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„Standort-Garantie wäre unseriös“

Bombardier-Manager Dieter John verteidigt die Stellenstreichungen in der Lausitz. Die treffen vor allem Leiharbeiter.

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Görlitz/Bautzen. Er kennt sich aus mit Finanzen und Hubschraubern. Bevor Dieter John im Juli 2014 zu Bombardier stieß, bekleidete er verschiedene führende Positionen in der Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie. Meist diente er seinen jeweiligen Arbeitgebern als Finanzchef. Seine Vita nennt bekannte Namen wie Messerschmitt-Bölkow-Blohm, Eurocopter und Airbus. Bei Bombardier ist er der zuständige Präsident für Mitteleuropa, Osteuropa und Russland – und damit auch der Chef von (noch) etwa 3500 Waggonbauern in Bautzen und Görlitz. Die sind sauer auf den Konzern, seit dieser vor rund vier Wochen die Streichung von 1430 Stellen in Deutschland ankündigte – davon rund 920 in der Oberlausitz. Die SZ wollte von Dieter John wissen, warum das kanadische Unternehmen gerade hier den Rotstift so gravierend ansetzt.

Aus Görlitz sollen auch künftig Doppelstockzüge kommen. Bombardier bewirbt sich beispielsweise um entsprechende Aufträge aus Israel.
Aus Görlitz sollen auch künftig Doppelstockzüge kommen. Bombardier bewirbt sich beispielsweise um entsprechende Aufträge aus Israel. © dpa

Herr John, wieso kürzt Bombardier in Bautzen und Görlitz so viele Stellen mehr als in anderen Werken?

Lassen Sie mich eine Bemerkung vorausschicken: Bombardier steht zu Deutschland. Das ist die größte Landesgesellschaft des Konzerns, etwa 10000 von 40000 Mitarbeitern weltweit sind in Deutschland tätig. In Berlin haben wir auch die Konzernzentrale der Bahnsparte, die gerade einen Transformationsprozess durchläuft. Ein Prozess, der die Zukunft von Bombardier insgesamt und in Deutschland sicherstellen soll. Wir wollen damit die Innovations- und Technologieführerschaft des Konzerns absichern. Dazu gehört auch, dass wir unsere bisher eigenständigen Werke in Bautzen und Görlitz zum Werk Sachsen zusammenführen. In Sachsen und dabei speziell in Görlitz hat sich die Belegschaft in den vergangenen Jahren nahezu verdoppelt. Das war nötig, um Einmalaufwände und Hochläufe bei bestimmten Aufträgen abzuarbeiten. Die sind aber jetzt zunehmend abgearbeitet, und das hat Einfluss auf die Belegschaft. Es war absehbar, dass wir die Beschäftigtenzahl nicht auf diesem hohen Niveau halten können.

Warum trifft es so viele Leiharbeiter?

Wir haben viele Leiharbeitskräfte in die Werke geholt, um die Produktionsspitzen abarbeiten zu können. Wir sind dabei von den einzelnen Projekten getrieben worden und mussten schnell reagieren, dafür haben wir mit Leiharbeitnehmern aufgestockt. Jetzt, nachdem Projektspitzen abflachen, passen wir entsprechend an. Dabei verabschieden wir die Leiharbeitnehmer nicht mit leeren Händen. Viele von ihnen haben bei uns – oft im Zeitraffer-Tempo – Qualifikationen und Fähigkeiten erworben, die sie vorher nicht hatten und jetzt mit in neue Einsatzbetriebe bringen können. Die Leiharbeitnehmer haben bei uns eine sehr gute Arbeit verrichtet.

Noch vor ein paar Monaten hieß es, das Görlitzer Werk sei voll ausgelastet, die Auftragsbücher seien gut gefüllt. Sind Aufträge verloren gegangen?

Nein. Weder wurden Aufträge storniert, noch sprangen Kunden ab. Aber in den vergangenen Monaten wurde eben sehr intensiv an den vorliegenden Aufträgen gearbeitet, sodass inzwischen vieles davon als erledigt betrachtet werden kann. Wir sind sehr aktiv an der Vertriebsfront, um für das Werk Sachsen neue Aufträge zu besorgen. So bewerben wir uns beispielsweise um Doppelstockwagen für Israel und um weitere Abrufe für die Intercity- und Regional-Flotte der Deutschen Bahn. Zudem beteiligen wir uns an Straßenbahn-Ausschreibungen. Wettbewerb und Preisdruck auf dem Markt für Schienenfahrzeuge haben unglaublich an Intensität zugelegt.

Werden auch in Zukunft in Görlitz noch Doppelstockwagen gebaut und in Bautzen Straßenbahnen?

Mit der Zusammenlegung der beiden Werke wollen wir Synergien nutzen und Kompetenzen bündeln. Früher hat mal jeder alles gemacht, aber dieses Modell ist nicht mehr zukunftsfähig. Deshalb werden sich die beiden Betriebe des Werkes Sachsen spezialisieren – unter einem einheitlichen Management. Görlitz wird verantwortlich für den Roh- und Komponentenbau, Bautzen für den Innenausbau der Schienenfahrzeuge. Das ist für Bautzen nicht ganz neu, früher wurden dort auch schon mal Reisezugwagen gebaut.

Wie viele Doppelstockbauer aus Görlitz werden nach Bautzen pendeln?

Dazu kann ich noch nichts sagen, aber ich denke, es werden nicht ein paar Hundert Leute jeden Tag pendeln. Aber wir reden hier auch nicht über Hunderte von Kilometern, sondern über etwa vierzig. Das ist zumutbar. Es gibt eine ganze Reihe von Details, die wir mit der Arbeitnehmerseite verhandeln müssen, und da stehen wir am Anfang. Das betrifft übrigens auch den Sozialplan für die Personalanpassungen. Unser Ziel ist, das Ausscheiden sozialverträglich zu gestalten.

Noch einmal: Werden in Görlitz weiter Doppelstockwagen gebaut und in Bautzen Straßenbahnen?

Die Frage zu den Doppelstockwagen ist beantwortet. Was die Straßenbahnen betrifft, so werden in Bautzen auch in Zukunft Hochflur-Bahnen gebaut. Aber wir werden zwischen den Schwesterwerken in Bautzen und Wien Optimierungen vornehmen. Wir müssen ja auf dem Bautzener Werksgelände auch die Kapazitäten für den Innenausbau der Reisezugwagen schaffen.

Aufgrund der derzeitigen Unsicherheit sehen sich Bombardier-Werker schon nach anderen Arbeitsplätzen um. Wie wollen Sie sicherstellen, dass Bombardier auch in Zukunft die guten Leute hat, die das Werk Sachsen braucht?

Wir müssen in der Tat sehr aufpassen, dass wir die Kernkompetenzen behalten. Da gehen wir sehr zielorientiert vor. Im Übrigen steht Bombardier Transportation super da, was die Attraktivität als Arbeitgeber angeht. Die Rankings zeigen dies nicht nur für den Ingenieurs-, sondern auch für den Facharbeiterbereich.

Was heißt das?

Wir werden weiterhin in die sächsische Belegschaft investieren – sei es in Ausbildungsplätze oder in Qualifizierung.

Geben Sie für das Werk Sachsen eine Standort-Garantie ab?

Ich gebe für überhaupt kein Werk Garantien ab. Standort- und Arbeitsplatzgarantien wären vor dem Hintergrund eines global sehr dynamischen Bahntechnikmarktes unseriös. Wir können doch heute gar nicht wissen, wie sich die Auftragslage in fünf Jahren oder noch später gestaltet. Ich sage aber klar und deutlich, dass ich das Werk Sachsen gut für die Zukunft aufgestellt sehe.

Das Gespräch führte Tilo Berger.