Merken

Dresden sagt Alkohol den Kampf an

Ein Weinfest darf nicht im Amtsblatt werben, und auch die Bahnen mit Bierwerbung sollen verschwinden.

Teilen
Folgen
NEU!
© dpa

Es ist immer noch die Droge Nummer eins in Dresden: Alkohol. Laut dem aktuellsten Suchtbericht aus dem Vorjahr mussten 3 056 Kinder, Jugendliche und Erwachsene wegen Drogenmissbrauchs in Kliniken behandelt werden – alleine 2 223 davon wegen Alkoholmissbrauchs. Dass die Stadt dem etwas entgegensetzen will, wurde bereits 2015 beschlossen. Jetzt geht die Verwaltung in die Offensive. Das bekamen die Veranstalter des Weinsommers, der bis zum Sonntag an der Hauptstraße stattfand, zu spüren: Eine Werbeanzeige für die Veranstaltung im offiziellen Amtsblatt der Stadt wurde abgelehnt.

Mit der Anzeige sollte auch das Werbemotiv erscheinen – eine Winzerin, ein Winzer, zwei Weinköniginnen und ein Freund, die sich zuprosten. Michael Berger, der mit seiner Agentur „das team“ die Werbung für die Veranstaltung im Auftrag des Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau aus Rheinland-Pfalz macht, ist erstaunt: „Wir arbeiten mit dem Motiv seit Jahren und setzen es bundesweit ein.“ In Dresden durfte er es nun erstmals nicht verwenden.

Mit dem Hinweis auf neue Regeln für die Werbung für Alkohol. Das bestätigt die Suchtbeauftragte der Stadt Kristin Ferse. „Das Strategiepapier für Suchtprävention sieht genau das vor: keine Bewerbung von Suchtmitteln auf kommunalen Flächen.“ Das gelte genauso für Bier und andere Suchtmittel. Die Stadt zeige damit Haltung. „Im Strategiepapier Wasser predigen und auf den Werbeflächen Wein trinken – das wäre ein fatales Signal und würde unseren Bemühungen, die Dresdner Bevölkerung zu einem risikoarmen Konsum zu bewegen, vollkommen zuwider laufen“, so die Suchtbeauftragte.

Berger verteidigt dagegen die Weinwirtschaft. Sie gehe offensiv mit dem Thema Sucht um, informiere Kunden, was moderater Konsum bedeutet. „Das jahrhundertealte Kulturgut Wein hat sich natürlich in der heutigen Zeit zu einem Genussmittel entwickelt. Unser Bestreben ist, dem Konsumenten die Vielfalt und Besonderheit des Produktes nahezubringen und ihm zu ermöglichen den Wein zu finden, der ihm guttut.“

Ihn störe, dass hier pauschalisiert werde. Wein habe andere Bestandteile als Alkohol, die „positive Effekte“ für Konsumenten haben. Ferse dagegen kritisiert, dass die „Trinkempfehlungen“ im Flyer für den Weinsommer nicht den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entsprechen. Denn darin wird nicht darauf hingewiesen, dass jeder mindestens zwei Tage pro Woche komplett auf Alkohol verzichten sollte, und auch die Menge für risikoarmen Genuss sei falsch. Laut WHO sollten Frauen nicht mehr als ein Glas Wein pro Tag trinken und Männer maximal zwei Gläser.

Dass das Rathaus jetzt die Werbung verboten hat, kann als Start einer Kampagne gegen Alkoholwerbung gewertet werden. Das Ziel, keine Werbung auf kommunalen Flächen zuzulassen, werde nun „bei allen neuen Verträgen durchgesetzt“, kündigt Ferse an. „Die Dresdner Verkehrsbetriebe werden in den nächsten Jahren ebenfalls keine Werbung für Suchtmittel mehr zulassen.“ In Bussen und Bahnen gilt ein Alkoholverbot, da auch das Trinken generell untersagt ist. Seit einigen Monaten gibt es ein entsprechendes Piktogramm in Bussen und Bahnen – als Appell, auf Alkohol zu verzichten. Häufig werde in den Verkehrsmitteln „Wegbier“ getrunken.

Künftig soll es aber eben auch keine Alkoholwerbung mehr geben. Zwei Straßenbahnen der Verkehrsbetriebe DVB fahren zurzeit mit Werbung für Biermarken durch die Stadt. Außerdem sind weitere zwei Bahnen mit Werbung für Bierlokale beklebt. Sollte es ein Verbot dafür geben, müsste das der Stadtrat beschließen, ist DVB-Sprecher Falk Lösch überzeugt. „Dann müssen die laufenden Verträge geprüft werden.“ Bei einem Ausstieg vor Vertragsende sei wichtig, wer die Kosten dafür übernimmt. Schon mehrfach war Werbung für Angebote, die Suchtpotenzial haben, ein Thema bei den DVB. „Es gibt immer wieder Wünsche, sie zu unterbinden“, sagt Lösch. Das betreffe dann auch eine Bahn, auf der für Lotto geworben wird.

Immer wieder führt Alkohol auch zu Unfällen im Verkehr. Die Dresdner Fahrerlaubnisbehörde erhielt 2016 insgesamt 468 Polizeimitteilungen deswegen. Das sind gut doppelt so viele wie im Jahr 2013 – da waren es 226 Fälle. 83-mal wurde Mofa- und Fahrradfahrern verboten, diese eigentlich fahrerlaubnisfreien Fahrzeuge zu nutzen, weil sie mit mehr als 1,6 Promille erwischt wurden. 2015 wurden 208 Verkehrsunfälle von Personen verursacht, die unter Alkoholeinfluss standen. Auch deshalb drängt die Suchtbeauftragte darauf, das Verbot durchzusetzen. Im nächsten Suchtbericht werde sie den Stand berichten, kündigte sie an. (SZ/kle/jr/csp/awe)