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Starke Nachfrage bei Tagespflege

In dem sanierten Haus Markt 5 gibt es jetzt ein familiäres Angebot. Die Kunden kommen aus der ganzen Region. Der Bedarf ist offenbar groß.

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© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Lommatzsch. Es ist noch Vormittag, doch in der Küche duftet es schon. Marion Augst bereitet das Mittagessen vor. Es gibt Hühnerfrikassee mit Reis. „Wer keinen Reis möchte, für den gibt es Kartoffeln“, sagt die Köchin. Wahlessen sozusagen. Bekocht werden die derzeit zehn Bewohner der Tagespflege im sanierten Haus Markt 5 in Lommatzsch. Am 15. Dezember ist hier die Seniorentagespflege Rädler/Gocht eingezogen. Bis zu zwölf Senioren können in dem Haus tagsüber betreut werden. Zehn Plätze sind derzeit belegt. Die alten Leute kommen aus Lommatzsch, vor allem aber aus Meißen, Riesa und Nossen.

Das Haus Markt 5 in Lommatzsch sieht wieder so aus, wie es vor rund 200 Jahren erbaut wurde.
Das Haus Markt 5 in Lommatzsch sieht wieder so aus, wie es vor rund 200 Jahren erbaut wurde. © Claudia Hübschmann

„Wir wollten schon im September einziehen. Durch Auflagen des Denkmalschutzes verzögerte sich die Sanierung des Hauses aber immer wieder“, sagt Kornelia Gocht, die Inhaberin der Tagespflege. So musste die alte Wandfarbe wieder originalgetreu hergestellt, das alte Parkett erhalten werden ebenso wie die Türen und das Geländer. Allein das Abschleifen des Parketts dauerte vier Wochen.

Bereits seit 2004 ist die 59-jährige Geschäftsführerin eines Pflegedienstes in Lommatzsch, hat auch einen Stützpunkt in Riesa. 22 Mitarbeiter im Pflegedienst kümmern sich um rund 100 alte Menschen. In die Tagespflege werden die Leute mit einem Kleinbus gebracht und am Nachmittag wieder nach Hause gefahren. Platz genug hat die Tagespflege in dem Haus, das der Döbelner Unternehmer Rico Kleinhempel sanieren ließ. Auf 350 Quadratmetern gibt es hier im ersten Geschoss unter anderem einen großen Wohnraum, einen Schlafraum, ein Pflegebad, zwei Therapieräume. In der warmen Jahreszeit kann eine große Terrasse genutzt werden.

Betreut werden die Senioren, die zwischen 75 und 95 Jahre alte sind, in der Regel von Montag bis Freitag 8 bis 16 Uhr. Es herrscht eine familiäre Atmosphäre. „Viele Angehörige sind positiv überrascht, fragen, was wir mit ihren Angehörigen gemacht haben“, sagt Kornelia Gocht. So mancher und so manche, die sonst den ganzen Tag zu Hause auf der Couch saßen und die Wand anstarrten, seien in der Tagespflege regelrecht aufgeblüht, weil sie wieder Kontakt zu Gleichgesinnten haben.

In dem Haus befindet sich auch eine Physiotherapie, mit der die Tagespflege zusammenarbeitet. Auch der Friseur kommt auf Wunsch ins Haus, während Waschen und Duschen zum normalen Programm gehört, ebenso wie die Gabe von Medikamenten und das Wechseln von Verbänden. Mit der Tagespflege hat Kornelia Gocht vier neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Mitarbeiter würden angemessen entlohnt. „Wenn man nicht ordentlich bezahlt, sind die Leute ganz schnell wieder weg“, weiß die gelernte Krankenschwester, die schon im Riesaer Krankenhaus und an der Universitätsklinik gearbeitet hat. Sie verhehlt nicht, dass ihr diese Arbeit fehlt: „Ich bin kein Schreibtischmensch, sondern mit Leib und Seele Krankenschwester.“

Mit dem Einzug der Tagespflege sind jetzt alle Räume im Haus am Markt 5 vermietet, wenn auch noch nicht bezogen. Die Physiotherapie zog ein, ebenso die Sparkasse, die von der anderen Seite des Marktes umzog. Die jetzige Filiale ist kleiner, die Fläche wurde von 300 auf jetzt 160 Quadratmeter fast halbiert.

Noch nicht im Haus ist die Polizei. Die will hier ein Bürgerbüro für Bürgerpolizisten nutzen. Das befand sich bisher im ehemaligen Knürr-Gebäude. Dort ist die Polizei raus, im neuen Gebäude aber noch nicht drin, obwohl schon seit November Miete gezahlt wird. „Es fehlt noch die entsprechende Technik. Diese wollen wir bis Februar installieren“, sagt Hermann Braunger, der Chef des Polizeireviers Riesa. Dann soll es wieder jeden Dienstag eine Bürgersprechstunde der Polizei in Lommatzsch geben.

Ganz fertig ist der Döbelner Dachdeckermeister Rico Kleinhempel mit seinem Projekt, das rund 1,2 Millionen Euro kostete, aber noch immer nicht. Eine große Wohnung im Obergeschoss ist noch nicht ganz ausgebaut. Einen Interessenten gibt es schon. Voraussichtlich im Sommer soll er einziehen. Auch mehrere Arbeiten, die derzeit wegen der Witterung nicht durchgeführt werden können, stehen noch aus. Beispielsweise muss die historische Mauer im Hinterhof, die ebenfalls unter Denkmalschutz steht, noch geputzt werden. Auch ein historisches Eingangstor muss noch eingebaut werden.

Mit der Sanierung des Hauses Markt 5 ist eine der schlimmsten Ruinen der Stadt Lommatzsch verschwunden. Viele Jahre dümpelte das Haus, das einer Erbengemeinschaft gehörte, vor sich hin und verfiel immer weiter. Vor allem die Nebengebäude im Hinterhof, in denen bis Mitte der 90er Jahre noch Mieter wohnten, waren nicht mehr zu retten. Die Dächer waren eingebrochen, alles verfallen. Das Haupthaus, das Ende des 18. Jahrhunderts gebaut wurde, war in seiner Grundsubstanz jedoch noch gut erhalten.

Nun zeigt sich das Haus genau so, wie es damals erbaut wurde. Auf die Tagespflege weist aber nichts hin. Nicht mal ein Schild darf an der Fassade angebracht werden. Das verbietet der Denkmalschutz.