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Stadt des Irrsinns

Für das Satiremagazin „Extra 3“ liefert Dresden so viele verrückte Geschichten wie kaum eine andere Stadt in Deutschland.

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© Jörn Haufe

Von Sandro Rahrisch

Liegt es an der Luft im Elbtal, die immer ein bisschen trockener und wärmer ist als im Umland? Oder hängen die Dresdner einfach nur an August dem Starken, der gern Ungewöhnliches schuf und auffiel? Egal, weshalb und warum: Dass an der Elbe leidenschaftlich zerstört, aber genauso sonderbar gebaut wird, ist inzwischen auch dem Rest der Republik aufgefallen. Reporter des ARD-Satiremagazins „Extra 3“ haben die Stadt schon siebenmal besucht und mussten für ihre Rubrik „Realer Irrsinn“ bislang nie mit leeren Händen ins Studio zurückkehren. In Ostdeutschland toppt das nur noch Berlin. Aber an dessen Geister-Flughafen reicht auch erst einmal wenig heran.

Dresden gaga!

Irrsinn 1: Bagger macht aus Elberadweg eine Kraterlandschaft  Scharf bremsen statt gemütlich radeln:   Im Mai letzten Jahres lässt die Marina-Garden-Investorin Regine Töberich zwischen Pieschener und Neustädter Hafen ein fast 60 Meter langes Stück des Elberadweges wegbaggern und verpasst dem Stadtrat damit einen Denkzettel.   Dieser tagt zur selben Zeit im Kulturrathaus und verhängt über ihr Grundstück eine Veränderungssperre, sodass die Architektin ihre Wohnprojekt-Pläne nicht mehr umsetzen kann. Irrsinn hoch zwei: Töberich reißt irrtümlich das falsche Stück des Radweges weg – das neben ihrer Immobilie.   Die Stadt ist fix und füllt nur 48 Stunden später neuen Asphalt in die Lücke. Die Bagger-Aktion hat für Töberich kein Nachspiel: Gegen eine Zahlung an das Stetzscher Tierheim wird das Strafverfahren gegen sie eingestellt.
Irrsinn 1: Bagger macht aus Elberadweg eine Kraterlandschaft Scharf bremsen statt gemütlich radeln: Im Mai letzten Jahres lässt die Marina-Garden-Investorin Regine Töberich zwischen Pieschener und Neustädter Hafen ein fast 60 Meter langes Stück des Elberadweges wegbaggern und verpasst dem Stadtrat damit einen Denkzettel. Dieser tagt zur selben Zeit im Kulturrathaus und verhängt über ihr Grundstück eine Veränderungssperre, sodass die Architektin ihre Wohnprojekt-Pläne nicht mehr umsetzen kann. Irrsinn hoch zwei: Töberich reißt irrtümlich das falsche Stück des Radweges weg – das neben ihrer Immobilie. Die Stadt ist fix und füllt nur 48 Stunden später neuen Asphalt in die Lücke. Die Bagger-Aktion hat für Töberich kein Nachspiel: Gegen eine Zahlung an das Stetzscher Tierheim wird das Strafverfahren gegen sie eingestellt.
Irrsinn 2: Jüdenhof-Hotel bekommt Fenster, aber keine Öffner  Wer auf dem Neumarkt eincheckt, der will nach dem Aufstehen das Fenster öffnen und auf die Frauenkirche schauen. Aber Vorsicht, liebe Touristen: Das ist Dresden.   Offenbar hält die Stadt wenig von Schallschutzfenstern und will dem Jüdenhof, der gerade gebaut wird, vorschreiben, die Zimmer fest zu verglasen. Kurz gesagt: Die Fenster bleiben zu. Schuld ist der Kulturpalast.   Noch wird er saniert. Nächstes Jahr dürfte es nachts aber wieder deutlich lauter werden, wenn Konzerttechnik verladen und abtransportiert wird. Die Stadt beweist also Fürsorge für ihre Gäste. Weniger komisch findet das Jüdenhof-Investor Michael Kimmerle. Er klagt vor dem Verwaltungsgericht gegen die Auflage.   Eine Entscheidung steht kurz bevor.
Irrsinn 2: Jüdenhof-Hotel bekommt Fenster, aber keine Öffner Wer auf dem Neumarkt eincheckt, der will nach dem Aufstehen das Fenster öffnen und auf die Frauenkirche schauen. Aber Vorsicht, liebe Touristen: Das ist Dresden. Offenbar hält die Stadt wenig von Schallschutzfenstern und will dem Jüdenhof, der gerade gebaut wird, vorschreiben, die Zimmer fest zu verglasen. Kurz gesagt: Die Fenster bleiben zu. Schuld ist der Kulturpalast. Noch wird er saniert. Nächstes Jahr dürfte es nachts aber wieder deutlich lauter werden, wenn Konzerttechnik verladen und abtransportiert wird. Die Stadt beweist also Fürsorge für ihre Gäste. Weniger komisch findet das Jüdenhof-Investor Michael Kimmerle. Er klagt vor dem Verwaltungsgericht gegen die Auflage. Eine Entscheidung steht kurz bevor.
Irrsinn 3: Alte Striezelmarkt-Tassen sollen auf dem Scherbenhaufen enden  Was für ein Scherbenhaufen wäre das geworden: Kurz nachdem der Striezelmarkt im Dezember öffnet, schmiedet die Stadt den Plan, die alten Glühweintassen zu zerdeppern, immerhin 50 000 Stück. Es geht um Markenrechte.   Das Rathaus will verhindern, dass die alten Becher weiterverkauft werden. Doch der Müllcontainer bleibt ihnen dann doch erspart: Nach langem Hin und Her gibt sie die Stadt an Schulen, Kindergärten, Vereine und Hilfsorganisationen, darunter das Rote Kreuz.
Irrsinn 3: Alte Striezelmarkt-Tassen sollen auf dem Scherbenhaufen enden Was für ein Scherbenhaufen wäre das geworden: Kurz nachdem der Striezelmarkt im Dezember öffnet, schmiedet die Stadt den Plan, die alten Glühweintassen zu zerdeppern, immerhin 50 000 Stück. Es geht um Markenrechte. Das Rathaus will verhindern, dass die alten Becher weiterverkauft werden. Doch der Müllcontainer bleibt ihnen dann doch erspart: Nach langem Hin und Her gibt sie die Stadt an Schulen, Kindergärten, Vereine und Hilfsorganisationen, darunter das Rote Kreuz.
Irrsinn 4: Albertbrücke bekommt gleich zwei Geländer  Doppelt hält besser, könnte man sagen: Im Fall der Albertbrücke hätte aber auch ein einziges Geländer gereicht.  Stattdessen gibt es das historisch nachgebaute und dahinter gleich noch ein 30 Zentimeter höheres. Will das Rathaus auf der Brücke etwa für besonders viel Sicherheit sorgen?   Nein, viel mehr genügt das historische Geländer nicht den Ansprüchen – es ist zu niedrig, sieht aber schön aus. Deshalb ist gleich noch ein zweites installiert worden, das zwar weniger schön aussieht, dafür aber den rechtlichen Anforderungen entspricht.
Irrsinn 4: Albertbrücke bekommt gleich zwei Geländer Doppelt hält besser, könnte man sagen: Im Fall der Albertbrücke hätte aber auch ein einziges Geländer gereicht. Stattdessen gibt es das historisch nachgebaute und dahinter gleich noch ein 30 Zentimeter höheres. Will das Rathaus auf der Brücke etwa für besonders viel Sicherheit sorgen? Nein, viel mehr genügt das historische Geländer nicht den Ansprüchen – es ist zu niedrig, sieht aber schön aus. Deshalb ist gleich noch ein zweites installiert worden, das zwar weniger schön aussieht, dafür aber den rechtlichen Anforderungen entspricht.
Irrsinn 5: Güntzplatz-Ampel wird nie mehr grün  Grün ist die Farbe der Hoffnung. Die können Autofahrer am Güntzplatz aber aufgeben. Denn die Ampel an der Kreuzung Ziegeleistraße zeigt seit 1987 permanent Rot.   Aus Sicht der Stadt ist das kein Problem: Es gibt einen Grünen Pfeil, und Autofahrer dürfen dort ohnehin nur rechts abbiegen. Rechtlich sei das gar nicht anders möglich.   Da der Verkehr am Güntzplatz von Ampeln geregelt wird, darf an dieser Zufahrt keine Ausnahme gemacht werden. Der rote Luxus kostet die Stadt jährlich 5 500 Euro.
Irrsinn 5: Güntzplatz-Ampel wird nie mehr grün Grün ist die Farbe der Hoffnung. Die können Autofahrer am Güntzplatz aber aufgeben. Denn die Ampel an der Kreuzung Ziegeleistraße zeigt seit 1987 permanent Rot. Aus Sicht der Stadt ist das kein Problem: Es gibt einen Grünen Pfeil, und Autofahrer dürfen dort ohnehin nur rechts abbiegen. Rechtlich sei das gar nicht anders möglich. Da der Verkehr am Güntzplatz von Ampeln geregelt wird, darf an dieser Zufahrt keine Ausnahme gemacht werden. Der rote Luxus kostet die Stadt jährlich 5 500 Euro.
Irrsinn 6: Abgewiesen von der Schule auf der anderen Straßenseite  Schön, wenn man nur wenige Meter neben der Schule wohnt – das spart Fahrtkosten. Doch Elisa, die von ihrem Zimmer direkt auf die Weixdorfer Oberschule schauen kann, bekommt im vergangenen Sommer von eben dort eine Absage.   Weil es mehr Anmeldungen als Plätze gibt, hat das Los über ihr zukünftiges Klassenzimmer entschieden. Das soll zwei Busfahrten und 45 Minuten später in Klotzsche liegen.   Bildungsagentur und Schulverwaltungsamt argumentieren, das sei rechtlich alles ok. Bis zu 60 Minuten Schulweg wären zumutbar. Schließlich wird nach Protesten eine weitere fünfte Klasse in Weixdorf eingerichtet.
Irrsinn 6: Abgewiesen von der Schule auf der anderen Straßenseite Schön, wenn man nur wenige Meter neben der Schule wohnt – das spart Fahrtkosten. Doch Elisa, die von ihrem Zimmer direkt auf die Weixdorfer Oberschule schauen kann, bekommt im vergangenen Sommer von eben dort eine Absage. Weil es mehr Anmeldungen als Plätze gibt, hat das Los über ihr zukünftiges Klassenzimmer entschieden. Das soll zwei Busfahrten und 45 Minuten später in Klotzsche liegen. Bildungsagentur und Schulverwaltungsamt argumentieren, das sei rechtlich alles ok. Bis zu 60 Minuten Schulweg wären zumutbar. Schließlich wird nach Protesten eine weitere fünfte Klasse in Weixdorf eingerichtet.
Irrsinn 7: Stadt will asphaltierten Heide-Radweg durch Sand ersetzen  Fahrradfahrer freuen sich über jedes Stück asphaltierten Weg. Das schont Räder und Speichen. Umso erschrockener ist der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC), als der sächsische Forstbetrieb im Sommer 2014 ankündigt, gut einen Kilometer Heide-Radweg vom Asphalt befreien und ersetzen zu wollen – gegen Sand.   Rund 90 000 Euro soll der Abriss kosten. Pardon, die Entsiegelung. Am Ende erzielen die Gegner der Bagger-Posse einen Erfolg, der Gänsefuß-Radweg an der Radeberger Landstraße bleibt, wie er ist.   Zumindest, bis der Asphalt so abgenutzt ist, dass eine Sanierung nötig wäre.
Irrsinn 7: Stadt will asphaltierten Heide-Radweg durch Sand ersetzen Fahrradfahrer freuen sich über jedes Stück asphaltierten Weg. Das schont Räder und Speichen. Umso erschrockener ist der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC), als der sächsische Forstbetrieb im Sommer 2014 ankündigt, gut einen Kilometer Heide-Radweg vom Asphalt befreien und ersetzen zu wollen – gegen Sand. Rund 90 000 Euro soll der Abriss kosten. Pardon, die Entsiegelung. Am Ende erzielen die Gegner der Bagger-Posse einen Erfolg, der Gänsefuß-Radweg an der Radeberger Landstraße bleibt, wie er ist. Zumindest, bis der Asphalt so abgenutzt ist, dass eine Sanierung nötig wäre.

Die Dresdner Verrücktheiten

Irrsinn 1: Bagger macht aus Elberadweg eine Kraterlandschaft

Scharf bremsen statt gemütlich radeln: Im Mai letzten Jahres lässt die Marina-Garden-Investorin Regine Töberich zwischen Pieschener und Neustädter Hafen ein fast 60Meter langes Stück des Elberadweges wegbaggern und verpasst dem Stadtrat damit einen Denkzettel.

Dieser tagt zur selben Zeit im Kulturrathaus und verhängt über ihr Grundstück eine Veränderungssperre, sodass die Architektin ihre Wohnprojekt-Pläne nicht mehr umsetzen kann. Irrsinn hoch zwei: Töberich reißt irrtümlich das falsche Stück des Radweges weg – das neben ihrer Immobilie.

Die Stadt ist fix und füllt nur 48 Stunden später neuen Asphalt in die Lücke. Die Bagger-Aktion hat für Töberich kein Nachspiel: Gegen eine Zahlung an das Stetzscher Tierheim wird das Strafverfahren gegen sie eingestellt.

Irrsinn 2: Jüdenhof-Hotel bekommt Fenster, aber keine Öffner

Wer auf dem Neumarkt eincheckt, der will nach dem Aufstehen das Fenster öffnen und auf die Frauenkirche schauen. Aber Vorsicht, liebe Touristen: Das ist Dresden. Offenbar hält die Stadt wenig von Schallschutzfenstern und will dem Jüdenhof, der gerade gebaut wird, vorschreiben, die Zimmer fest zu verglasen.

Kurz gesagt: Die Fenster bleiben zu. Schuld ist der Kulturpalast. Noch wird er saniert. Nächstes Jahr dürfte es nachts aber wieder deutlich lauter werden, wenn Konzerttechnik verladen und abtransportiert wird. Die Stadt beweist also Fürsorge für ihre Gäste. Weniger komisch findet das Jüdenhof-Investor Michael Kimmerle.

Er klagt vor dem Verwaltungsgericht gegen die Auflage. Eine Entscheidung steht kurz bevor.

Irrsinn 3: Alte Striezelmarkt-Tassen sollen auf dem Scherbenhaufen enden

Was für ein Scherbenhaufen wäre das geworden: Kurz nachdem der Striezelmarkt im Dezember öffnet, schmiedet die Stadt den Plan, die alten Glühweintassen zu zerdeppern, immerhin 50000 Stück. Es geht um Markenrechte. Das Rathaus will verhindern, dass die alten Becher weiterverkauft werden.

Doch der Müllcontainer bleibt ihnen dann doch erspart: Nach langem Hin und Her gibt sie die Stadt an Schulen, Kindergärten, Vereine und Hilfsorganisationen, darunter das Rote Kreuz.

Irrsinn 4: Albertbrücke bekommt gleich zwei Geländer

Doppelt hält besser, könnte man sagen: Im Fall der Albertbrücke hätte aber auch ein einziges Geländer gereicht. Stattdessen gibt es das historisch nachgebaute und dahinter gleich noch ein 30 Zentimeter höheres. Will das Rathaus auf der Brücke etwa für besonders viel Sicherheit sorgen?

Nein, viel mehr genügt das historische Geländer nicht den Ansprüchen – es ist zu niedrig, sieht aber schön aus. Deshalb ist gleich noch ein zweites installiert worden, das zwar weniger schön aussieht, dafür aber den rechtlichen Anforderungen entspricht.

Irrsinn 5: Güntzplatz-Ampel wird nie mehr grün

Grün ist die Farbe der Hoffnung. Die können Autofahrer am Güntzplatz aber aufgeben. Denn die Ampel an der Kreuzung Ziegeleistraße zeigt seit 1987 permanent Rot. Aus Sicht der Stadt ist das kein Problem: Es gibt einen Grünen Pfeil, und Autofahrer dürfen dort ohnehin nur rechts abbiegen. Rechtlich sei das gar nicht anders möglich. Da der Verkehr am Güntzplatz von Ampeln geregelt wird, darf an dieser Zufahrt keine Ausnahme gemacht werden. Der rote Luxus kostet die Stadt jährlich 5500 Euro.

Irrsinn 6: Abgewiesen von der Schule auf der anderen Straßenseite

Schön, wenn man nur wenige Meter neben der Schule wohnt – das spart Fahrtkosten. Doch Elisa, die von ihrem Zimmer direkt auf die Weixdorfer Oberschule schauen kann, bekommt im vergangenen Sommer von eben dort eine Absage. Weil es mehr Anmeldungen als Plätze gibt, hat das Los über ihr zukünftiges Klassenzimmer entschieden.

Das soll zwei Busfahrten und 45Minuten später in Klotzsche liegen. Bildungsagentur und Schulverwaltungsamt argumentieren, das sei rechtlich alles ok. Bis zu 60 Minuten Schulweg wären zumutbar. Schließlich wird nach Protesten eine weitere fünfte Klasse in Weixdorf eingerichtet.

Irrsinn 7: Stadt will asphaltierten Heide-Radweg durch Sand ersetzen

Fahrradfahrer freuen sich über jedes Stück asphaltierten Weg. Das schont Räder und Speichen. Umso erschrockener ist der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC), als der sächsische Forstbetrieb im Sommer 2014 ankündigt, gut einen Kilometer Heide-Radweg vom Asphalt befreien und ersetzen zu wollen – gegen Sand.

Rund 90000 Euro soll der Abriss kosten. Pardon, die Entsiegelung. Am Ende erzielen die Gegner der Bagger-Posse einen Erfolg, der Gänsefuß-Radweg an der Radeberger Landstraße bleibt, wie er ist. Zumindest, bis der Asphalt so abgenutzt ist, dass eine Sanierung nötig wäre.

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