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Sportschützen setzen sich zur Wehr

Die Kamenzer Schützengesellschaft wirft dem Waffengesetzgeber „Aktionismus“ vor. Sie setzt auf Eigenverantwortung.

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Von Frank Oehl

Benedikt Krainz packt etwas Schweres aus der Tasche. Der Pressemann der Schützengesellschaft Kamenz holt aber keinen Pistolentransportbehälter hervor, sondern einen Quelle-Katalog von 1967. Er schlägt eine Doppelseite auf und sagt: „Bis 1972 konnte man Feuerwaffen und Munition für Freizeit und Sport bei Quelle, Otto oder Neckermann frei bestellen, wenn man 18 Jahre alt war. Von häufigen, gar schwerwiegenden Straftaten mit diesen Waffen ist nichts überliefert.“ Krainz ist davon überzeugt, dass hektisch verschärfte Waffengesetz z.B. nach Amok-Taten weder mehr Sicherheit für potenzielle Opfer, noch abschreckende Wirkung für mögliche Täter mit sich bringen. „Mit Gesetzen wird Kriminalität nicht verhindert“, sagt er und meint: Das Gewaltmonopol des Staates funktioniert dann, wenn er bestehende Regeln strikt durchsetzt. Erfurt, Winnenden und München seien möglich geworden, weil bestehende Gesetze grob missachtet wurden. Von den Tätern sowieso, aber leider und vor allem auch in deren Umfeld.

Das waren noch Zeiten: Bis Ende 1972 waren Feuerwaffen für Freizeit (Jagd) und Sport sogar über Kataloge frei verkäuflich. Dabei genügte der Nachweis, dass der Empfänger 18 Jahre und älter ist. Dem Quelle-Katalog von 1972 war der „wichtige Hinweis“ auf di
Das waren noch Zeiten: Bis Ende 1972 waren Feuerwaffen für Freizeit (Jagd) und Sport sogar über Kataloge frei verkäuflich. Dabei genügte der Nachweis, dass der Empfänger 18 Jahre und älter ist. Dem Quelle-Katalog von 1972 war der „wichtige Hinweis“ auf di © Repro: Verein

Hier genau sieht die Schützengesellschaft Kamenz eine wichtige Aufgabe. Vereinspräsident Dieter Raack: „Wir haben derzeit viel Zulauf, machen aber allen Interessenten schnell klar, dass wir kein Verein für Selbstverteidigung sind.“ Die etwa 70 Mitglieder der Schützengesellschaft kommen nicht nur aus Kamenz, sondern auch aus Dresden oder Südbrandenburg. Sie gehen einem Sport nach, der zuletzt für viel Furore im deutschen Haus in Rio gesorgt hat, wo man aus dem Medaillenfeiern gar nicht mehr herausgekommen ist. Das sieht man vor Ort mit Freude, aber auch mit Skepsis. „In den letzten Jahren wurde das Einstiegsalter für Sportschützen auf zwölf Jahre angehoben“, sagt Raack. „Wenn sich bei uns eine Mutter meldet, die ihren talentierten zehnjährigen Sohn zum Sportschießen anmelden will, muss ich sie um zwei Jahre Geduld bitten.“ Damit sei keinem geholfen. Weder dem Jungen, der womöglich noch eher auf Ballerspiele ausweicht, noch seinen Eltern, noch dem Sport. Krainz: „Die meisten Medaillengewinner von Rio hören auf. Es werden viel weniger Talente nachrücken, wenn die Nachwuchsgewinnung weiter durch willkürlich festgelegte Altersgrenzen erschwert wird. Das steht fest.“

Verein betreibt die Anlage seit 2012

Die Kamenzer Sportschützen hängen nicht nur ihr Hobby hoch, sondern vor allem auch den eigenverantwortlichen Umgang mit der Waffe. Der gelernt sein will. Raack: „Das erste, was wir Neulingen beibringen ist, dass eine Waffe niemals mit dem Finger am Abzug gehalten wird.“ Außer, wenn sie auf die Scheiben angelegt wird, versteht sich. Seit 2012 betreibt der Verein die eigene Schießanlage mit 25- und 50-Meter-Bahnen in Bernbruch. Derzeit werden dort auch die sächsischen Hilfspolizisten geschult, die selbstverständlich erst nach einer Komplettausbildung an der Waffe auf Streife geschickt werden. „Das Besondere an unserem Breitensport ist, dass der Heranwachsende im Training und im Wettkampf in einer Reihe auch mit dem ältesten Aktiven stehen kann.“ Das wäre in Kamenz Rudolf Zeiler (97!). Und dass dies am Schießstand – und nicht nur dort – mit Vorbildwirkung verbunden ist, versteht sich von selbst.

Schützenvereine haben auch in Sachen Waffenbesitzrecht eine große Verpflichtung. Der Vorstand prüft und bestätigt zunächst die mindestens zwölfmonatige Vereinszugehörigkeit eines Antragstellers und dessen regelmäßiges Training mit erlaubnispflichtigen Schusswaffen. Der Antrag geht dann mit dem Nachweis der Waffensachkunde an den Sächsischen Schützenbund. Sind alle gesetzlich geforderten Voraussetzungen erfüllt, erhält der Antragsteller vom Landesverband dann die Bescheinigung seines „Bedürfnisses“ für die beantragte Waffe. Danach wird das Ordnungsamt des Landkreises eingeschaltet, das die Zuverlässigkeit des Waffenbesitzers und dessen „persönliche Eignung“ auch mit Blick aufs Führungszeugnis, psychische Stabilität und Verfassungstreue prüft. Dann werden entweder eine gelbe oder grüne Waffenbesitzkarte ausgestellt – je nach der gewählten Kategorie. Sowohl der Verkauf, als maximal 14 Tage später auch der Erwerb einer registrierten Waffe muss dem kreislichen Ordnungsamt angezeigt werden, das damit seit 2012 auch das „nationale Waffenregister“ speist. Letzteres funktioniere noch nicht richtig, meint Krainz, der auch den „unklaren Datenzugriff“ auf dieses Register durchaus kritisch sieht. „Vor Ort ist das eindeutig geregelt.“

Es gibt immer wieder Kontrollen

Ein Waffenbesitzer ist kein Waffenträger. Letzterer bräuchte in Deutschland einen Waffenschein, der nur in ganz seltenen Fällen – in Bedrohungslagen – ausgestellt wird. Und die korrekte Waffenaufbewahrung, das bestätigen die Kamenzer Schützen, ist im Waffengesetz mit seinen 60 Paragrafen im Detail geregelt. „Wir müssen dem Ordnungsamt darüber Nachweise erbringen – mit Waffenschrank-Kaufbelegen und Fotos. Außerdem führt es Kontrollen durch.“ Für Raack und Krainz jedenfalls steht fest, dass von Schützenwaffen im Grunde keine Gefahr für die Gesellschaft ausgeht. Nur jedes fünfte Tötungsdelikt überhaupt habe mit Schusswaffen zu tun, fast alle von illegal beschafften. In Deutschland gebe es 5,8 Millionen registrierte Waffen. Die Dunkelziffer beim illegalen Besitz betrage ein Mehrfaches. Krainz: „Von überall her kommen Waffen ins Land.“ Das zu unterbinden, sei eine wichtigere Aufgabe der Politik, als den legalen Besitz ständig unter Generalverdacht zu stellen.