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Sorgenkind Bahnhof

Reisende und Mieter bedauern die leer stehenden Flächen. Doch das ist momentan nicht das einzige Problem.

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© Norbert Millauer

Von Mareike Huisinga

Pirna. Stillstand herrscht nach wie vor im Bahnhof Pirna, wirtschaftlich gesehen. Die großen Gewerbeflächen im hinteren Bereich des Gebäudes stehen seit mindestens drei Jahren leer. Früher konnten die Reisenden hier in der Gaststätte ein Bierchen oder eine Tasse Kaffee bekommen. Daneben befand sich eine Diskothek. Heute sind die Türen verschlossen.

Das bedauern die Reisenden. Zwar hat es der Herr aus Pirna an diesem Donnerstagmorgen eilig, aber im Vorbeigehen sagt er: „Schade, dass die Räume nicht vermietet sind. Eine Nutzung würde den gesamten Bahnhof aufwerten.“

Zustimmung kommt prompt von Olav Marx, der in dem Bahnhof eine DB-Reiseagentur betreibt und sich mit seinem Laden eingemietet hat. „Hier ginge eindeutig mehr“, stellt der Unternehmer fest. Denn prinzipiell sei der Bahnhof eine Toplage. „Wir sind hier die Schnittstelle zur Sächsischen Schweiz“, betont er in diesem Zusammenhang und zieht Vergleiche. Bahnhöfe ähnlicher Kleinstädte, wie zum Beispiel in Eberswalde und in Bernau, seien wesentlich belebter. Marx schaut auf die verschlossenen Räume im Pirnaer Bahnhof und ärgert sich über die Leere. Er spricht von verschenktem Potenzial.

Toilette sonntags zu

„Die Vermarktungssituation ist nach wie vor unbefriedigend“, sagt Marx. Zwar sei vor fünf Jahren die Außenhülle saniert worden, aber für den Innenraum zeige die Deutsche Bahn kein Engagement. Marx schätzt, dass etwa ein Drittel der Gewerbefläche im Erdgeschoss des Gebäudes leer steht. Denn nicht nur über die geschlossenen Türen zur früheren Gaststätte ärgert er sich. Auch der langgestreckte Raum gegenüber seinem Reisecenter könne besser genutzt werden. Derzeit dient diese Fläche als Lagerraum der Bahnreinigung. Marx’ Forderung ist eindeutig: „Die Bahn als Eigentümer müsste ein schlüssiges Vermarktungskonzept entwickeln.“

Ähnlich sieht es Ines Harsdorf, die Filial-Leiterin des Zeitschriftenladens, der sich ebenfalls in dem Bahnhof befindet. „Ständig fragen die Kunden nach Kondomen, Zahnbürsten oder Kämmen“, berichtet sie und würde es folglich begrüßen, wenn eine Drogerie-Filiale in die leeren Räume des Bahnhofes einziehen würde. Ein Blumenladen hätte ebenfalls gute Chancen auf hohen Umsatz, schätzt sie ein.

Jedoch werden sie und ihre Mitarbeiter nicht nur nach Blumen und Drogerie-Artikeln gefragt. Denn Reisende, die sonntags in Pirna ein dringendes Bedürfnis haben, haben ein Problem. „Am Sonntag sind die öffentlichen Toiletten im Bahnhof geschlossen. Viele bitten, ob sie unsere sanitären Einrichtungen benutzen dürfen. Wir müssen sie aber auf die Toilette am Busbahnhof verweisen“, erklärt Harsdorf.

Schlüsselhoheit für die Bahnhofstoilette hat Olav Marx. Es sei mit dem Vermieter abgesprochen, dass Marx die Damen- und Herrentoilette während seiner Agentur-Öffnungszeiten aufschließt. Das ist wochentags von 6.30 bis 18 Uhr und sonnabends von 7.30 bis 14 Uhr.

Marx will sich jedoch nichts vorwerfen lassen und spielt den Ball an das Zeitschriftengeschäft zurück. „Wir haben den Mitarbeitern angeboten, dass sie sonntags den Toilettenschlüssel übernehmen, um aufzuschließen. Das wurde jedoch abgelehnt“, berichtet Marx. Allerdings weist er darauf hin, dass sich die Regelung nur auf die Wintermonate bezieht. Von April bis Oktober werden die Toiletten sonntags wieder geöffnet sein. Wie seine Agentur auch.

Das bestätigt die Bahn AG. „Wenn der Bahnhof personell durch die Reiseagentur nicht besetzt ist, ist somit auch die Toilette geschlossen“, informiert ein Mitarbeiter der DB-Pressestelle in Leipzig. Diese Maßnahme sei aufgrund von Vandalismusschäden in der Vergangenheit notwendig geworden.

Auch das Problem des Leerstands im Bahnhof ist bekannt. Der DB-Mitarbeiter spricht von rund 450 Quadratmetern, die im Erdgeschoss zur Vermietung stehen. Dass hier in den nächsten Monaten Leben einzieht, scheint eher nicht wahrscheinlich. „Das Vermietungspotenzial ist aufgrund der Lage des Bahnhofes, der Frequenzverteilung um den Bahnhof sowie des hohen Investitionsbedarfes sehr gering“, erläutert die DB-Pressestelle. Der Sprecher betont jedoch, dass bereits intensive Vermietungsaktivitäten stattgefunden hätten. Potenziale könnten sich aus der für 2017/2018 geplanten Schaffung eines Übergangs zum Busbahnhof ergeben,