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Spektakel im finalen Lauf

Beim Steherpreis in Heidenau gibt es dramatische Szenen zu sehen. Der Sieg geht an einen Niederländer.

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© Daniel Förster

Von Daniel Förster

Heidenau. Das war etwas für die Zuschauer. „Daran werden sie sich bestimmt noch lange erinnern“, sagt der Heidenauer Schrittmacher Udo Becker nach einem verrückten Finale beim Frühjahrspreis der Steher in Heidenau. Was war passiert? Mit Lokalmatador Tom Hoffmann an zweiter Position unterwegs, streikte plötzlich die Maschine. Das Publikum auf der Radrennbahn tobte. „Alle sind richtig mitgegangen.“ Denn: Das heimische Gespann kämpfte gegen das vorzeitige Aus.

Während Hoffmann ohne Tempogeber und Windschatten unter Anfeuerungsrufen weiter im Oval kurbelte, schaffte es Becker, innerhalb der sechs Vergütungsrunden, in die Mitte zu rollen, dort zur Ersatzmaschine zu eilen, sie anzuwerfen, loszufahren, mit seinem Rennfahrer im Nacken die alte Position zu erreichen und sich bis zum Schluss im Geschehen der Runden-Hatz zu behaupten. So etwas hatten die Besucher wohl noch nie erlebt.

Immerhin: Für Tom Hoffmann, der im gelb-blauen Trikot des SSV Heidenau seine Runden drehte, war es das erste Steherrennen seiner Radsportkarriere. „Es lief supergut. Ich bin an meine Grenzen gekommen, aber nicht so, dass ich eingebrochen wäre“, erklärte er 22-Jährige. „Wir wurden in keinem Lauf überrundet und unterm Strich nicht einmal Letzter.“ Hoffmann, der vor zehn Jahren beim RSV Gröditz 1952 mit Radsport begann und nun in Heidenau als Übungsleiter für Grundlagentraining im Nachwuchsbereich der U 15, U 17 und U 19 fungiert, war kurzfristig als Steherfahrer eingesprungen und hatte eine Woche zuvor erstmals für das Rennen trainiert.

Das heimische Duo zeigte sich von Anfang an recht angriffslustig. „Wir sind in jedem Lauf vorn rausgefahren“, sagt Udo Becker, der mit Hoffmann mit einem vierten Platz im zweiten Lauf sein bestes Resultat erzielte. Angriffslustig waren aber auch die nationalen und internationalen Gegner. Die Zuschauer erlebten einen sehr actionreichen Radsportnachmittag. Etliche Überholmanöver und Zweikämpfe machten die Läufe spannend bis zuletzt. Zudem lagen die Fahrer dicht an dicht.

Den Sieg sicherte sich Steher-Vizeeuropameister Reinier Honig aus den Niederlanden hinter dem Heidenauer Schrittmacher René Kluge. Nach jeweils dem zweiten Platz in den ersten beiden Läufen über 15 km (60 Runden) und über 20 km (80 Runden) setzte sich das Gespann im Schlusslauf durch. Ganz spontan war die Distanz im Finale um fünf Kilometer auf 30 km (120 Runden) aufgestockt worden.

Honig, 34 Jahre alt, Ex-Straßenprofi und Berufspedaleur, rollte nach 35:25 Minuten über den Zielstrich – rund zwölf Meter vor dem stärksten Deutschen, Stefan Lange (29) aus Rostock. „Als ehemaliger Straßenfahrer kam mir die lange Distanz wirklich entgegen“, sagte der amtierende niederländische Meister, der neun Jahre bei verschiedenen Continental- und ProContinental-Teams im Sattel saß. Honig war mit seinem Landsmann Christian Kos (27) das erste Mal in die Elbestadt gereist. Die über 700 Kilometer lange Anfahrt aus der Nähe der niederländischen Hauptstadt Amsterdam hätten beide gern in Kauf genommen, sagte Honig. „Es hat mir gut gefallen. Das Publikum war begeistert. Es herrschte eine super Stimmung.“ Schon allein deshalb könnten sie sich vorstellen, mal wieder in Heidenau anzutreten.

Für den besten deutschen Fahrer Stefan Lange lief es beim deutschlandweit ersten Steherrennen der neuen Saison von Lauf zu Lauf besser. „So kurz nach dem Winter hinter einem Motor zu fahren, daran musste ich mich erst einmal wieder gewöhnen“, sagte der Steher-Neuling und BWL-Student. Er kurbelte im Windschatten des unverwüstlichen Peter Bäuerlein (Nürnberg), amtierender Deutscher Meister, mit dem er schon den Ostseepreis gewann. „Gegen Reinier Honig anzukämpfen, war nicht leicht“, gab Lange unumwunden zu. Bronze ging an den tschechischen Jura-Studenten Jakub Filip (25) aus Budweis, dem der sportliche Rennleiter Wilfried Kluge aus Heidenau das Tempo vorgab.

Etwas Wehmut kam zwischen den Läufen auf, als Frank Schneider – viele Jahre Stadionsprecher auf fast allen bekannten Radrennbahnen in Deutschland – adieu sagte und sich vom Heidenauer Publikum verabschiedete. Nach mehr als 30 Jahren im Radsport will der 39-Jährige, der in Forst (Lausitz) beheimatet ist, jetzt neue Wege gehen. Auch in Heidenau hatte er mit einer ganz eigenen Manier und unerwarteten Sprüchen die Radrennen moderiert und die Zuschauer auf den Stühlen mitgerissen. Sein allerletztes Rennen als Rennbahnsprecher wird er zu Pfingsten in Forst moderieren, dort wo er einst begonnen hatte.