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Sorge um Weltkulturerbe

Eine Anlieger-Straße in Hellerau wird für alle freigegeben. Nun fürchten die Anwohner um die Substanz ihrer denkmalgeschützten Häuser.

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© André Wirsig

Von Marcel Laskus

Die Hellerauer Idylle ist nur auf Sand gebaut, dessen ist sich André Schlechte bewusst. Schon 34 Jahre wohnt er hier, unter dem Schutz und der Bürde des Denkmals. Seit ein paar Wochen aber hat er das Gefühl, dass die fragile Schönheit der Siedlung aufs Spiel gesetzt wird. Der Grund: Am Grünen Zipfel, einer schmalen Straße im Herzen Helleraus darf seit Kurzem wieder jeder fahren, denn das „Anlieger frei“-Schild ist weg. Die Stadt hat es entfernt.

André Schlechte beklagt sich nicht über den Lärm oder Schmutz, der durch die vielen Autos verursacht wird, die jetzt durch die Straße fahren. „Mir geht es um den Bestand der sowieso schon gefährdeten Straßen und Häuser“, sagt der 57-Jährige. Mit seiner Frau wohnt er in einem der Reihenhäuser inmitten der historischen Gartenstadt, die vor über hundert Jahren nach englischem Vorbild erbaut wurde.

Seit Jahren bemüht sich Hellerau darum, als Weltkulturerbe anerkannt zu werden. Um diesen Titel zu erhalten, ist die Unversehrtheit der Jahrhundert-Häuser das zentrale Argument. Entsprechend müssen die Anwohner ihre Häuser denkmalgerecht pflegen. „Es ist nicht leicht, die Auflagen einzuhalten. Doch wir kamen ihnen immer nach“, sagt Schlechte und weist auf die hölzernen Fensterläden und die mit roten Schindeln geschmückten Dächer. Doch es gibt noch ein anderes Problem: André Schlechte weiß, dass der sandige Untergrund des Hellerbergs allem zu schaffen macht, was auf ihm steht: „Erst vor zwei Jahren brach hier der Fußweg ein.“ Risse an Fassaden und Gehwegen zeugen von der Instabilität. Warum die Anliegerstraße nun, nach 30 Jahren, wieder für Autos, Reisebusse und Laster freigegeben ist, versteht er nicht. „Wer solche Entscheidungen fällt, arbeitet gegen die Mühen, Hellerau zu erhalten.“ Wie konnte es dazu kommen?

Auf Nachfrage bestätigt die Stadt, dass die Straße Am Grünen Zipfel unbefristet für den Durchgangsverkehr freigegeben ist. Mit der Tempo-30-Zone, die auch weiterhin bestehe, sei der Verkehr bereits ausreichend beruhigt, so Sprecherin Nora Jantzen. Von größeren Schäden geht die Stadt nicht aus, weil der Verkehr seit der Freigabe nicht zugenommen habe. Offenbar weicht die Wahrnehmung der Anwohner und die der Stadt erheblich voneinander ab. Ob und wie sehr die neue Regelung Hellerau schadet, kann nur unabhängig und vor Ort überprüft werden.