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Spreebrücke – sinnvoll oder störend?

Beim CDU-Stammtisch in Bautzen trafen erstmals Befürworter und Gegner aufeinander. Es ist der Anfang einer langen Diskussion.

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© Quelle: TU Dresden/Prof. Manuel Bäumler

Von Marleen Hollenbach

Bautzen. Eigentlich ist seine Arbeit abgeschlossen. Gemeinsam mit seinen Studenten hat Manuel Bäumler die alte Idee von der Spreebrücke anschaulich gemacht. Er hat ein Modell entwickelt, verschiedene Visualisierungen erstellt. Das war’s. Der Professor der TU Dresden könnte jetzt das Thema abhaken, sich zurücklehnen und abwarten, was passiert. Stattdessen fährt er zum dritten Mal nach Bautzen. Vor den Medienvertretern hat er schon gesprochen und vor den Stadträten. Er hat für seine Arbeit viel Lob bekommen, wohlwollende Worte. Doch an diesem Abend im Bautzener Brauhaus, das ahnt der Professor, wird er erstmals auf die Gegner des Projektes treffen.

Emotionaler Vortrag

Eigentlich tagt der Bautzener CDU-Stammtisch im kleinen Vereinszimmer. Doch für die Brücken-Diskussion haben die Mitglieder vorsorglich den großen Saal reserviert. Eine gute Entscheidung. So findet jeder der etwa 70 Gäste einen Platz. Ein paar Stühle bleiben sogar frei. Zuerst hat der Professor das Wort. Hastig steigt er die Stufen hinauf zur Bühne, zeigt auf einer Karte, wie sich die Fußgängerbrücke vom Protschenberg hin zur Ortenburg erstrecken soll. Dann dreht er um, hastet die Treppe wieder hinunter, berichtet von der Erweiterung des Touristenparkplatzes, von der Bürgerwiese, die sich bis zur kleinen Kapelle hinziehen wird. Seine Worte hallen durch den Saal – und strotzen nur so vor Euphorie. „Das ist eine gigantische Chance für die Stadt. Bautzen hat die Möglichkeit, eine markante Stelle neu zu inszenieren und sollte sie ergreifen“, erklärt er.

Der emotionale Vortrag löst zwei unterschiedliche Reaktionen aus. Viele klatschen, lassen sich anstecken von der Begeisterung des Professors, von der Aufbruchstimmung, die er verströmt. Citymanagerin Gunhild Mimuß zum Beispiel. Sie ist sich sicher, dass die Fußgängerbrücke mehr Menschen in die Innenstadt lockt. „Die Händler und Gastronomen brauchen das“, sagt sie und spricht von mehr Touristen, von einer Stadt, die attraktiver wird – auch für junge Menschen. Für die Jugend und für die Händler argumentiert auch Jan Kubasch. Der Chef des Innenstadtvereins erinnert daran, dass auch die Friedensbrücke anfangs umstritten war, die heute wie selbstverständlich zum Stadtbild dazugehört. „Bautzen hat sich im Laufe der Zeit oft verändert. Wir brauchen die Brücke, um neue Wege einzuschlagen“, sagt er.

Praktische Erwägungen

Ganz praktisch blickt der Bautzener Theaterintendant Lutz Hillmann auf das Projekt. Er spricht von den vielen Tausend Besuchern des Burgtheaters, für die es keine Parkmöglichkeiten gibt. Seit Jahren diskutiere man darüber. Auch ein Aufzug von der Spree zur Burg sei bereits im Gespräch gewesen, dann allerdings verworfen worden. „Es muss eine Lösung geben und mir persönlich gefällt die Brücke“, erklärt er.

Beinah scheint es so, als würde der Dresdner Professor heute wieder nur auf Freunde des Projektes stoßen. Doch einige schütteln bereits heftig mit dem Kopf. Umso euphorischer Bäumler bei seiner Argumentation wird, umso kritischer schauen sie ihn an. Allen voran Robert Lorenz. Er hat eine Internetseite ins Leben gerufen, dort seine Kritikpunkte zusammengefasst. „Das kann ja wohl nicht wahr sein – das war mein erster Gedanke, als ich von den Plänen gehört habe“, sagt er. Für ihn muss sich das Areal um den Protschenberg nicht neu inszenieren. „Man steht dort an einer Schlucht, schaut hinüber auf die Burg, mehr Inszenierung geht nicht“, sagte der Wissenschaftler aus Wuischke. Es sei eine bewusste Entscheidung der Bürger gewesen, dass die Wiese vor der Kapelle über all die Jahre frei geblieben ist. Das sollte man respektieren.

Bedenken aus dem Publikum

Viele Bürger geben ihm Recht. Da ist zum Beispiel Kerstin Berger, die oft am Protschenberg spazieren geht und nicht will, dass die unberührte Natur zerstört wird. Ein Bautzener erinnert an die erhaltene Stadtmauer, die nicht kaputtgemacht werden darf, ein anderer bezweifelt, dass der Touristenparkplatz überhaupt erweitert werden muss. Eine Bautzenerin gibt zu Bedenken, dass die Touristen dann nicht mehr bis zu den Läden an der Steinstraße laufen, ein anderer erklärt, die Pläne seien geschichtsvergessen, da es noch nie einen Zugang zur Stadt über die Ortenburg gegeben habe.

Marcel Fischer gehört zu den jüngeren Bautzenern, die sich zu Wort melden. Er spricht von seiner Höhenangst und davon, dass sich vielleicht auch andere nicht über die Brücke trauen werden. Ein Argument, das Manuel Bäumler von seinem Stuhl aufspringen lässt. „Es führen doch viele Wege in die Stadt. Das ist nur eine Möglichkeit. Es ist nur ein Angebot. Man muss es ja nicht nutzen“, sagt er.

Stadt prüft noch Umsetzbarkeit

Und wie geht es jetzt weiter? Baubürgermeisterin Juliane Naumann hat die Diskussion im Brauhaus zurückhaltend beobachtet, sich immer wieder Notizen gemacht. Bisher hatte Bautzens Stadtspitze öffentliche Diskussionsrunden zu diesem Thema vermieden. Als zum Beispiel im vergangenen Jahr viele Bürger zur Stadtratssitzung kamen und sich den Vortrag des Professors anhörten, verhinderte Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) einen Meinungsaustausch. Dafür bliebe noch genug Zeit, erklärte er damals. Baubürgermeisterin Juliane Naumann begründet im Brauhaus noch einmal dieses Verhalten. „Ein Austausch ist noch nicht produktiv, da wir außer den wunderbaren Bildern gar nicht viel mehr wissen“, sagt sie.

Derzeit prüfe die Stadtverwaltung, ob so eine Brücke technisch überhaupt umsetzbar sei. Offen Fragen gebe es auch bei der Finanzierung. Erst, wenn es darauf Antworten gibt, sei eine politische Entscheidung möglich, argumentiert Naumann. So nüchtern das klingt, eines wird deutlich: Die Baubürgermeisterin ist von dem Projekt angetan. Gleich zu Beginn ihrer Rede schwärmt sie von der Bürgerwiese, von dem Ort, an dem sich die Menschen auf ein Picknick treffen, wo gegrillt werden darf, wo Leute ihre Frisbeescheibe mitbringen.

Nach zwei Stunden haben sich im Saal zwei Lager gebildet. Der Professor ist ein bisschen ruhiger geworden. Dass er an diesem Abend alle überzeugen kann, hat der Architekt und Stadtplaner nicht erwartet. Das sei nicht möglich und auch gar nicht wichtig, meint er. „Die Studie ist nicht das Ende, sondern der Anfang einer Diskussion“, erklärt Bäumler. Nur dürfe diese nicht gleich im Keim erstickt werden.