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Steinmeier sucht den Weg aus der Trump-Falle

Der Bundespräsident fährt nicht nach Washington, sondern nach Kalifornien. Dort ist vieles anders, aber Donald Trump lässt auch hier grüßen. Ist noch was zu retten im deutsch-amerikanischen Verhältnis?

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© Bernd von Jutrczenka/dpa

Von Thomas Lanig

Los Angeles/San Francisco. Das ist schon ein Besuch der besonderen Art. Wenn ein Bundespräsident ins Ausland reist, wird er in der Regel mit militärischen Ehren begrüßt, in Schlössern und Palästen feierlich empfangen - farbenfrohe Folklore manchmal schon am Flughafen. Auf dieser Reise ist Frank-Walter Steinmeiers erster Termin eine Berufsschule, wo Jugendliche und nicht mehr ganz junge Männer an alten Autos herumschrauben. Immerhin ist der Bürgermeister von Los Angeles dabei, Eric Michael Garcetti, der will 2020 US-Präsident werden. Unwahrscheinlich.

Drei Tage in Kalifornien - weit weg von Washington und dem amtierenden Präsidenten. Dass Steinmeier Donald Trump nicht trifft, wird in seiner Umgebung eher heruntergespielt. Für den sei nun einmal die Kanzlerin die wichtigste Gesprächspartnerin - auch wenn die bei ihrem Arbeitsbesuch zuletzt eher kühl empfangen worden war. Und nicht jeder Bundespräsident sei schließlich im Weißen Haus gewesen - zuletzt übrigens Joachim Gauck bei Barack Obama 2015.

Für diese Reise hat sich Steinmeier also anderes vorgenommen, es geht vor allem darum, aus dieser Trump-Falle herauszukommen, nicht reflexartig auf den ungeliebten Präsidenten einzudreschen. Dass der sich via Twitter sogar in die deutsche Asyldebatte einmischt, macht das Vorhaben nicht leichter. Die Stimmung ist angespannt.

Steinmeier stellt, was soll er machen, die deutsch-amerikanischen Beziehungen in den historischen Kontext, will der unangenehmen Realität ein bisschen von ihrer Dramatik nehmen. Die Eröffnung des Thomas-Mann-Hauses an der Pazifik-Küste, von wo aus der Großdichter seine Landsleute bis 1945 vergeblich zum Widerstand gegen die Nazi-Diktatur aufgerufen hat, ist dazu passender Anlass. Aber auch hier tritt Widersprüchliches zutage.

„Die Amerikaner waren die ersten, die uns nach 1945 Demokratie wieder zugetraut haben“, sagt der deutsche Präsident. Und die Zukunft der Demokratie sei eine gemeinsame Aufgabe, angesichts der mächtigen Veränderungen vor allem der Digitalisierung, von denen sich Steinmeier bei seinen Terminen im Silicon Valley bei San Francisco ein Bild macht. „Der technologische Wandel hat das Potenzial, die Fliehkräfte, die in unserer Gesellschaft angelegt sind, noch zu verstärken“, sagte er vor einigen Wochen in Berlin.

Die Zukunft der Demokratie soll Thema der transatlantischen Begegnungen im Thomas-Mann-Haus von Pacific Palisades sein. Es ist schon eine emotionale Angelegenheit an diesem Abend am „1550 San Remo Drive“. Das gilt für Steinmeier, aber besonders für Frido Mann, den Enkel des Schriftstellers, der als Kind hier viel Zeit verbracht hat. Frido Mann (77) hat den Bundespräsidenten schon auf dem Flug nach Los Angeles begleitet, jetzt führt er ihn sichtlich bewegt durch die leider noch nicht ganz bezugsfertigen Räumlichkeiten. Was genau dort in den nächsten Jahren passieren soll, bleibt unklar. Die Kosten: mindestens 15 Millionen Euro.

Die Geschichte Thomas Manns im amerikanischen Exil erinnert allerdings nicht nur an dessen Begeisterung für Hollywood und Frank Sinatra, sondern auch daran, dass es schon vor Donald Trump US-Regierungen gegeben hat, die Gräben aufrissen im transatlantischen Verhältnis. Als in den 50er Jahren konservative Republikaner in Washington an der Macht waren und Senator Joseph McCarthy mit dem FBI auch viele Intellektuelle ins Visier nahm, entschloss sich Thomas Mann, den USA wieder den Rücken zu kehren. Frido, der Enkel, sagt sogar: „Amerika hat immer mal wieder solche fundamentalistischen Krisen erlebt.“

Niemand macht Steinmeier auf dieser Reise Hoffnung, dass es mit dem Trump-Regiment im Weißen Haus bald vorbei sein könnte. Nicht einmal Jerry Brown, der demokratische Gouverneur des Bundesstaates Kalifornien. Er ist so weit weg von Trump, wie man es in diesen Tagen nur sein kann. Und er bemüht sich, seinen Staat, immerhin die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, als Partner anzubieten etwa beim Klimaschutz.

Dass Amerika vielfältiger, auch nachdenklicher ist als sein Präsident es gerne möchte, ist die positive Erkenntnis, die Steinmeier mit nach Berlin bringt. Vielleicht ist es ja auch ein Vorteil, nicht als Kanzlerin oder Außenminister unterwegs zu sein. So kann der Bundespräsident einen Satz sagen, den andere nicht sagen würden: Die USA sollten in der Welt mehr sehen „als einen Boxring, in dem jeder gegen jeden kämpft“.

Am Abend in San Francisco macht dieses andere Amerika an der Westküste den deutschen Besuchern noch eine besondere Freude: Das Rathaus von San Francisco strahlt in den schwarz-rot-goldenen Nationalfarben. Man muss wissen: Hier wird auch gerne bei Sportereignissen Farbe gezeigt. Als Unterstützung für die deutschen Bemühungen bei der Fußball-WM soll dies also nicht verstanden werden. (dpa)