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Stadtbewohner rücken zusammen

Auf dem Lande ist es kaum zu spüren, doch in Großstädten steigen die Mieten rasch. Die Bewohner reagieren.

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Berlin. Klingt eigentlich gut: Drei Zimmer, 90 Quadratmeter, Parkett und Balkon, zentrale Lage in Berlin-Kreuzberg. Aber 900 Euro kalt? Dann doch lieber zehn Quadratmeter weniger, ein paar Straßen weiter. Sind immer noch drei Zimmer, aber ganze 250 Euro weniger. So rechnen immer mehr Mieter und Käufer in den deutschen Großstädten: Weil die Preise weitersteigen, nimmt man lieber eine Nummer kleiner.

Jahrelang wurde Wohnen auch deshalb teurer, weil sich die Menschen mehr Wohnraum gönnten. 45 Quadratmeter pro Kopf waren es nach offiziellen Zahlen zuletzt. Doch wo die Immobilienmärkte besonders heiß gelaufen sind, scheint dieser Trend zu einem Ende zu kommen.

„Die Statistiker in den Städten sagen uns, dass die Menschen etwas zusammenrücken“, sagte Matthias Waltersbacher, Wohnungsmarktexperte des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). In bundesweiten Daten zeichne sich das noch nicht ab, Zahlen großer Städte wie Köln und Frankfurt am Main legen aber seit zwei bis drei Jahren nahe, dass die Pro-Kopf-Wohnfläche dort leicht sinkt. München beschrieb schon vor einem Jahr „Sättigungstendenzen“.

Die Gründe sind schnell genannt: Zu Zehntausenden ziehen die Deutschen vom Land in die Städte, wo die Wohnungen knapp werden. Weil die Bank kaum Zinsen gibt, stecken Investoren Geld in Wohnungen – auch wenn das in großen Städten nur noch vier Prozent Rendite verspricht, sagt Siegmar Liebig, Sprecher des Arbeitskreises der Gutachterausschüsse.

Das treibt Kaufpreise und Mieten, wie auch der neue Jahresbericht der amtlichen Gutachter zeigt. Zwischen 900 000 und einer Million Immobilien wechseln jedes Jahr den Besitzer, die Tendenz ist stabil. Doch es ist immer mehr Geld im Spiel. 191 Milliarden Euro standen 2014 in den Kaufverträgen, fast 50 Prozent mehr als 2009.

Im internationalen Vergleich sei Deutschland dabei „wenig auffällig“, erläutert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. In Großbritannien, Irland, Spanien und den USA etwa stiegen die Preise stärker. Doch das dürfte Mieter und Käufer in Deutschland wenig trösten.

Viele Großstädter, vor allem Familien, zogen früher in die Vororte. Doch auch dort wird Wohnen inzwischen vielerorts teurer. Im bundesweiten Durchschnitt kostete eine Eigentumswohnung vor drei Jahren das 4,5-Fache eines Jahresnettoeinkommens. Heute ist es laut Verband deutscher Pfandbriefbanken das 5,5-Fache.

Wer auf dem Land lebt, bekommt davon nichts mit. „Das konzentriert sich auf die boomenden Großstadtregionen“, sagt BBSR-Direktor Harald Herrmann. Der Markt bleibe gespalten. Auf dem Land stagnierten die Preise. Wo die Menschen weniger werden, sänken die Preise sogar. Leerstand breite sich aus.

Eine Chance für Tausende Flüchtlinge, die nun nach Deutschland kommen? Herrmann winkt ab. „Es wird keine Lösung geben für die sogenannten peripheren Räume durch die Zuwanderung.“ Die Forscher gehen davon aus, dass auch Flüchtlinge in die Ballungsräume drängen – nicht zuletzt auf der Suche nach Arbeit.

Hilft nur, in den Städten mehr zu bauen. Bisher dachte das Bundesinstitut, dass jährlich 270 000 neue Wohnungen nötig seien – was in diesem Jahr wohl auch erreicht wird. Jetzt heißt es: 350 000 bis 400 000 Wohnungen müssen es schon sein.

Bundesregierung und Verbände diskutieren seit Langem, wie mehr und vor allem bezahlbare Wohnungen gebaut werden können, etwa durch steuerliche Sonderabschreibungen. Eine schnelle Lösung ist aus Hermanns Sicht aber schwierig. „Es vergehen zwei bis drei Jahre, bevor aus der Idee ein Gebäude geworden ist.“ (dpa)