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Streit im Pulsnitzer Stadtrat

Es gibt Differenzen um ein Grundstück. Ein Teil der Stadträte fühlt sich hintergangen. Einer von ihnen – Gert Busch – ist deshalb sogar zurückgetreten.

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© René Plaul

Von Reiner Hanke

Nein, keine Blumen! „Das lassen wir jetzt sein“, so Dirk Busch (CDU) im Stadtrat am Dienstagabend. Dann ließ er den Bürgermeister mit dem Strauß in der Hand zurück. Den bekommen alle Ratsmitglieder in Pulsnitz, wenn sie aus dem Gremium ausscheiden, als Dankeschön für die Mitarbeit. In dem Affront gipfelte der Streit um ein Grundstück nahe dem Pulsnitzer Stadtzentrum. Es geht um den Verkauf der sogenannten Scanbeltfläche. Das ist eine Industriebrache zwischen Liebknecht- und Goethestraße im Sanierungsgebiet der Stadt. Ein Teil der Stadträte fühlte sich hintergangen. Der Rat hätte informiert werden müssen, dass es plötzlich einen potenziellen Käufer gibt, die Firma Entstaubungsgeräte Pulsnitz. Sie wolle das Gelände als Lager nutzen. Es sei falsch gewesen, den Interessenten eigenmächtig durchzuwinken, bevor der Rat über das Vorkaufsrecht der Kommune entschieden hat. Dabei war es nur Fehlern im Schriftverkehr zwischen Stadt und Notar zu verdanken, dass der Verzicht auf die städtischen Ansprüche noch nicht amtlich ist. Die zweifelte der Rathauschef anfangs an. Mittlerweile nicht mehr. Aber auch erst nach dem Eingreifen von Stadträten der CDU-Fraktion und einem Gemeinschafts-Antrag mit der Fraktion von Linke/SPD.

Vertrauen zerstört

Einer der Räte war Dirk Busch, der wegen des Grundstücksstreits nun seine Konsequenzen zog. Er stehe vor einem unüberbrückbaren Konflikt zwischen seinem Mandat und seiner wirtschaftlichen Lebensgrundlage als Wirt. Außerdem sehe er die Vertrauensbasis zwischen Verwaltung und Rat zumindest für seine Person nicht mehr gegeben. So zweifelt er am ehrlichen Umgang miteinander.

Bürgermeister Peter Graff bedauerte wie auch eine Reihe Stadträte den Rückzug Buschs. Graff räumte seine persönliche Schuld an dem Rücktritt ein. Überhaupt sprach der Rathauschef mehrfach von seinen Fehlern und falschen Entscheidungen, aus Unkenntnis. Den Vorwurf der Kungelei wies er aber zurück. Er habe nichts absichtlich vorenthalten, sondern eine andere Sicht auf die Dinge gehabt. Er sei nie davon ausgegangen, dass es für die Stadt und den Rat zwingend um den Kauf der Fläche gegangen sei. Für ihn habe im Zentrum gestanden, städtische Förderungen von 24 000 Euro vom Eigentümer endlich einzutreiben. Und ihm sei wichtig gewesen, die Fläche für eine Entwicklung frei zu bekommen. Viele Jahre habe das Gelände brachgelegen, sei verwildert. Dann habe der Interessent angeklopft, noch dazu ein Pulsnitzer. Der potenzielle Käufer kam damit auch einer Zwangsversteigerung des Geländes zuvor. Er habe in dem Moment keinen Grund gesehen, so Graff, sich dem Verkauf entgegenzustellen. „Ich habe falschgelegen“, so Graff am Dienstag. Nach dieser Einsicht habe er alle nötigen Schritte eingeleitet, um die Fehler auszubügeln und der Stadt ihr Vorkaufsrecht zu ermöglichen. Dafür ausgesprochen hat er sich letztlich jedoch nicht. Die Stadt machte vor allem auch auf die finanziellen Auswirkungen für die klamme Kasse aufmerksam. Außerdem könne das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden, wenn es eindeutig dem Allgemeinwohl diene, das sei nicht erwiesen.

Mangelnder Informationsfluss

Für viele Stadträte schon. Cornelius Hartmann (CDU) begründete es für seine Fraktion. Seit 1993 habe die Stadt immer wieder ihr Kaufinteresse an dem Gelände klargestellt und durchaus konkrete Pläne entwickelt. Pläne für eine Wohnbebauung. Was ja nicht heißt, dass die Stadt selbst bauen müsse. Ein Lager passe aber nicht zu den formulierten Zielen der Stadt. Doch die müsse sie ernst nehmen, so Reiner Rogowski (CDU). Und nicht beim ersten Vorhaben aus dem Stadtentwicklungsprogramm gleich zurückrudern, so Kay Kühne (CDU). Er trat auch den finanziellen Bedenken entgegen. Linke/SPD machten ebenfalls die strategische Bedeutung des Grundstücks deutlich, auch für die Entwicklung des Museums.

Nicht abreißen wollte die Kritik am Rathauschef. Viele Details in einem undurchsichtigen Puzzle würden ihm fehlen, so Daniel Mager (Aktive Bürger). Wie das Thema letztlich in den Rat gekommen ist, das sei nicht akzeptabel, so Rogowski. Von einem Fiasko sprach Ingolf Klotzsche (Feuerwehr) und von einem Genickschlag für den Investor. Er machte unter  anderem den mangelhaften Informationsfluss dafür verantwortlich. Den werfen Abgeordnete der Verwaltung nicht erst seit dieser Woche vor.

FDP steht hinterm Bürgermeister

Bei allen Fehlern, die unterlaufen sind, habe Graff das Gemeinwohl im Auge gehabt, ließ die FDP wissen, stellte sich hinter den Rathauschef und lehnte den Kauf ab. Wichtig sei ihm, so Patrick Thomschke, dass die Fläche keinem Spekulanten in die Hände fällt. Der Käufer sei ein angesehener Pulsnitzer Unternehmer und Förderer des Sports. Er habe mit dem Kauf geschafft, was der Stadt über Jahre nicht gelungen sei. Er bezweifelte auch, dass gerade diese Fläche so ein Filetstück sei, sprach kommende Abrisskosten an und warnte vor dem Rechtsstreit. Man sollte dem Investor keine Steine in den Weg legen. Zumal er sich auch positiv zu den Vorstellungen der Stadt geäußert hätte. Allein stand er nicht mit dieser Meinung. Nach den Worten von Anett Thomschke (Aktive Bürger) habe der Investor schließlich signalisiert, das Lager sei nur eine vorübergehende Sache. Er schließe eine Wohnbebauung nicht grundsätzlich aus, heißt es in Unterlagen der Stadt. Für eine Mehrheit im Rat reichte das nicht aus. Sie votierte für den Ankauf des Grundstücks. Ingolf Klotzsche forderte aber, dass zeitnah eine klare Planung folgen müsse. Das ist auch für die benachbarte Garagengemeinschaft wichtig. Deren Eigentümer machen sich jetzt Sorgen. Beide Gelände sind miteinander verzahnt, und die Scanbeltbrache schwer ohne die Nachbarfläche zu entwickeln. Das klang durch. Ein Mann aus dem Publikum prophezeite allerdings am Ende der Sitzung, dass sich in fünf Jahren noch immer nichts getan haben werde. Es ist jetzt an den Räten und der Stadt, das Gegenteil zu beweisen.