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Sorbische Stiftung im Krisenmodus

Auch nach einer zweiten Ausschreibung hat sich kein neuer Direktor gefunden. Eine Sondersitzung am 17. Dezember soll die Weichen für 2016 stellen.

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© Uwe Soeder

Von Miriam Schönbach

Bautzen. Die Absage traf die Ratsmitglieder der Stiftung für das sorbische Volk wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Eine Woche vor ihrer regulären Herbstsitzung am Dienstag zogen die aussichtsreichsten Kandidaten für die Stelle des Stiftungsdirektors ihre Bewerbung wieder zurück. Damit steht das Gremium bereits zum zweiten Mal mit leeren Händen da. Auch in der ersten Ausschreibungsrunde bekam der Interessent kalte Füße vor der finalen Unterschrift unter dem neuen Arbeitsvertrag.

Im Stiftungsrat regiert nun Ratlosigkeit. „Wir haben aktiv Leute angesprochen. Vier Bewerber waren im Assessment-Center. Wir haben ihnen die Aufgaben sowie die Herausforderungen der Tätigkeit vorgestellt“, sagt Stiftungsratsvorsitzender Jan Budar bestürzt. Der Medientechniker steht dem höchsten Organ der Stiftung mit 15 Mitgliedern seit einem halben Jahr vor. Sie entscheiden unter anderem über die Finanzplanung, Förderrichtlinien und die Förderung größerer Projekte.

Mit der Absage der zwei Kandidaten befindet sich die Stiftung im Krisenmodus. Fest steht, dass der langjährige Stiftungsdirektor Marko Suchy zum Ende des Jahres seinen Arbeitsplatz in Bautzen verlässt. Er stand der Verwaltung seit 23 Jahren vor. Seine Aufgabe wird vorläufig die stellvertretende Direktorin Sabine Sieg übernehmen. Sie ist zuständig für die Stiftungsaußenstelle Cottbus. Auf einer Sondersitzung am 17. Dezember will der Stiftungsrat die Formalitäten für die Interimslösung klären. „Vielleicht können wir bis dahin auch die kalten Füße ein bisschen wärmen. Ich sehe derzeit nicht, was eine dritte Ausschreibungsrunde bringen soll“, sagt Jan Budar. Sein neues Ziel für die Besetzung der Direktorenstelle ist nun der 1. Januar 2017. Auf keinen Fall will sich der Stiftungsrat von der sorbischen Sprache als Auswahlkriterium für den neuen Stiftungsdirektor trennen. „Wir würden mehr Bewerber finden. Aber in diesem Amt muss man Sorbisch sprechen“, sagt der Stiftungsratsvorsitzende. Der Stiftungsdirektor arbeitet dem ehrenamtlich tätigen Gremium die Vorlagen für Beschlüsse zu, führt die Geschäfte und verwaltet mit seinen Mitarbeitern ab kommendem Jahr einen Haushalt von 18,6 Millionen Euro für die Förderung von Sprache und Kultur. Anfang Oktober hatte der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages den Weg für das neue Finanzierungsabkommen freigemacht. Die Stiftung für das sorbische Volk ist die wichtigste Finanzierungsquelle für die sorbischen Institutionen.

Haustarifvertrag läuft aus

Neben dem Bund mit 9,3 Millionen Euro geben das Land Sachsen 6,2 Millionen Euro sowie Brandenburg 3,1 Millionen Euro in den Stiftungshaushalt. „Aufgrund der Tarifsteigerungen können wir trotz des neuen Finanzierungsabkommens keine großen Sprünge nach vorn machen. Das Geld fließt in bestehende Projekte“, sagt Jan Budar. Zudem läuft im Sorbischen National-Ensemble im Juli 2016 der Haustarifvertrag aus. Dann bekommen die Mitarbeiter des Hauses wieder ihr volles Gehalt samt aller Tarifsteigerungen aus den Jahren 2014 bis 2016. Im April 2014 hatten sich Gewerkschaften und die Leitung des SNE auf den Gehaltsverzicht zugunsten der Jobsicherheit geeinigt.

Doch das ist nur eine der Baustellen. Gleichzeitig sucht das Ensemble nach einer neuen Ausrichtung. „Wir sind über die Konzepte mit der Leitung im Gespräch. Sie müssen zum finanziellen Rahmen passen“, sagt Jan Budar. Das SNE erhält derzeit jährlich 4,5 Millionen Euro. Das entspricht einem Drittel des Stiftungsetats. Auch im Sorbischen Institut wird es zu Beginn des Jahres Veränderungen geben. Dort wird dann ebenfalls ein neuer Direktor gesucht.

Digitales Lehrbuch geplant

Gleichzeitig muss die Arbeit der Stiftung weitergehen. Ein Schwerpunkt ist im kommenden Jahr die Förderung der sorbischen Sprache in digitalen Medien. Dafür stehen zusätzliche Bundesmittel in Höhe von rund 750 000 Euro zur Verfügung. Weit vorangeschritten ist bereits der sorbische Online-Sprachkurs. Er soll voraussichtlich in einem Jahr den Nutzern zur Verfügung stehen. Darüber hinaus soll ein digitales Sorbisch-Lehrbuch entstehen. Auch ein Rechtschreibprogramm für Microsoft-Office-Produkte soll auf den Weg gebracht werden. Zuletzt soll auch Sorbisch in die sozialen Netzwerke und mobilen Endgeräte einziehen. „Bis zur Frühjahrssitzung wollen wir diese Vorhaben ordnen. Durch die zusätzlichen Mittel haben wir nochmals andere Spielräume“, sagt Jan Budar.