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Sommertheater zurück in Görlitz?

Zwei ehemalige Mitstreiter wollen die Historienspiele in Görlitz wieder aufleben lassen. Nur, wer soll das bezahlen?

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© Archiv/Rolf Ullmann

Von Susanne Sodan

Sie proben den Aufstand, verstricken sich in Liebesabenteuer, verbünden sich zur Verschwörung. Schauspieler aus Görlitz und ganz Europa, über 200 Statisten katapultieren Görlitz mit einer Geschichte aus den Tiefen des Ratsarchivs zurück ins Mittelalter. Die Lausitzer Philharmonie sorgt für den Ton dazu, das Volk spielt das Volk. Und Tausende Zuschauer sitzen auf den Rängen. Dieses Bild wollen Matthias Lietzmann und Uwe Gebauer zurück. Sie wollen die Görlitzer Historienspiele wiederbeleben.

Herrmann Rueth war für sechs Jahre der Autor, Regisseur und Bühnenbildner in einer Person für die Historienspiele. Er würde auch bei der Neuauflage wieder mitmischen.
Herrmann Rueth war für sechs Jahre der Autor, Regisseur und Bühnenbildner in einer Person für die Historienspiele. Er würde auch bei der Neuauflage wieder mitmischen. © Ines Eifler

„So etwas macht man nicht kaputt. So etwas macht man weiter“, sagt Matthias Lietzmann. Er war Vorsitzender des Fördervereins Görlitzer Historienspiele. Als Teil der Organisation kümmerte sich der Verein vor allem um die vielen Laiendarsteller und Statisten. Ganz eingeschlafen war der Kontakt zwischen den Mitgliedern nie. Sie wollen eine Neuauflage wagen, mit Lietzmann und Gebauer als Zugpferd. Ein Dritter soll schon bekundet haben, dass auch er für eine Wiederbelebung mit im Boot wäre: Herrmann Rueth. Sechs Jahre lang hatte er sich die Stücke für die Historienspiele einfallen lassen. Oder besser: Er hatte sie aus dem Ratsarchiv ausgekramt, Regie geführt, das Bühnenbild entworfen.

Dass sich noch mehr Geschichten aus dem Görlitzer Mittelalter finden lassen, davon ist Matthias Lietzmann überzeugt. „Wir haben hier das umfangreichste Ratsarchiv im deutschsprachigen Raum“, erklärt er. Ein Sommerhöhepunkt neben dem ViaThea und dem Altstadtfest sollen die neuen Historienspiele werden, ein Touristenmagnet. Die Grundlagen seien da. Neben den historischen Geschichten existieren in Görlitz auch die alten Schauplätze noch im Original. Und dass sich die Görlitzer für Schauspiel begeistern lassen, auch selber gerne vor der Kamera oder auf der Bühne stehen, haben die Statisten-Castings für die Filmdrehs der vergangenen Jahre bewiesen.

Erste Gespräche um die Wiederbelebung der Historienspiele haben bereits stattgefunden. In der vergangenen Woche saßen Lietzmann und Gebauer sowohl mit dem Görlitzer OB Siegfried Deinege als auch mit Landrat Bernd Lange zusammen. Positiv seien die Signale in diesen Gesprächen gewesen, erzählt Lietzmann. Der Tenor: Man wolle die Wiederaufnahme des Theaterprojektes „befördernd begleiten“.

„Das Risiko wäre zu groß“

Eine Frage, die noch zu klären wäre: Wer wird sich auch finanziell vor den Karren spannen? Das Vorhaben bräuchte wieder einen Veranstalter, einen Träger. Das Theater? Immerhin war das Görlitzer Haus auch damals Träger der Historienspiele. „Das ist ein Schuh, der uns zu groß geworden ist“, sagt Caspar Sawade, Geschäftsführer des Gerhart-Hauptmann-Theaters. Sollten die Historienspiele in der gleichen Form wie in der Vergangenheit stattfinden – also in der gleichen Größe, am gleichen Standort, mit den gleichen Kosten – sei eine Finanzierung durch das Theater ausgeschlossen. „So schön der Untermarkt als Spielstätte ist, er verursacht unheimliche Kosten“, erklärt Caspar Sawade.

Weil die Infrastruktur für Sommertheater im XXL-Format nicht vorhanden ist. Bühne, Zuschauerränge, Licht, Kabel, Toiletten – das alles muss erst hingeschafft, aufgebaut und dann über die Spielzeit hinweg vielleicht noch bewacht werden. Dazu kommt: Woher die Mitarbeiter und Schauspieler nehmen, wenn das Gesamtbudget des Theaters sinkt? „Eine Kopie dessen, was damals war, geht heute nicht mehr. Das Risiko wäre zu groß“, so Sawade.

Finanzielle Einbußen waren auch damals schon der Grund, warum die Historienspiele durch kleinere Sommerveranstaltungen ersetzt wurden. Der Theater-Geschäftsführer hat die Zahlen vor sich. Zwar besuchten 17 000 bis 19 000 Zuschauer in zwei Jahren – jedes Stück wurde immer über zwei Spielzeiten hinweg aufgeführt – die Historienspiele. Dennoch kam das Theater auf ein jährliches Maximaldefizit von knapp 188 000 Euro. „Das war in den beiden Jahren, als ’Jakob-Böhme und die Pest zu Görlitz‘ aufgeführt wurde“, erzählt Sawade. Ein Scheitern könnte das Theater nicht verkraften. „Wir könnten den Verlust nicht auffangen. Jetzt ist nicht die Zeit, Risiken einzugehen.“

Genau diesen Punkt will Matthias Lietzmann nicht gelten lassen. „Wir waren keine Kostenbringer, sondern Gewinnbringer“, hält er dagegen. „Ich weiß noch, dass wir im Jahr 2003 im Vorverkauf ausverkauft waren.“ Er sieht die Historienspiele vielmehr als positiven Wirtschaftsfaktor – für die Gastronomen, für die Stadtführer, für die Händler. „Der Kultur-Tourismus ist eine große Chance für Görlitz. Wir hätten mit den Historienspielen ein Alleinstellungsmerkmal mehr.“ Allerdings hatten sich damals auch einige Gastronomen gegen die Historienspiele gestellt. Durch die großen Aufbauten, die regelmäßigen Spielzeiten sollen sie sich in ihrer Freiheit gestört und Mindereinnahmen beklagt haben. Ein Punkt, den Lietzmann nicht nachvollziehen kann. „Weltweit sind solche Veranstaltungen Bringer.“

„Ein Konzept liegt bislang nicht vor“

Die Frage bleibt: Wer soll der Träger für die neuen Historienspiele werden? Der Landkreis wird es ebenfalls nicht sein, teilt Gerlind Walter, Sprecherin des Landratsamtes, mit. „Der Landkreis wird die Veranstalter im Rahmen seiner, jedoch beschränkten Möglichkeiten, unterstützen“, erklärt sie auf SZ-Nachfrage. Zu genau diesen Veranstaltern werde der Landkreis aber nicht gehören.

Die Stadt Görlitz hält sich noch zurück. Sprecherin Anett Böttger bestätigt, dass ein Gespräch zwischen Lietzmann, Gebauer und OB Deinege stattgefunden hat. „Sie stellten ihm ihre Idee vor, die Historienspiele wieder aufleben zu lassen. Ein Konzept liegt bislang nicht vor“, teilt Annett Böttger mit. Ob die Stadtverwaltung das Anliegen unterstützt, hänge noch von vielen praktischen Fragen ab, die es zu prüfen gilt. Zum Beispiel sei eine Bewertung der bisherigen Historienspiele nötig, Gespräche mit Landkreis, Theater, Stadträten, Anliegern und Initiatoren.

Matthias Lietzmann hofft, dass das bald geschieht. Ihm wäre es am liebsten, wenn noch vor der Weihnachtszeit geklärt werden könnte, ob die Historienspiele eine zweite Chance bekommen.