Von Anja Beutler
Strahwalde. Andreas Bültemeier kann Steine im Wald lesen wie andere Leute ein Geschichtsbuch. Denn der Mann aus dem Herrnhuter Ortsteil Strahwalde hat sich gemeinsam mit seinem Hoyerswerdaer Kollegen und Freund Thomas Sobczyk zum Experten geforscht. „Denkmale in den Oberlausitzer Wäldern“ heißt das Buch, das die beiden vor rund einem Jahr veröffentlicht haben und mit dem sie jüngst Platz 3 beim Sächsischen Landeswettbewerb für Heimatforschung erreichten. Beide arbeiten in Kreisforstämtern – Bültemeier für Görlitz, Sobczyk für Bautzen – und sind deswegen viel im Wald unterwegs. Über Jahre hinweg sammelten beide Informationen, Fotos und Koordinaten – zunächst ohne bestimmtes Ziel. Zudem erhielten sie von Herbert Wilhelmi von der Forstschule Tharandt und vielen weiteren Helfern Material für ihre Arbeit. So ist eine Sammlung von rund 250 Denkmalen für beide Kreise entstanden, mit einem Blick ins Nachbarland.
Dass er sich für die mitunter kaum noch auffindbaren Steine dermaßen begeistern kann, hätte Andreas Bültemeier nie gedacht. „Früher haben mich nur Steine interessiert, auf die man auch klettern kann“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Der Reiz der meist steinernen Denkmale ist dennoch leicht erklärt: Die Suche nach den teilweise im Gehölz untergegangenen Denkmalen ist wie eine Schnitzeljagd: „Manchmal haben wir uns wie ein Schneekönig gefreut, wenn wir das Gesuchte endlich gefunden hatten“, beschreibt Bültemeier das Glücksgefühl. Da musste auch seine Frau Angela Bültemeier, die Betriebsleiterin des Zittauer Stadtforsts ist, Toleranz zeigen: Wanderungen durch das Unterholz und stapelweise Forschungsergebnisse auf dem Küchentisch gehörten phasenweise dazu, erinnert sich der 57-Jährige. Vor allem aber faszinieren ihn die Hintergründe: „Diese Steine erzählen kleine Geschichten, ohne die man die große Geschichte nicht erzählen kann“, sagt er. Dabei sind die Stein-Storys mitnichten dröge: Manche lesen sich wie ein Krimi, manche sind dramatisch, andere strotzen vor Stolz.
Andreas Bültemeier kann da Beispiele aneinanderreihen wie Perlen an eine Kette: Rätselhaft bleiben die Hintergründe des Liebesdenkmals in Kunnerwitz. Wahrhaft einen Meilenstein markiert der Forststein bei Sohland am Rotstein, wo Ende des 17. Jahrhunderts an die erfolgreiche Nadelholz-Saat erinnert wird, die in der Region damals noch selten war. Tragisches erzählt der Gottfried-Kruhl-Stein im Ullersdorfer Forst, der an den Tod eines Wildhüters erinnert. Er wurde von Rotwild aufgegabelt. Der Graf von Fürstenstein nahm sich der Ausbildung seiner Kinder an. Alle Denkmale haben Sobczyk und Bültemeier freilich nicht aufgenommen, sondern bewusst ausgewählt. Ihre Geschichten wollen die beiden mit ihrem Buch – samt Koordinaten und Wanderempfehlungen – für die Zukunft bewahren. Aus der Mode gekommen sind die Denkmale im Wald ohnehin nicht: In dem Buch finden sich auch aktuelle Beispiele. „Das ist einfach drin in den Menschen“, sagt Andreas Bültemeier.