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Sorge um Dresdens Garagenhöfe

Der Platz für neue Wohnungen wird rar. Deshalb will die Stadt nun Flächen nutzen, auf denen sonst Autos parken.

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© René Meinig

Von Annechristin Bonß

Für Ronald Birndt war es ein Schock, als er vor wenigen Monaten den Immobilienteil in der Zeitung durchblätterte. Dort bot die Stadt ein Grundstück an der Reisewitzer Straße/Anton-Weck-Straße zum Verkauf an. 800 Quadratmeter mitten im Wohngebiet für 113 600 Euro. Ein gutes Angebot für Investoren, die überall in der Stadt derzeit neue Wohnhäuser bauen.

Wären da nicht die 16 Garagen, auf die in der Anzeige hingewiesen wird. Eine davon gehört Ronald Birndt. Der 66-Jährige erinnert sich genau, wie er und seine Mitstreiter vom Garagenhof vor über 40 Jahren das Grundstück verändert haben. „Damals stand da eine Ruine aus dem Krieg“, sagt er. Die haben die Männer abgetragen und die Garagen gebaut. Mit der Stadt schlossen sie einen Pachtvertrag. Das Original auf vergilbtem Papier, mit Schreibmaschine getippt, hat der Rentner noch. 2 500 DDR-Mark habe damals jeder bezahlt – ein Vermögen für damalige Zeiten. Nun fürchten die Garagenbauer darum.

Denn das Liegenschaftsamt hat die Bewerbung der Garageneigentümer zum Kauf des Grundstückes abgelehnt. In der Ausschreibung habe die Stadt darauf hingewiesen, dass auf dem Grundstück ein Wohnhaus errichtet werden soll. Weil die Garagenbesitzer dies nicht vorhaben, können sie die Fläche auch nicht kaufen. „Geplant ist der Verkauf an eine Baugemeinschaft nach Ausschreibung“, teilt Stadtsprecher Karl Schuricht mit.

Es ist nicht der einzige Garagenkomplex, den es wohl langfristig nicht mehr geben soll. Für das Grundstück gegenüber der Braunsdorfer Straße 30 gibt es ebenfalls Neubau-Pläne. Die Stadt sucht derzeit einen Investor, der dort Wohnungen für sozial schwache Familien bauen soll. Die Garagen müssen dann weichen. Gleiches Schicksal droht wohl den drei Grundstücken an der Sachsdorfer Straße 12 in Cotta, sowie der Weesensteiner/Aussiger Straße und der Weesensteiner Straße 9 in Seidnitz. Dort hat die Stadt zwar ohne eine Vorschrift zur künftigen Nutzung verkauft. Die neuen Besitzer der Flächen wollen dennoch neu bauen. Die Garagen müssen dann auch weichen. Für zwei der Grundstücke liegen bereits Bauanträge vor. Ob sich dort ebenfalls die Garagenbesitzer um den Kauf bemüht haben, bleibt unklar.

Insgesamt gibt es 101 Flächen in der Stadt, auf denen eine oder mehrere Garagen stehen. Wie viele davon derzeit verkauft werden sollen oder bereits für Neubauten vorgesehen sind, lässt die Stadt auf mehrmalige Anfrage offen. Dass diese Grundstücke aber von hohem Interesse für die Verwaltung sind, ist kein Geheimnis. „Grundsätzlich handelt es sich dabei um städtebauliches Bebauungspotenzial und Potenzial für Veräußerungen“, teilt Karl Schuricht mit.

Ronald Birndt ärgert sich über das Vorgehen der Stadt. Nicht nur, dass die Mitglieder über all die Jahre viel Arbeit und Zeit investiert haben. Gerade erst haben sie das Dach erneuern lassen. Nach dem Kauf wollten sie zwei behindertengerechte Parkplätze anlegen lassen, einen neuen Zaun bauen und Platz für eine Car-Sharing-Station und Leihfahrräder einrichten. „Das haben wir der Stadt auch vorgeschlagen“, sagt Ronald Birndt. Doch die Verwaltung zieht den Wohnungsbau vor. „Was aus uns und den Garagen wird, interessiert dort niemanden“, sagt er. Hoffnung hat er kaum noch. Denn Investoren sind nicht verpflichtet, einen Ersatz für die Garagen zu schaffen.

Zuletzt hatte Birndt auf Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) vertraut. Der versprach in seiner Bürgersprechstunde, sich um das Anliegen zu kümmern. „Gehört habe ich nichts von ihm“, sagt der Senior. Deshalb wird er selbst aktiv. Mit anderen Betroffenen will er eine Initiative gründen und für den Erhalt der Garagenhöfe kämpfen. Im November soll das Thema erneut im Stadtrat diskutiert werden. Dann wollen die Garagenbesitzer vor Ort sein.