juroren begeistert. Lotikova nutzte die Chance, um aufzuklären, wie stark chinesische Gewässer durch Chemikalien verschmutzt sind, die zur Herstellung von Kleidung benötigt werden. Sie selbst verwende für ihre Mode nur Stoffreste oder von Familie und Freunden aussortierte Kleidung. Sie dankte unter Tränen dafür – richtete auch noch Worte an Designer Andrej Subarew, den kreativen Kopf des Euro Fashion Award, der am 13. April völlig unerwartet gestorben war. Auch in der Show war ihm gedacht worden.
Ein glanzvoller Abend ging zu Ende, der ein Vorgeschmack auf das gewesen sein soll, was in Zukunft aus dem Kaufhaus zu erwarten ist. Der Modepreis jedenfalls soll nun aller zwei Jahre hier verliehen werden, verriet Winfried Stöcker.