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Stille Kneipennacht

Sich unterhalten, etwas trinken, Musik hören, das mögen die Besucher der Altkötzschenbrodaer Kneipennacht. Nur eines wollen sie nicht.

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© Norbert Millauer

Von Beate Erler

Radebeul. Am Sonnabend gegen 22 Uhr ist die Karaoke-Bühne leer. Abgesehen vom DJ, der neben jeder Menge Technik steht, wagt niemand der Kneipennacht-Besucher den Schritt hoch auf die Bühne. Silvio Grafenhorst alias DJ Grabow schlägt ungewöhnliche Töne an auf dem kleinen gemütlichen Kneipenfest. Elektrobeats hallen über den Dorfanger als wäre BRN in der Neustadt. Gegenüber in der Schmiede das Kontrastprogramm. Drei junge Musiker aus Leipzig mit langen Haaren zupfen entspannt auf Banjo, Gitarre und Kontrabass. Es ist brechend voll, Bier- und Weingläser stapeln sich auf den Tischen.

„Bei den Kindern kommt das Karaoke-Singen gut an“, sagt DJ Grabow, „aber für die erwachsenen Besucher ist es nicht das richtige Programm.“ Sie wollen lieber gemütlich ein Glas trinken und etwas Musik im Hintergrund hören. Da ändert auch das versprochene Freigetränk nichts. Silvio Grafenhorst macht sonst das komplette Veranstaltungsprogramm für die Alte Apotheke. Zum noch recht jungen 15. Geburtstag lädt die Wirtschaft zu 100 Liter Freibier ein. Abends um zehn sind die schon lange alle, sagt die Bedienung hinterm Tresen. Hier mussten die Besucher nur schnell sein und nicht singen.

Auch bei der mittlerweile 17. Kultur- und Kneipennacht sind die Veranstalter, die Kultur- und Werbegilde in Altkötzschenbroda, dem Konzept treu geblieben. Kneipen und Cafés öffnen, bis auch die letzten Gäste gehen wollen, kleine Bands spielen Livemusik in und vor den Kneipen. Künstler präsentieren ihre Werke in kleinen Ausstellungen, Werkstätten und Geschäfte stehen offen.

Dieses Flair gefällt auch Uta Beyer und ihrem Mann, die bei der Nachtführung auf dem Dorfanger mitmachen. Die beiden aus Größnitz in Sachsen-Anhalt sind vier Tage auf Aktivurlaub in Radebeul unterwegs. „Ich finde es schön, dass es hier so viele kleine Geschäfte gibt, die so liebevoll gestaltet sind“, sagt sie. Bei frühlingshaft-warmen Temperaturen machen es sich die meisten Besucher vor den Kneipen gemütlich. Sie flanieren vorbei an einem Sänger mit Cowboyhut am Mikrofon. Fünf Meter weiter steht ein Gitarrenduo. Da wird gegessen und getrunken. Das ist schon ein kleiner Vorgeschmack auf den Sommer.

Karin Baum hat mit so viel Interessenten nicht gerechnet. Immerhin 30 Besucher sind zu später Stunde zu ihrer Nachtführung gekommen. Das hatte sie auf der Kneipennacht bisher nur einmal. „Ich will keine Jahreszahlentour machen“, sagt die Kunst- und Kulturverantwortliche der Stadtgalerie Radebeul. Mit ihrem Rundgang durch den alten Dorfkern, will sie die Besucher auf verborgene Pfade führen. „Ich möchte animieren, neugierig zu sein und hinter die Fassaden zu schauen“, sagt sie.

Punkt 22 Uhr geht es los. Ausgangspunkt ist die alte Heimatstube mit der Hausnummer 21. Die Besucher ziehen ihre Köpfe ein und laufen im Gänsemarsch die schmale Treppe des Häuschens hinauf. Nicht viel größer als eine Einraumwohnung und doch über drei Etagen hoch, zeigt Karin Baum, wie die Menschen vor mehreren Hundert Jahren hier gelebt haben. Dass damals sicher nicht viel getrunken wurde, überlegt ein Besucher laut. Bei der schmalen, steilen Treppe.

Hinter der heutigen Stadtgalerie, neben der Heimatstube, standen in den wilden 90er Jahren noch Kaninchenställe und Plumps-Klos, erzählt Karin Baum. Zu dieser Zeit haben Architekten begonnen die alten Häuser modern zu sanieren. So wie auch die Stadtgalerie, die heute ein modernes Bauwerk aus Glas und Stahl ist.

Weiter geht es wieder zurück in die Vergangenheit. Mit einer Taschenlampe leuchtet Karin Baum auf die Gedenktafel des Waffenstillstandes zwischen Schweden und Sachsen im Dreißigjährigen Krieg. „Damit ist Altkötzschenbroda in die Geschichtsbücher eingegangen“, sagt sie. Dann verschwindet die Gruppe zur nächsten Station in einem der vielen Hinterhöfe. Viele kennen nur den Dorfanger, ohne zu wissen, dass man auch die Hinterhöfe erkunden kann, sagt die Stadtführerin. Auf dem Dorfanger haben sich inzwischen Besucher um ein Feuer versammelt und lassen den Abend ruhig ausklingen.