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Sowjet-Unikat rollt wieder

Jahrelang stand ein Saporoshez- Cabrio im Museum. Jetzt hat Thomas Hertrampf es fahrbereit gemacht – und erregt Aufsehen.

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© Claudia Hübschmann

Von Christoph Scharf

Nossen. Die Rundungen! Die Chromleisten! Und erst die Lufteinlässe! Ein Saporoshez ist unverwechselbar. Das Exemplar von Thomas Hertrampf allerdings ganz besonders – es ist ein Cabrio, das es eigentlich gar nicht geben dürfte. „Den haben mein Vater und ich 1986 aus einem Unfall-Sapo aufgebaut“, sagt der Nossener. Das Schweißen der Karosserie, das Anfertigen neuer Leisten, die Konstruktion des Überrollbügels war dabei nur das eine. Genauso schwer waren die Berechnungen, die das Kraftfahrzeugtechnische Amt der DDR von den Nossenern forderte. „Wir mussten per Expertise nachweisen, dass das Auto ohne Dach genauso stabil ist“, sagt der Kfz-Meister.

Wie beim Lada: Der Tacho im Querformat reicht bis Tempo 140. Bequem schafft der Wagen 120.
Wie beim Lada: Der Tacho im Querformat reicht bis Tempo 140. Bequem schafft der Wagen 120. © Claudia Hübschmann
Kyrillisches Kürzel: Das SAS steht für den sowjetischen Hersteller Saporisky Awtomobilebudiwny Sawod.
Kyrillisches Kürzel: Das SAS steht für den sowjetischen Hersteller Saporisky Awtomobilebudiwny Sawod. © Claudia Hübschmann
Mäßige Kraft im Heck: Die 45-PS-Maschine verbirgt sich unter der Heckklappe, vorn dagegen ist der Kofferraum.
Mäßige Kraft im Heck: Die 45-PS-Maschine verbirgt sich unter der Heckklappe, vorn dagegen ist der Kofferraum. © Claudia Hübschmann

Also verpassten Vater und Sohn mit viel Mühe der einstigen Limousine eine Bodenverstärkung, die sich an beiden Türen ein ganzes Stück nach oben zieht. Nun muss man beim Einsteigen ähnlich wie beim Trabant-Kübel die Beine hochheben, bevor man auf dem schwarzen Kunstleder-Sitz Platz findet. Das hat eine ganze Weile lang niemand probiert: Der feuerwehrrote Saporoshez stand jahrelang mehr oder weniger beachtet im Automobil-Museum der Hertrampfs an der Waldheimer Straße. Doch nun hat es den Junior-Chef des 1919 gegründeten Familienbetriebs gejuckt: Mit viel Aufwand nahm er sich das Unikat vor, um es wieder fahrfertig zu machen.

Über 80 Fahrzeuge vom MZ-Oldtimer bis zum Cadillac aufgereiht

„Das Auto hatte die typischen Standschäden: hängende Bremsen, ein festsitzender Kupplungszylinder, poröse Gummis, eine schwergängige Hydraulik“, sagt der 43-Jährige. Doch gut 25 Jahre nach der Wende verfügt Thomas Hertrampf über ein Wundermittel: eine Bremsflüssigkeit mit Silikon. Die ist zwar etwas teurer, zieht dafür aber kein Wasser an. „So rosten die Bremszylinder auch dann nicht mehr von innen, wenn ein Auto lange steht.“ Und mit stehenden Autos kennt sich der Nossener aus.

Im Museum des Automobil-Familienbetriebes sind mehr als 80 Fahrzeuge vom MZ-Oldtimer bis zum Cadillac aufgereiht. Die sind zwar alle fahrfähig, können aber beim besten Willen nicht regelmäßig bewegt werden. Der rote Sapo dagegen hat nach langer Ruhezeit gleich wieder 300 Kilometer im Umland absolviert. „Ich musste doch den neuen Motor einfahren“, sagt Thomas Hertrampf.

Den hatte Lehrling Lukas Brohm unter Anleitung der Hertrampfs im Frühjahr komplett überholt und mit zahlreichen Neuteilen komplettiert. Von denen gibt es in der einstigen Saporoshez-Vertragswerkstatt noch genug. Und deshalb kommen immer wieder Liebhaber des Kultautos nach Nossen – etwa ein Ehepaar aus Freital, wo gleich beide Partner einen Wagen aus der ukrainischen Stadt Saporischschja am Dnepr fahren. „Am Sapo können alte DDR-Bürger wenigstens noch was selbst schrauben, das ist etwa bei Mercedes-Oldtimern schwierig“, sagt der Meister.

Westdeutsche dagegen fühlen sich beim Design oft an den NSU-Prinz erinnert, der tatsächlich viel Ähnlichkeit zum SU-Produkt hat. Sie dürften allerdings spätestens bei der Beschriftung am Armaturenbrett Schwierigkeiten bekommen, die kyrillisch „Benzin“ und „Maslo“ anzeigt. Letzteres steht dort übrigens nicht für Butter, sondern für die Öltemperatur: Auch so eine Unverwechselbarkeit des Saporoshez.

Das Nossener Auto-Museum ist zu den Öffnungszeiten des Autohauses Hertrampf zu besichtigen: Montag bis Freitag 7-18 Uhr, Sonnabend 9-12 Uhr, Waldheimer Str. 14.