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Stadt bremst Dresden-Werbung aus

Weniger Striezelmarkt-Besucher, weniger Touristen: Die Linke wirft der Dresdner Tourismuschefin Konzeptlosigkeit vor. Jetzt friert der Stadtrat einen Teil ihres Budgets ein.

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© dpa

Von Sandro Rahrisch

Daumen drücken für die Striezelmarkt-Händler: Fünf Tage vor Schluss fehlen noch etwa 800 000 Besucher, damit es für das Vorjahresergebnis reicht. Für den Spitzenwert des vorletzten Jahres dürfte es dagegen zu spät sein. Damals strömten gut 2,5 Millionen Gäste auf Dresdens größten Weihnachtsmarkt. Der Tourismus in der Stadt schwächelt seit nunmehr über einem Jahr. Zwischen Januar und September zählten die Hoteliers 3,1 Millionen Übernachtungen in ihren Häusern, das sind zwei Prozent weniger als 2015.

Zeit, etwas für den Tourismus in der Stadt zu tun, dachte sich Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) und wollte der Marketinggesellschaft Geld geben, unter anderem für die Vermarktung des Kraftwerks Mitte, einen riesigen Kongress für deutsche Touristiker sowie neue Internetauftritte mit 360-Grad-Panoramen. Doch letzte Woche hat der Stadtrat einen Teil des Budgets eingefroren, insgesamt eine halbe Million Euro.

Von viel Chuzpe im Umgang mit Steuergeldern spricht Linke-Fraktionschef André Schollbach. Der „German Travel Mart“ 2018, ein Kongress, zu dem sich jährlich etwa 1 200 Reiseeinkäufer und Reisejournalisten aus 45 Ländern in einer anderen deutschen Stadt treffen, wäre eine Messe ohne Konzept und Untersetzung und werde so lange kein Geld erhalten, bis ein vernünftiger Plan existiere.

Markige Worte vom Linke-Fraktionschef dürfte inzwischen auch Bettina Bunge gewohnt sein, die die Dresdner Marketinggesellschaft (DMG) führt und somit für jegliche Dresden-Werbung zuständig ist. Den Vorwurf, in ihrem Haus würde kein Konzept für den Kongress vorliegen, weist sie aber entschieden zurück. „Selbstverständlich gibt es ein fundiertes Konzept“, sagte sie am Montag der Sächsischen Zeitung. Stadtverwaltung, Landesregierung, Tourismusbranche und der mit Stadträten aller Fraktionen besetzte Aufsichtsrat der Marketinggesellschaft – mit allen sei die Bewerbung abgestimmt worden.

Ohne detailliertes Konzept hätte Dresden wohl auch kaum eine Chance im Wettbewerb mit anderen Städten gehabt. Mittlerweile sei Dresden aber der Favorit. Noch in diesem Monat müsste OB Hilbert eine Absichtserklärung unterzeichnen, mit der die finanzielle Unterstützung des Projekts zugesichert wird, so Bunge. Sonst wäre der Kongress in den Sand gesetzt.

Konkret geht es um 50 000 Euro, mit denen sich Dresden beteiligen würde. „Was besseres kann einer Stadt gar nicht passieren, als diesen Workshop auszurichten“, sagt Johannes Lohmeyer, der Chef des Tourismusverbandes und selbst Hotelier. Es wäre eine einmalige Chance, dass sich Dresden in kürzester Zeit einem so großen Publikum präsentieren könnte. Eigentlich hätte Wiesbaden die Veranstaltung ausrichten sollen, aber Dresden habe man den Vorzug gegeben. Werde diese Gelegenheit verspielt, bräuchte die Stadt wohl nicht mehr anklopfen.

„Das ist ein Rückschlag für unsere Zielsetzung, Dresden als attraktiven Tourismus-, Kongress-, Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort weiterhin erfolgreich zu vermarkten“, so Bunge. Zum einen müssten sie und ihre Mitarbeiter dem Imageverlust der Stadt im Inland durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit entgegenwirken. Zum anderen sinke die Nachfrage aus dem Ausland wegen Terrorangst.

Linke wirft Bunge „Irreführung“ vor

Nicht ein einziger Stadtrat hatte am Donnerstag gegen die Zurückstellung des Geldes gestimmt, auch die CDU nicht. „Wir haben den Beschluss mitgetragen, weil wir die zusätzlichen Mittel für die Philharmonie nicht gefährden wollten“, sagt Stadtrat Gunter Thiele. Diese waren Bestandteil derselben Vorlage. Linke-Stadtrat Tilo Kießling ist Mitglied im Finanzausschuss und deutete auf Twitter an, dass es nicht die Stadt sein muss, die sich finanziell an dem Kongress beteiligt. Die Touristiker-Tagung finde im Frühjahr 2017 in Nürnberg statt und werde von der bayerischen Landesregierung mit einer Million Euro unterstützt, schrieb er.

Aber es geht nicht nur um das Geld für den Touristikerkongress. Auch Internetauftritte mit 360-Grad-Rundgängen sowie Werbung für den Kongressstandort sollten entstehen. Ebenso soll Bunges Marketinggesellschaft die Bewerbung des neuen Kulturkraftwerks Mitte übernehmen. Eine unvorhergesehene Aufgabe, sagt sie. Denn ursprünglich sollte die DMG dies nur bis Ende dieses Jahres tun. Nun werden aber noch einmal 150 000 Euro für das nächste Jahr fällig, um für das Theaterzentrum mit der Staatsoperette und dem Theater junge Generation die Werbetrommel zu rühren. „Wenn wir das Geld nicht bis spätestens Ende Januar sicher haben, werden wir Maßnahmen streichen müssen und nicht nur verschieben.“

Am späten Montagabend wollte der DMG-Aufsichtsrat noch einmal zusammenkommen, um zu beraten, wie es nun in den ersten Monaten 2017 weitergeht. Der Stadtrat hat den Oberbürgermeister indes aufgefordert, bis Ende Januar Konzepte für die geplanten Projekte vorzulegen. Dann wird neu entschieden. (mit SZ/jv)