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Stasi-Villa bekommt neue Besitzer

Eine Familie will das Haus in Bischofswerda sanieren. Um darin zu wohnen.

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© Thorsten Eckert

Von Constanze Knappe

Bischofswerda. Mehrfach hatte die Stadt Bischofswerda in den vergangenen Jahren versucht, das Gebäude Bischofstraße 16 zu verkaufen. Bisher erfolglos. Jetzt scheint endlich ein neuer Besitzer gefunden. Der Stadtrat gab grünes Licht, das 1 800 Quadratmeter große Grundstück an Viola und Lars Koschnicke zu veräußern. Die Familie aus Dinslaken (Nordrhein-Westfalen) hatte seit Längerem Interesse an dem Objekt bekundet. Nachdem der vorherige Kaufinteressent von seinem Vorvertrag zurückgetreten war, wurden die Verhandlungen mit der Familie verstärkt. Sie wird das Objekt für 60 500 Euro erwerben. Ihr Angebot lag über dem Bodenrichtwert von 59 400 Euro. Dieser Wert bezieht sich nur auf das Grundstück. Das eigentliche Gebäude wird aufgrund seines desolaten Zustands mit null Euro angesetzt. Die künftigen Eigentümer möchten das Objekt sanieren und zu eigenen Wohnzwecken nutzen.

Auf Beschluss des Stadtrats soll das auf dem bisherigen städtischen Grundstück an der Wesenitz befindliche Abenteuercamp gleich neben der Villa dort bleiben und weiter betrieben werden können. Familie Koschnicke beabsichtigt, außerdem eine benachbarte Teilfläche von 240 Quadratmetern, auf der sich Garagen befinden, für weitere 7 920 Euro zu erwerben. Dieser Teil des Grundstücks wird allerdings erst nach der Vermessung an sie übertragen. Die Vermessungskosten zahlt die Familie. Ein Stadtratsbeschluss für den Verkauf dieser Fläche ist dann nicht mehr erforderlich.

Mit der Stasi-Villa verbinden viele Bischofswerdaer weniger gute Erinnerungen. Der DDR-Geheimdienst war dafür berüchtigt, die eigene Bevölkerung bespitzelt zu haben. Im Haus an der Bischofstraße lagerten zig Akten über Bürger und Gruppen aus dem ganzen Kreis Bischofswerda. Am Abend des 8. Oktober 1989 kam es vor der Villa zu Gewalt. Augenzeugen berichten von rund 30 Menschen, die sich vor dem Haus zu einem friedlichen Sitzstreik versammelt hatten. Die Staatsgewalt reagierte hart: Aus mehreren Fahrzeugen sprangen Leute in Zivil und mit Gummiknüppeln und schlugen auf die Demonstranten ein. Auch Unbeteiligte waren betroffen und wurden für einige Tage ins Bautzener Gefängnis gebracht. Zwei Monate später rückte die „Kreisdienststelle“ erneut in den Blickpunkt: Am 12. Dezember 1989 wurde sie aufgelöst. Sämtliche Akten wurden nach Dresden gebracht, die Waffen der Polizei übergeben.

Mehrere Ausschreibungen

Von 1990 bis 1998 hatte der Kreisverband der Volkssolidarität seinen Sitz in dem Gebäude. Seither steht die ehemalige Stasi-Villa leer und verfiel zusehends. In ihrer Objektbeschreibung hatte die Stadtverwaltung das Grundstück an der Wesenitz mit dem „ehemaligen ruinösen Geheimdienstgebäude“ zum Verkauf für Wohn- und Gewerbezwecke angeboten. Optimal wären nach den Vorstellungen aus dem Rathaus der Abriss und die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit großen Wohnungen gewesen. Doch dafür fand sich kein Käufer. Nach mehrfacher Ausschreibung gab es zwar mehrere Interessenten und es fanden auch etliche Objektbesichtigungen statt. Zum Verkauf kam es aber nie. Den soll Oberbürgermeister Holm Große jetzt in die Wege leiten. Mit zwei Enthaltungen beauftragte ihn der Stadtrat dazu.