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Stadtführer klagen überzu viele Bettler in Dresden

Der Gästeführerverband will einen offenen Brief an Stadträte schicken, um auf die zunehmende Bettelei aufmerksam zu machen.

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Von Andreas Rentsch

In der Dresdner Innenstadt gibt es offenbar immer mehr Bettler. In den vergangenen Jahren habe sich die Situation spürbar verschärft, erklärt Kristina Kaden, die stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbandes der Gästeführer. Deshalb solle nun mit einem offenen Brief an die Stadträte auf die Lage aufmerksam gemacht werden.

Keine offizielle Statistik

Wie viele Bettler es derzeit in Dresden tatsächlich gibt, ist allerdings nicht offiziell bekannt. Statistiken führen weder das Ordnungsamt noch die Polizei. Nur „aggressives Betteln“ sei verboten und werde auf Grundlage von Paragraf zwölf der Polizeiverordnung geahndet, sagt Rathaussprecherin Anke Hoffmann. Derlei Fälle gebe es aber nur wenige. Wenn sie denn gemeldet werden, kontrollieren die Bediensteten der Stadt die Papiere der besagten Person und erteilen dann einen Platzverweis. Generell verboten ist Betteln zum Beispiel auf der Brühlschen Terrasse oder im Zwinger, sagt Gottfried Dominik von der Schlösserverwaltung des Freistaats. Dennoch werden auch auf dem „Balkon Europas“ Touristen um milde Gaben gebeten.

Vertreter der hiesigen Touristikbranche sind verärgert. „Ich sage meinen Gästen mittlerweile, sie sollen diesen Gestalten nichts geben“, schimpft die Stadtführerin Regine Kempe. Das gelte für die „lebenden Statuen“ am Fürstenzug genauso wie für Bettler vor der Frauenkirche. Kempe behauptet sogar, dass die Frau, die regelmäßig mit ihrer Krücke über den Neumarkt humpelt, gesund sei und ganz normal laufen könne. Kollegen bestätigen Kempes Einschätzung.

Viele Touristen werfen dennoch Münzen in die Schachteln, die ihnen die Bettler hinhalten. Gerti Vöckler aus Naumburg ist mit ihrer Rheuma-Liga-Gruppe nach Dresden gereist. „Nicht gerade schön“, findet die Ruheständlerin die Art und Weise, wie sie als Touristin um Geld angegangen wird. Offenbar lässt sich aber mit der einen oder anderen Masche gut Geld verdienen. Das jedenfalls hat Kristina Kaden recherchiert. Als sie einmal an einem sonnigen Tag 45 Minuten auf ihre nächste Reisegruppe warten musste, habe sie die Münzen gezählt, die in den Becher einer „lebenden Statue“ neben ihr wanderten, erzählt die Gästeführerin. „Zum Schluss waren es 120 Euro.“

Die Dresden Werbung und Tourismus GmbH (DWT) hat reagiert. „Wir haben Hinweise aufgenommen und an Ordnungsbürgermeister Sittel weitergeleitet“, berichtet DWT-Chefin Yvonne Coulin. Der Dezernent habe in Aussicht gestellt, dass die Ordnungsamtsmitarbeiter stärker Präsenz zeigen, falls sich die Situation verschärfen sollte. Gleichzeitig relativiert Coulin: „Kleinkunst befürworte ich – sie belebt einen Platz wie den Neumarkt.“

Wanderung setzt sich fort

Experten rechnen nicht damit, dass die Bettlerschaft in der Stadt gravierend wachsen wird. „Das, was zurzeit passiert, liegt nicht an der Spezifik von Dresden, sondern an der Dynamik von Wanderungsbewegungen“, erklärt der TU-Professor Ulrich Esser. „Diese Menschen werden weiter wandern.“ Duldsam will man auch an der Frauenkirche mit den Almosen-Sammlern umgehen. Mandy Dziubanek von der Stiftung sieht größere Zusammenhänge: „Wenn gebettelt wird, spiegelt das auch die Situation im Land wider.“