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Staubexplosion in der Mittelschule

Unter Führung der Moritzburger Feuerwehr proben THW-Teams aus ganz Sachsen für den Ernstfall.

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© Norbert Millauer

Von Stephan Hönigschmid

Moritzburg. Was ist denn da los? Wie aus heiterem Himmel dringen auf einmal dramatische Schreie aus der eigentlich leerstehenden alten Mittelschule in Moritzburg. „Hilfe, Hilfe – hört mich denn niemand“, tönt es aus der einen Ecke des Gebäudes, während aus der anderen jemand ruft: „Mein Bein, mein armes Bein, es schmerzt so sehr.“

Einsatzleiter Enrico Kersten notiert, welches Material und welche Truppen vor Ort sind.
Einsatzleiter Enrico Kersten notiert, welches Material und welche Truppen vor Ort sind. © Norbert Millauer
Das Realistische-Notfall-Darstellungsteam vom DRK-Meißen präpariert die Opfer der Explosion.
Das Realistische-Notfall-Darstellungsteam vom DRK-Meißen präpariert die Opfer der Explosion. © Norbert Millauer
Mithilfe von großen Holzpfählen sichern die THW-Kräfte das Gebäude von außen.
Mithilfe von großen Holzpfählen sichern die THW-Kräfte das Gebäude von außen. © Norbert Millauer

Zum Glück zeigt sich bei näherem Hinsehen, dass dort nicht wirklich verletzte Menschen um ihr Leben kämpfen. Vielmehr handelt es sich um eine Großübung des Technischen Hilfswerkes (THW), die von der Moritzburger Feuerwehr koordiniert wird und die dazu dient, die wichtigsten Abläufe für den Notfall wieder ins Gedächtnis zu rufen und zu festigen.

„Wir sind insgesamt mit 100 Mann vor Ort. In unserem Übungsszenario hat eine Staubexplosion stattgefunden und nun müssen zehn verletzte Personen gerettet werden“, berichtet der Bürosachbearbeiter bei dem Einsatz des Technischen Hilfswerks Marcel Keßner (33). THW-Einheiten aus Kamenz, Zittau, Görlitz, Dresden, Radebeul und Riesa sind bei der Übung im Einsatz. Den genauen Ablauf erklärt Christian Lehmann (36) von der Moritzburger Feuerwehr:

„Im Einsatzleitwagen sind vier Kameraden der Feuerwehr damit beschäftigt, den Einsatz zu koordinieren. Die Ausführung erfolgt dann durch das THW. Da das Gebäude in unserem Szenario einsturzgefährdet ist, muss es im Bereich des Heizhauses mit großen Holzpfählen von außen abstützt werden. Zusätzlich baut das THW dort einen Bergeturm auf, weil die Menschen das Haus nicht mehr auf regulärem Weg verlassen können“, so Lehmann.

Auffällig ist dabei, dass das THW recht lange für die Erledigung der einzelnen Aufgaben zu brauchen scheint. Dennoch täuscht dieser Eindruck. Wie ein Mitarbeiter auf Nachfrage erklärt, ist einfach die Arbeitsweise von Feuerwehr und THW unterschiedlich. Während die Brandbekämpfer sofort in das Gebäude müssen, um den Brand zu löschen und Menschen zu retten, bereiten die THW-Teams zunächst jedes Detail sehr gründlich vor, sodass dann, wenn sie loslegen, alles problemlos läuft. Wie systematisch das Vorgehen ist, ist auch daran erkennbar, dass nicht alle Einsatzkräfte wahllos zur alten Mittelschule geströmt sind, sondern sich erst am Parkplatz Kutschketeich gesammelt haben.

Nachdem die Übung angelaufen ist, geht gegen 11.20 Uhr zunächst ein zwei Mann starker Erkundungstrupp des THW Radebeul in das Haus. Ausgerüstet ist dieser mit einem gelben Helm, Atemschutzgeräten und gelben Sauerstoffflaschen. Das ist wichtig, denn im Gebäude herrscht dichter Rauch, der per Nebelmaschine erzeugt wird.

Schikanen und Nebel auf der Treppe

Auf den Treppen platzierte Decken und Eimer machen es für die Einsatzkräfte zusätzlich schwierig. Sie stellen bewusste Schikanen dar, wie sie auch im Ernstfall immer wieder vorkommen, durch die sich die THW-Teams kämpfen müssen. Haben sie diese Hürde genommen, warten in den darauffolgenden Etagen in früheren Unterrichtsräumen die Verletzten.

Schaut man sich um, könnte man mit Blick auf das alte Parkett tatsächlich denken, dass eine Explosion stattgefunden hat. Wie aufgetürmt präsentiert es sich an zahlreichen Stellen in der maroden Schule, während sich die Darsteller auf dem lädierten Fußboden platzieren. Dass das am Ende lebensecht wirkt, ist vor allem Anne Heil (20) vom Realistischen-Notfall-Darstellungsteam des DRK Meißen zu verdanken.

„Wir verwenden spezielles Make-up für die Notfalldarstellung, das problemlos zwei bis drei Stunden hält“, sagt sie. Gemeinsam mit ihren Mitstreitern hat sie seit den frühen Morgenstunden zum Beispiel Kopfplatzwunden, Schürfwunden, Glasscherben in der Hand oder Metallrohre, die durch die Explosion in einem Bein stecken, präpariert. „Wir sind im gesamten Landkreis Meißen bei Übungen von Ortsfeuerwehren, des Technischen Hilfswerks oder der Rettungshundestaffel mit dabei und haben gelegentlich auch Anfragen von Industrieunternehmen wie Wacker Chemie“, sagt Heil.

Nach mehreren Stunden Einsatz haben es die Kameraden schließlich geschafft. Die Opfer der Explosion sind geborgen und die Übung kann erfolgreich abgeschlossen werden. Dass bei so viel körperlichem Einsatz alle Teilnehmer jetzt kräftig Hunger haben, ist nicht verwunderlich und für das THW auch kein Problem. Neben der Rettungslogistik verfügt das Hilfswerk nämlich auch über eine Verpflegungslogistik. Mehrere Gulaschkanonen stehen bereit, um die hungrigen Mäuler zu stopfen.