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Stahlbau fehlen junge Ingenieure

Akademiker zieht es in die Städte. Ausgebildete Lehrlinge in Niesky und Umgebung bleiben gern auf dem Land. Offene Ausbildungsplätze – ja klar.

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© Jens Trenkler

Von Thomas Staudt

Hannes (15) und Jonas (14) harren der Dinge, die da kommen. Beide sind nicht besonders gesprächig. Sie sitzen gespannt im Besprechungsraum und machen vor allem eines: Sie hören zu. Erst als es darum geht, die Hallen der Firma Stahl- und Brückenbau Niesky zu besichtigen, tauen sie merklich auf, stellen Fragen, interessieren sich. „Große Unternehmen wie die Bahn schicken eigene Prüfer, um die bestellten Konstruktionen abzunehmen“, erklärt Ausbilder und Vorarbeiter Hubert Melde und zeigt auf eine imposante Brücke. Wie viel die Konstruktion wiegt, fragt Hannes. Jonas will wissen, wie oft Nacharbeiten nach den Kontrollen fällig werden. Er besucht die Oberschule, Hannes geht auf die Gutenberg-Schule. Beide haben sich an diesem Tag freiwillig für die Betriebsbesichtigung gemeldet.

Die Aktion lief nun sachsenweit unter dem Titel „Schau rein – Woche der offenen Unternehmen“. Unterstützt wurde die Betriebsorientierung für Schüler ab der siebten Klassenstufe vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie vom Kultusministerium. Eine Mammutveranstaltung mit über 2 900 Angeboten und fast 25 000 Plätzen in insgesamt rund 1 400 Unternehmen, von der beide Seiten profitierten. Die Schüler konnten sich einen Überblick über die beruflichen Möglichkeiten in einer bestimmten Firma verschaffen, die Unternehmen im besten Fall erste Kontakte zum Nachwuchs knüpfen. In Niesky war die Stahl- und Brückenbau GmbH eines von 14 beteiligten Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen.
Der Stahlbau, wie in Niesky jeder sagt, ist ein Traditionsunternehmen mit aktuell 130 Beschäftigten und Wurzeln, die bis 1835 zurückreichen. Brücken werden hier seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gebaut. Momentan baut die Firma Brücken für Fernverkehrs- und S-Bahnstrecken und ist gut ausgelastet. Nebenher läuft immer schon die Ausbildung. In der jüngeren Zeit bildet das Unternehmen erst seit 2002 systematisch aus. Derzeit sind es zehn Lehrlinge, sagt Geschäftsführerin Elke Duntsch. Darunter zwei im kaufmännischen Bereich und ein technischer Systemplaner, früher hieß dieser Beruf technischer Zeichner.

Im gewerblichen Bereich hatte sie bisher wenig Probleme, offene Stellen zu besetzen. Wer seine Ausbildung mit einem ordentlichen Ergebnis abschließt, hat regelmäßig gute Chancen, übernommen zu werden. Der Altersdurchschnitt der Belegschaft ist hoch. Der Generationswechsel ist längst eingeläutet. Lücken gibt es vor allem im Ingenieurbereich. „Mit einer höheren Ausbildung hält es vor allem Jüngere nicht auf dem Land.“ Elke Duntsch hat da so ihre Erfahrungen gemacht. Junge Ingenieure leben häufig lieber in der Stadt. Damit das Unternehmen die Nachwuchsgewinnung von Wirtschaftsingenieuren ein Stück weit selbst in der Hand hat, kooperiert der Stahlbau mit den Berufsakademien in Bautzen und Plauen.

In diesem Jahr ist ein Ausbildungsplatz als technischer Systemplaner zu besetzen. Vier sind es bei den Konstruktionsmechanikern. Dreieinhalb Jahre dauert die Ausbildung. Für die Berufsschule müssen die Lehrlinge nach Görlitz. Jonas könnte sich eine solche Ausbildung gut vorstellen. Sein Großvater hat in Steinölsa einen Fuhrbetrieb. Jonas kennt sich deshalb mit Fahrzeugen gut aus, hat schon öfter selbst Hand angelegt. Ihn interessiert alles, „was man halt im Stahlbau so macht“. Hubert Melde sagt, was ihn dann im Betrieb erwartet: Gearbeitet wird im Zweischichtbetrieb, auch am Sonnabend. Es gilt die 38-Stunden-Woche. Wenn Aufträge dringend sind und besonders viele reinkommen, kann es vorübergehend nötig werden, eine 40-StundenWoche einzuführen.

Hannes findet den Einblick in die Produktion des Stahlbaus echt gut. An seinem Berufswunsch werden die Betriebsbesichtigung und das anschließende Gespräch mit der Geschäftsführerin sehr wahrscheinlich nicht viel ändern. Er wird sich voraussichtlich eine Ausbildung in der Landwirtschaft suchen. Was ihn dort erwartet, ist kein Neuland für ihn. Sein Vater ist bereits seit mehreren Jahren in dem Bereich selbstständig – ohne eigenen Betrieb. Er arbeitet dort, wo er gebraucht wird. Das kann sich auch Hannes vorstellen. Er braucht keine neuen Fußstapfen. Die alten, die er kennt, sind groß genug für ihn. Und wer weiß: Was man einmal gelernt hat, muss man ja nicht sein ganzes Leben lang machen.

Schau rein 2019

Die Aktion „Schau rein wird auch 2019 wiederholt und dann erneut die erste Adresse für Berufsorientierung in Sachsen sein.

Für den nächsten Veranstaltungsturnus vom 11. bis 16. März 2019 können Unternehmen ab Herbst 2018 ihre Angebote eintragen.

Anmelden können sich Schülerinnen und Schüler ab Januar 2019.