SZ +
Merken

Sorge um Tante-Emma-Laden

Die Pläne zum Bau eines Netto-Marktes in Schlottwitz haben viele aufgeschreckt. Sie wollen ihn nicht.

Teilen
Folgen
NEU!
© Frank Baldauf

Von Maik Brückner

Schlottwitz. Seit Tagen gibt es im kleinen Einkaufsladen in Oberschlottwitz ein Thema, zu dem fast jeder eine klare Meinung hat: der Plan zum Bau eines Netto-Marktes in Mittelschlottwitz. „Ich möchte ihn nicht“, sagt Marlene Brand. Sie ist gerade auf dem Weg in das kleine Geschäft im Dorf. Die Auswahl ist hier nicht ganz so groß wie bei den Discountern in der Region. Dennoch ist sie mit dem Angebot sehr zufrieden.

Denn hier gibt es nicht nur Joghurt, Käse, Waschmittel, Obst und Gemüse. Hier werden auch Glückwunschkarten, Zeitschriften und Blumentöpfe verkauft. Der kleine Laden bietet noch mehr: „Ich kann hier Messer schleifen lassen, kopieren und Wäsche reinigen lassen“, sagt die Schlottwitzerin. Und diese Dienstleistungen hat sie auch schon in Anspruch genommen. Das Messerschleifen dauerte zwei Wochen, der Anzug ihres Mannes war schon nach einer Woche gereinigt. Außerdem ist in dem Laden noch eine Postfiliale untergebracht.

Das alles sehen sie in Gefahr, wenn die Dresdner Firma IVG Entwicklungs- und Bauträger GmbH ihre Pläne verwirklichen kann. Und die sehen vor, auf der Fläche der alten Düngerhalle einen Netto-Markt zu errichten. Sollte er wie geplant gebaut und eröffnet werden, dann bekommt nicht nur der Penny-Markt in Niederschlottwitz mächtige Konkurrenz, sondern eben auch der Einkaufsmarkt in Oberschlottwitz.

Laden hat sich auf ältere Leute eingestellt

Marlene Brand ist skeptisch, ob sich die beiden bestehenden Märkte behaupten können. Ähnlich sehen es andere Schlottwitzer, die an diesem Vormittag hier einkaufen, so wie der 52-jährige Rolf Kirmse, der fast täglich in den Laden geht. Zu Fuß. „Ich wohne gleich nebenan.“ Diese Nähe schätzt nicht nur er, sondern auch Erika Bobe. Den Markt kann die 80-Jährige bequem zu Fuß erreichen. In den talabwärts gelegenen Penny fährt sie hingegen mit dem Fahrrad. Zurück muss sie es schieben, weil Radfahrer den Fuß- und Radweg nur talabwärts benutzen dürfen. Zurück müsste sie auf der Straße fahren. Doch das ist ihr zu gefährlich. Deshalb schiebt sie ihr Rad und ist froh, dass es den Einkaufsmarkt in Oberschlottwitz gibt. Ähnlich geht es vielen im Wohngebiet. Denn hier wohnen vor allem Ältere. „Die meisten sind zur gleichen Zeit hierhergezogen und haben in Glashütte gearbeitet“, sagt sie. Gemeinsam sei man nun alt geworden. Und darauf hat sich der Einkaufsmarkt auch eingestellt.

Auf Wunsch bringen dessen Mitarbeiter auch Waren bis an die Tür. „Ich kenne eine Frau, die das sehr rege nutzt“, sagt Frau Bobe. Sie selbst muss diesen Service noch nicht nutzen, dafür einen anderen. „Wenn etwas nicht vorrätig ist, kann man es hier bestellen.“ Und das funktioniert, sagt sie. Das alles könnte vorbei sein, wenn der Netto-Markt gebaut wird. Das sieht auch der Inhaber des Marktes, Frank Schiebel, so. Der Dohnaer hat das Gebäude 1996 vom Konsum gekauft. Damals hatte er mehrere solcher Geschäfte, unter anderem in Fürstenwalde und in Liebenau. Aus wirtschaftlichen Gründen musste er sie alle schließen. Jetzt gibt es nur noch den Schlottwitzer Markt, der neben der Obstscheune Krietzschwitz bei Pirna sein zweites Standbein ist. Beide Geschäfte unterscheiden sich. Die Obstscheune an der B 172 lebt vom Elbsandsteingebirgs-Tourismus. „Dort habe ich 90 Prozent Laufkundschaft“, sagt Schiebel. In Schlottwitz hingegen hat er 90 Prozent Stammkundschaft.

Die Leute hier hängen an dem Geschäft. Das hat er einmal mehr in der jüngsten Sitzung des Technischen Ausschusses zu spüren bekommen. Vehement haben sich Bürger, aber auch der Ortschaftsrat Schlottwitz gegen den Netto-Markt ausgesprochen, weil sie die spätere Schließung des Einkaufsmarktes befürchten. Dieser Einsatz habe ihn beeindruckt. „Das fand ich sehr rührend“, sagt er. „Wo gibt es noch so eine Bindung zwischen einem Geschäft und seinen Kunden?“, fragt er. Möglicherweise rettet diese Verbundenheit seinen Laden. Schließlich haben es die Schlottwitzer in der Hand, wo sie ihre Euros lassen. Trotzdem macht sich Schiebel wenig Illusionen. „Wir leben in einer Marktwirtschaft, in der Konkurrenz erwünscht ist.“ Deshalb möchte er nicht ausschließen, dass er eines Tages auch sein Schlottwitzer Geschäft aufgeben muss.