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Stille Post ist nicht mehr still

Im alten Postamt neben dem Bahnhof in Görlitz wird gebaut. Hier entsteht betreutes Wohnen. Aber es dauert etwas länger.

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© Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Von Susanne Sodan

Görlitz. Eine kleine, ältere Frau mit rostrotem Haar steht vor den Grundrissen für den Umbau des ehemaligen Bahnpostamtes. „Wo ist denn hier eine Zweiraum-Wohnung zu sehen?“, fragt sie und ergänzt: „Ich werde hier einziehen, ich stehe auf der Liste.“ Vorfreude schwingt mit. Auf der Liste, die sie meint, stehen die ersten Interessenten für betreutes Wohnen im alten Bahnpostamt. Die groben Pläne für das Gebäude sind bekannt: Hier entstehen eine Tagespflege, eine Wohngruppe mit 12 Plätzen für Menschen mit Demenzerkrankung sowie 33 Ein- und Zweiraumwohnungen für betreutes Wohnen. Die genauen Planungen stellten gestern Matthias Faensen, Geschäftsführer der Senioren-Wohnen Holding, und Architekt Peter Fürll vor.

Matthias Faensen, Geschäftsführer der Senioren-Wohnen Holding, stellte die genauen Pläne für das neue Advita Haus im alten Postamt neben dem Görlitzer Bahnhof vor. Das hörten sich mehrere interessierte Görlitzer, Stadträte und auch OB Siegfried Deinege an
Matthias Faensen, Geschäftsführer der Senioren-Wohnen Holding, stellte die genauen Pläne für das neue Advita Haus im alten Postamt neben dem Görlitzer Bahnhof vor. Das hörten sich mehrere interessierte Görlitzer, Stadträte und auch OB Siegfried Deinege an © Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Das Postamt hatte die Deutsche Post 1914 bis 1915 direkt neben dem Bahnhofsgebäude bauen lassen. Mitte der 90er Jahre aber zog langsam die Stille ein in das großräumige Gebäude. Das Postamt schloss Ende 1995. Noch bis 2007 wurden Teile des Gebäudes zumindest als Verteilstützpunkt und Zustellbasis genutzt, bis der Zustellstützpunkt Sattigsstraße dem alten Postamt endgültig den Rang ablief. Seitdem steht das Gebäude leer. Fast. 2010 fand ein Tanzfestival im alten Postamt statt. Tatsächlich hängt an einer Tür im Obergeschoss noch immer ein A4-Zettel, der den Besuchern damals den Weg zu einem der aufgeführten Stücke wies. 2015 kaufte das Unternehmen Senioren-Wohnen das Gebäude. An der Front hängt seit einiger Zeit ein Banner von Advita. Der Pflegedienst wird das Haus künftig betreiben.

Jeder Quadratmeter ist auf den Plänen schon vergeben. Den größten Teil werden die 33 Wohnungen für das betreute Wohnen einnehmen, die im Obergeschoss und im Dachgeschoss entstehen. Im Grunde normale kleine Wohnungen, die Bewohner können sich aber Pflegeservice dazubuchen, erklärt Matthias Faensen. So hätten pflegebedürftige Menschen auf der einen Seite die Möglichkeit, ihr Leben weiterhin selber zu organisieren, auf der anderen Seite aber auch die Sicherheit, dass sie Hilfe bekommen für das, was sie selber vielleicht nicht mehr schaffen. Für die Obergeschoss-Wohnungen werden auf der Rückseite des Gebäudes Balkone angebaut. Das Erdgeschoss wird in zwei Bereiche aufgeteilt. Der Teil in Richtung Bahnhofsgebäude wird zur Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenzerkrankung. Zwölf Zimmer für die Bewohner sind geplant, außerdem ein Wohnbereich mit Küche und ein Dienstzimmer fürs Personal. Im zweiten Bereich, jener in Richtung des Parkhauses, wird die Tagespflege mit verschiedenen Aufenthaltszimmern, Ruheräumen, Therapiezimmer entstehen. Drei Treppenhäuser führen in die oberen Etagen, ein Fahrstuhl wird eingebaut. Das Görlitzer Postamt ist nicht das einzige, das die Senioren-Wohnen Holding für diesen Zweck gekauft hat. Insgesamt hat das Unternehmen sechs alte Postämter übernommen, darunter in Gotha, Eisenach, Apolda und Chemnitz. „Vielerorts sind die Zustellzentren heute außerhalb der Städte“, erklärt Matthias Faensen. Die deshalb nicht mehr genutzten Postämter haben oft gleich mehrere Eigenschaften, warum sie sich für altersgerechtes Wohnen eignen, erklärt er: zentral gelegen, meist gut ans Verkehrsnetz angebunden, außerdem haben solche alten Postämter oft eine freie Fläche in der Nähe, die einst als Fuhrpark genutzt wurde und sich heute gut als Garten machen kann. Das ist in Görlitz auch so, auch hier ist hinter dem Postamt eine Fläche, um einen Garten anzulegen. Dort steht auch ein kleines Nebengebäude, das gerade entkernt wurde und in dem Büros für Personal und Verwaltung entstehen sollen. Insgesamt soll das neue Advita-Haus 40 Arbeitsplätze – für Pflegepersonal, Verwaltung, Hausmeister – bieten. Die Gesamtkosten, mit Planung und Umsetzung, liegen bei 5,2 Millionen Euro.

„Das Gebäude ist ein Kulturdenkmal“, erklärt Architekt Peter Fürll. „Der Denkmalschutz spielt eine große Rolle.“ Insgesamt sei die Bausubstanz gut. Auch besondere Details sollen erhalten werden, darunter einige der historischen Fenster oder beispielsweise manche der alten Telefonzellen. Allgemein werden die Besonderheiten, die erhalten bleiben, mit dem Denkmalschutz herausgearbeitet und festgelegt. Schwieriger wird es beim Blick nach oben, zu den Decken. „Es sind Massivdecken, die in eine Richtung spannen“, erklärt Peter Fürll. Sie sollen in Zukunft aber – durch die Wohnungen im Obergeschoss – ein höheres Gewicht halten, als beim Bau vor hundert Jahren angedacht. Heißt, die Decken müssen verstärkt werden.

Jetzt gerade läuft die Baufreimachung, erklärt Fürll. Das bedeutet: Nicht tragende Zwischenwände werden entfernt, die alten Böden kommen raus. „Wir legen also erst mal die Konstruktion frei.“ Im Frühjahr 2019 soll die Sanierung geschafft sein. Zuletzt stand als Termin noch der Herbst 2018 im Raum. Die Verzögerung hat nichts mit baulichen Gegebenheiten zu tun. Auch nicht mit dem Tod von Andreas G. Waldow von der Senioren-Wohnen Görlitz GmbH. Waldow, Schwiegersohn von Kurt Biedenkopf, verband man in Görlitz auch mit der Postamt-Sanierung. Er nahm sich vergangenes Jahr das Leben. Die Senioren-Wohnen Holding führt das Projekt aber weiter. Zur Verzögerung kam es in der Baugenehmigungsplanung, erzählt Uli Schuppach, Marketingleiter bei Advita. Mit bürokratischen Hürden habe das allerdings nichts zu tun. „Wir haben das in anderen Städten auch. Man sollte vielleicht nicht mehr so optimistisch planen.“