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Sorgen mit den Gräbern

Eine Kirchgemeinde muss jetzt auf zwei Friedhöfen handeln. Der Grund liegt im Boden.

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© Sebatian Schultz

Von Uta Büttner

Zeithain. Kieselsteine und ein paar schöne Blumen: Das Grab sieht gepflegt aus. Doch auf den Kirchfriedhöfen in Zeithain und Jacobsthal sind Grababdeckungen mit Platten, Splitt oder Kieselsteinen nicht erlaubt. „Als zusätzlicher Grabschmuck dürfen nur verrottbare Materialien verwendet werden“, sagt Pfarrerin Grit Skriewe-Schellenberg. Grund dafür seien die in Zeithain und Jacobsthal vorherrschenden schweren Böden, in denen die Verwesung zu lang dauere. Auch Dr. Michael Albrecht bestätigt das: In Lehm- und Tonböden bliebe ein Leichnam viel länger erhalten als in Sand- und Kiesböden, so der selbstständige Gutachter aus Hannover. Albrecht ist auch Sachverständiger für die Bewertung von Friedhofsböden.

Damit wirke sich in Friedhöfen wie in Zeithain und Jacobsthal ein Problem besonders deutlich aus: Wer ein Grab mit Kieselsteinen gestalte, verlege meist auch Folie darunter. Die verhindere den Gasaustausch und damit auch, dass Sauerstoff eindringen kann. Sauerstoff sei aber für den Verwesungsprozess notwendig, so Albrecht.

In Jacobsthal musste deshalb die Ruhezeit von den in Sachsen üblichen 20 Jahren auf 25 erhöht werden. In Zeithain stand der Kirchfriedhof in den 90er-Jahren aufgrund hygienischer Schwierigkeiten sogar schon kurz vor der Schließung. Deshalb gelten für diese Friedhöfe besonders strenge Vorgaben. Wer damit nicht zurecht komme, dem empfiehlt die Pfarrerin den Friedhof in Röderau: Dort seien die Verwesungsprozesse wegen des höheren Sandanteils im Boden deutlich besser als in Zeithain. „Somit können wird dort bei der Grabgestaltung großzügiger sein“, so Grit Skriewe-Schellenberg.

Das Problem in Zeithain sei kein Einzelfall, sagt Holger Enke, der Friedhofsverwalter der Evangelischen Landeskirche Sachsen. „Etwa 30 bis 40 Prozent aller deutschen Friedhöfe haben Schätzungen zufolge Probleme mit Verwesungsprozessen.“ Eine genaue Zahl gebe es nicht, da das Ganze „ein Tabuthema ist.“ Niemand spreche gern darüber, wenn bei der Öffnung eines Grabes für eine Neubelegung eine unvollständig verweste Leiche gefunden wurde, sagt Holger Enke.

Wenn die Verwesung stoppt

Allerdings sei Sachsen im Gegensatz zum süddeutschen Raum weniger davon betroffen – aufgrund der zumeist guten sandhaltigen Böden. Diese seien ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Bei derartigen guten Böden rechne man mit etwa 20 Jahren für die Verwesung, sagt Sachverständiger Albrecht. „Normal sind 25 bis 30 Jahre.“ Bei Lehm- und Tonböden wie in Zeithain und Jacobsthal könne der Verwesungsprozess auch 40 bis 50 Jahre dauern.

Bei ganz schwierigen Bodenverhältnissen könne es gar zu einem Stillstand des Verwesungsprozesses kommen – mit Folgen für die Angehörigen: Aus diesen Gründen musste zuletzt sogar ein Friedhof in Radebeul für Erdbestattungen geschlossen werden, sagt Holger Enke. Das sei aber auch der einzige Fall in den vergangenen beiden Jahren – bei insgesamt 1 300 Friedhöfen der Landeskirche Sachsen.

Wie lange das Verwesen dauert, hänge auch von weiteren Faktoren ab: dem Sargmaterial, der Sargausstattung oder der Grababdeckung, erklärt Experte Michael Albrecht. Der Prozess sei eine „ziemlich sensible biologische Angelegenheit“. Das könnten Angehörige manchmal nicht verstehen – und hätten deshalb Probleme mit bestimmten Regeln bei der Grabgestaltung. So endete zum Beispiel ein Streit um eine Grabplatte in Thüringen vor Gericht, erzählt er.

Als die meisten Friedhöfe in Sachsen angelegt wurden, waren die Erkenntnisse zu Bodenverhältnissen noch nicht so detailliert wie heute, sagt Holger Enke von der Landeskirche. Aber der Boden verändere sich auch. So ließe die biologische Aktivität bei manchen Böden mit dem Alter nach. Dort sei es besonders wichtig, dass nur verrottbare Gegenstände auf das Grab kommen, um den Luft- und Wasseraustausch nicht einzuschränken.