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Stadt erweitert Biotope

Unscheinbare Gebiete bilden Paradiese für die Artenvielfalt. Auch Privatleute helfen, diese auszubauen.

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© Christian Juppe

Von Juliane Richter

Abgeschieden und doch recht nah: Im Dresdner Stadtgebiet finden sich Naturschätze, die vielen Einwohnern gar nicht so bekannt sein dürften. Darunter sind zahlreiche Streuobstwiesen, die teilweise schon vor 20 Jahren geplant wurden und mittlerweile einen wichtigen Beitrag zur Artenvielfalt in der Stadt leisten. Diese befinden sich vor allem im Schönfelder Hochland und im Dresdner Westen. Ein besonders erfolgreiches Beispiel ist im Zschonergrund am Knissehang zu sehen.

Wolfgang Probst, Senior vom bekannten Vorwerk Podemus, kooperiert seit zwei Jahrzehnten mit der Stadt. Auf den Hangflächen, die er von Privateigentümern gepachtet hat, gab es schon früher eine Streuobstwiese. Diese wurde durch neue Bäume ergänzt, sodass mittlerweile rund 130 Apfel-, Birnen- und auch Kirschbäume zur Wiese gehören. Obstgehölzpfleger Thomas Lochschmidt kümmert sich um die Bäume. „In den hiesigen Streuobstwiesen finden sich viele alte Obstsorten, auch solche, die in Deutschland nahezu einzigartig sind.“ Allein bis zu 60 Süßkirschsorten gibt es demnach, 20 sind nur regional zu finden. Die Streuobstwiese lebt aber auch von den Gräsern zwischen den Bäumen. Viele von ihnen stehen laut Lochschmidt auf der Roten Liste, etwa das Tausendgüldenkraut oder das Eisenkraut. Hinzu kommen seltene Käfer wie der Eremit.

Wolfgang Probst lässt seine Rinder auf der Streuobstwiese weiden und trägt damit zur natürlichen Pflege bei. Als Bio-Landwirte haben er und seine Söhne erkannt, wie sie schonend mit der Landschaft umgehen müssen. Deshalb haben sie auf ihren Flächen rund um Podemus auch verstärkt Hecken gepflanzt, welche die Bodenerosion verhindern und die Landschaft stärker gliedern. Während der DDR-Zeit gab es vor allem riesige zusammenhängende landwirtschaftliche Flächen.

„Wir wollen aber die alte Gefildelandschaft, die ab den 60er-Jahren verschwunden war, entlang der alten Feldwege wieder entstehen lassen“, sagt Probst. Das heißt, dass zum Beispiel Hecken aus Schwarz- oder Weißdorn die Landwirtschaftsflächen in kleinere Abschnitte untergliedern. Das ist vor allem auch schön fürs Auge und steigert den Erholungswert der Region. Nicht immer pflanzen die Landwirte die Bäume oder Hecken auf eigene Kosten. Häufiger stammt das Geld aus sogenannten Ausgleichsmaßnahmen. Wenn zum Beispiel für die Ansiedlung einer Firma Bäume gefällt werden, muss das Unternehmen finanziell für die Ersatzpflanzung an anderer Stelle aufkommen. Laut Jürgen Altmeyer, stellvertretender Leiter des Umweltamtes, sind das meist nur bis zu drei Prozent der Gesamtbausumme. Konkret heißt das, dass für die Pflanzung und Pflege eines Baumes samt Wiese über einen Zeitraum von 25 Jahren insgesamt zwischen 600 und 800 Euro anfallen.

So sind im bebauten Gebiet auch Streuobstwiesen in Omsewitz, Coschütz, Mockritz und Leubnitz entstanden. Eine 2,5 Hektar große und relativ zentrumsnahe Streuobstwiese befindet sich an der Saalhausener Straße in Naußlitz. Ist so eine Wiese einmal angelegt, wird sie als Biotop deklariert und erhält damit einen besonderen Schutzstatus. Laut Anke Weber vom Umweltamt hält das manche Eigentümer ab, mit der Stadt in diesem Sinne zu kooperieren, weil sie den Wert des potenziellen Baulandes sehen. Die Stadt wirbt deshalb ständig bei den Privatleuten um Hilfe.

Etwas anders liegt der Fall am Dresdner Heller. Auf einer Fläche so groß wie das Innere des 26er-Rings befindet sich ein Filetstück der Landschaftspflege. Die auf den ersten Blick streckenweise karge Landschaft verfügt über seltene, offene Rohböden und Sanddünen, die in der vorletzten Eiszeit entstanden sind. Zudem erinnert sie an die Königsbrücker Heide. Bis zur Wende wurde das Gelände von der Sowjetarmee genutzt. Die Stadt hat die ungewollten Überreste wie Betonplatten oder Metalltanks beräumt. Wegen der großen Artenvielfalt an Blumen und Insekten ist das Gelände seit 2004 europäisches Flora-Fauna-Habitat und genießt dadurch einen besonderen Schutz. Die Stadtverwaltung möchte es in naher Zukunft als Naturschutzgebiet ausweisen. In den vergangenen 15 Jahren konnte das Gelände vor allem durch europäische Fördergelder in seinen jetzigen Zustand versetzt werden. Dadurch wird auch Elbwiesenschäfer Steffen Vogel finanziert, der zweimal jährlich seine Heidschnucken hier grasen lässt und damit hilft, eingeschleppte Pflanzen wie Robinien und Traubenkirschen zurückzudrängen.

Für die Dresdner ist das Gebiet mittels eines Wanderwegs von der Heeresbäckerei bis zur Straßenbahnhaltestelle Moritzburger Weg zu erkunden. Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen sieht in diesen besonderen Flächen ein Kapital für die Stadt, vor allem für die Naherholung. „Um sie zu erhalten, müssen wir sie aber ständig weiterpflegen“, sagt sie.