Merken

Stadt der Supermärkte

Rewe, Netto, Penny, Edeka, Aldi – Leisnig hat sie alle. Über zu wenig Auswahl können sich die Einwohner nicht beschweren. Einige ärgern sich trotzdem.

Teilen
Folgen
NEU!
© André Braun

Von Linda Barthel

Leisnig. Warum sollte eine Kleinstadt nur einen Supermarkt haben, wenn sie genauso gut sechs haben kann? Je mehr, desto besser. Das scheint zumindest für Leisnig zu gelten. Hier hat vor wenigen Monaten Markt Nummer sechs eröffnet: Ein Rewe mit 1 600 Quadratmetern Verkaufsfläche und rund 15 000 Artikeln. Wem diese umfangreiche Produktpalette nicht ausreicht, der kann einfach ein paar Meter weiter zu Aldi gehen – oder eben zu Penny oder zu Edeka oder zu Netto. Den gibt’s in Leisnig sogar gleich zweimal. Doch braucht eine Stadt mit nicht einmal 9 000 Einwohnern wirklich sechs Supermärkte?

„Eindeutig nicht“, sagt Evelyn Koch. Sie hat kein Verständnis dafür, dass in Leisnig mittlerweile sechs Einkaufsmärkte stehen. „Das ist doch nicht normal“, sagt die Rentnerin. „In der Stadt stehen so viele kleine Läden leer, da sollte sich mal was tun. Den Rewe hätten wir hier nicht gebraucht.“ Viele hätten über den Bau des Marktes an der Ostwald-Straße gemeckert.

Tatsächlich gab es im Vorfeld Diskussionen, ob Leisnig wirklich so viele Einkaufsmärkte braucht und ob alle auf Dauer genug Kunden haben werden. Die Bedenken wurden schlussendlich außer Acht gelassen, der Rewe gebaut.

Das sieht auch nicht jeder skeptisch. „Ich gehe gerne hier einkaufen. Der Markt ist schick, der Parkplatz sauber und groß und es gibt viele gute Produkte“, sagt Anja Pracejus. Die 34-Jährige fährt manchmal sogar extra von Döbeln nach Leisnig, weil sie bei Rewe einkaufen will. „Ansonsten verbinde ich das mit einem Besuch meiner Eltern, die wohnen gleich hier.“

Kundenprognose stimmt

Anja Pracejus scheint nicht die Einzige zu sein, die gerne ein paar Kilometer mehr in Kauf nimmt, um sich bei Rewe mit Lebensmitteln einzudecken. Auf dem Rewe-Parkplatz stehen mehrere Autos, deren Kennzeichen darauf schließen lassen, dass die Besitzer nicht gleich um die Ecke wohnen.

Auch Roswitha Ruschke macht am Rewe Halt, wenn sie von Gallschütz aus nach Colditz auf Arbeit fährt. „Ich finde es gut, dass es hier jetzt einen Rewe gibt. Es gehen ja auch nicht nur Leisniger in den Markt einkaufen“, sagt die 58-Jährige. Sie glaube nicht, dass die anderen Supermärkte durch den neuen Konkurrenten Kunden verlieren. „Ich kenne eine Frau, die bei Aldi arbeitet. Sie meint, dass sogar mehr Leute kommen, weil jetzt auch einige von weiter her nach Leisnig zum Einkaufen fahren.“

Genau das war im Vorfeld der Rewe-Ansiedlung prognostiziert worden. Es gab Analysen über Kundenströme und damit verbunden die Hoffnung, dass der Markt eine überregionale Anziehungskraft ausübt.

Pendelei zwischen Aldi und Rewe

Auch Hannelore und Wolfgang Richter, die ihren Wocheneinkauf immer bei Aldi erledigen, machen jetzt gerne einmal einen Abstecher zu Rewe. „Dort ist der große Vorteil, dass es viele Drogerie-Artikel gibt. Früher habe ich die bei Schlecker gekauft. Jetzt gehe ich zu Rewe“, sagt Hannelore Richter. Ihr Mann ergänzt: „Wenn wir bei Aldi ein bestimmtes Produkt nicht bekommen, dann fahren wir eben rüber zu Rewe.“ Trotzdem sind die beiden skeptisch, dass die sechs Supermärkte in Leisnig alle dauerhaft genügend Kunden haben werden. „Die Einwohnerzahl nimmt ja immer weiter ab“, sagt Wolfgang Richter.

Auch Ute Lausch kann sich nicht vorstellen, dass die Märkte sich bezahlt machen. „Aus ökonomischer Sicht gibt es in Leisnig mindestens einen Supermarkt zu viel“, sagt sie. „Ich weiß außerdem nicht, ob die langen Öffnungszeiten bis 22 Uhr wirklich sein müssen.“

Die Rewe Group ist dagegen positiv gestimmt. Der Markt werde gut angenommen und es sei eine stetige Kundenzunahme zu spüren, sagt Unternehmenssprecherin Stephanie Behrens. „Wir erhalten auch viel persönlichen Zuspruch für das breite Angebot an frischen Waren, wie Obst und Gemüse, und für die vielen Artikel von Lieferanten aus unserer Region.“ Die Zusammenarbeit wolle man stetig ausbauen.

Bei Rewe ist man also zufrieden. Doch auch die schon länger in Leisnig ansässigen Supermärkte klagen nicht. Bei Penny spüre man weder die Konkurrenz durch den neuen Markt, noch einen Kundenrückgang, teilt die Pressestelle mit.

Netto bleibt auf der Muldenwiese

Ähnlich sieht es nach eigenen Angaben bei Netto aus. „Unseren Kunden in Leisnig bieten wir mit zwei Filialen eine umfassende Nahversorgung. Es ist keine Änderung unseres Konzeptes oder gar eine Schließung geplant“, sagt Christina Stylianou, Leiterin der Unternehmenskommunikation. „Wir rechnen damit, auch künftig für unsere Leisniger Kunden vor Ort zu sein.“ Diese Nachricht wird vor allem die Kunden aus der sogenannten Unterstadt und dem Bockelwitzer Raum freuen. Für sie ist dieser Netto-Markt der nächstgelegene. Ängste, dass er schließt, gab es nach den Überflutungen und der Netto-Markt-Eröffnung an der Colditzer Straße schon einmal.

Leisnig wird wohl also auch in Zukunft die Stadt der Supermärkte bleiben. (mit sig)