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Sohlands neue Schanzen

An acht Hängen in der Oberlausitz standen einst Sprungschanzen. Jetzt entstehen im Bautzener Süden drei neue.

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© Wolfgang Wittchen

Von Tilo Berger

Skispringen! Wer redet denn mitten im Sommer vom Skispringen? Nun, alle, die wissen, dass das keine reine Wintersportart mehr ist. Günther Rößler zum Beispiel. Der 56-Jährige steht am Fuße des Tännichtberges bei Sohland und erzählt von den Matten, die bald am Hang des Berges liegen sollen. Dort, wo nächstes Jahr Skispringer landen. Dort, wo derzeit Bagger in die Erde beißen. Günther Rößler muss laut reden. Genau vor ihm dreht sich ein Vierachser mit dem Hintern zum Berg. Dröhnend erklimmt der Lkw im Rückwärtsgang den Hang und stoppt auf halber Höhe neben einem Bagger. Der hebt einen Berg Erde auf die Ladefläche, die sich kurz darauf am Fuße des Berges wieder leert. Das geht so im Fünf-Minuten-Takt.

Die Nordisch Kombinierte Jenny Nowak bei einem Wettkampfsprung auf der Tännichtschanze.
Die Nordisch Kombinierte Jenny Nowak bei einem Wettkampfsprung auf der Tännichtschanze. © Wolfgang Wittchen
Großes Vorbild: Der Auslauf der 30-Meter-Schanze in Sohland soll sich am Bergisel orientieren.
Großes Vorbild: Der Auslauf der 30-Meter-Schanze in Sohland soll sich am Bergisel orientieren. © dpa

Es sind gewaltige Erdmassen, die da gegenwärtig am Tännichtberg bei Sohland südlich von Bautzen den Platz wechseln. Und nicht nur Erde zieht um, sondern auch Granit. Unter der Grasnarbe schlummerte ein großer Block des Gesteins. Den zerlegen Bauarbeiter mit schwerer Technik in lauter kleinere Brocken. Bliebe er da, könnte hier nicht das Neue entstehen, für das die Bauarbeiter am Tännichtberg ackern.

Das Neue ist eine Sprungschanze, besser gesagt: drei. Denn eine gab es hier schon. 1969/70 wurde der obere Teil des Hanges so modelliert, dass darauf Skispringer Tempo aufnehmen und auf einem Schanzentisch abspringen konnten. Auf dem unteren Teil des Hanges landeten die Springer bei Weiten bis 30 Meter. Doch ein paar Tausend Sprünge in viereinhalb Jahrzehnten hinterließen ihre Spuren, die Schanze war sanierungsbedürftig. Außerdem entsprach ihr Profil zuletzt nicht mehr den Richtlinien des internationalen Ski-Verbandes FIS.

Firmen und Gemeinde helfen mit

Während die Brummis den Hang hinauf und hinab eilen, blättert Günther Rößler in einem Ordner mit den Bau-Unterlagen. Seit 2003 steht er an der Spitze des Vereins, in dem fast 170 Frauen, Männer und Kinder regelmäßig Sport treiben. Volleyball, Nordic Walking, Crosslauf und viel mehr als das, was der Vereinsname vermuten lässt. Aber im Winter geht es natürlich vor allem rund um den Tännichtberg zur Sache, auf den Loipen und eben auf der Schanze.

„Wir hatten Fördermittel für die Instandsetzung der Schanze bewilligt bekommen“, berichtet Günther Rößler. „Aber dann haben wir gesagt, lasst uns doch von dem Geld die Schanze richtig erneuern.“ Die Sparkassenstiftung kam mit ins Boot, und im Gemeinderat fand der Vereinsvorsitzende sofort offene Ohren. Bürgermeister Matthias Pilz (CDU) erinnert sich an eine Beratung vom Mai 2014. Damals beschloss das Ortsparlament, dem Skiclub für sein Vorhaben mit 25 300 Euro Zuschuss unter die Arme zu greifen. „Ich freue mich, dass der Umbau jetzt in Gänze durch das Engagement des Vereines begonnen hat, dass sich viele Unternehmen der Umgebung einbringen und so das Tännichtskizentrum als Anziehungspunkt weiter aktiviert wird“, sagt Pilz, der die Geschicke der Gemeinde seit 2001 leitet und jetzt in Rente geht.

Im Mai kommenden Jahres will der Skiclub Sohland das umgebaute Areal einweihen. Dann soll es am Tännichtberg drei Anlaufspuren, drei Schanzentische und drei Aufsprunghänge geben. Und eine elektronische Anzeigetafel. Die Matten sollen auch im Winter liegenbleiben, und wenn Schnee fällt, hindert den ein spezielles Haltesystem am Abrutschen. Die große Schanze ermöglicht Weiten um die 30 Meter, die mittlere um zwölf, die kleine sechs bis sieben Meter. Die beiden kleinen Schanzen würde es ohne das Sponsoring regionaler Firmen nicht geben, denn die geplante Investitionssumme von 87 000 Euro geht für den größten der drei Bakken drauf. Dessen künftiges Profil orientiert sich übrigens an einem berühmten Vorbild: Der Auslauf wird wie am Bergisel im österreichischen Innsbruck leicht ansteigen. Die Vorlage für das Profil der mittleren Schanze stellte der norwegische Skiverband in Oslo den Oberlausitzern zur Verfügung.

Gerade so kleine Schanzen sind wichtig, bestätigt Ronny Kaiser, Generalsekretär des Skiverbandes Sachsen: „Der Skiclub Sohland ist Talentstützpunkt des Skiverbandes und leistet eine hervorragende Nachwuchsarbeit. Dazu sind gute Voraussetzungen unabdingbar.“ Kaiser freut es, dass die Anlagen in Sohland auch im Sommer nutzbar bleiben – weil „wir damit rechnen müssen, dass bei zunehmend milderen Wintern weniger auf Schnee gesprungen wird. Dies ist für uns nicht neu. Wir haben schon einige Talentstützpunkte mit Schanzenanlagen, die ganzjährig als Mattenanlage genutzt werden.“

Henry Glaß auf Weitenjagd

Außer bald in Sohland (Spree) kann in der Oberlausitz nur noch in zwei Orten skigesprungen werden: in Spitzkunnersdorf und am Kottmar.

Eine Schanze in Oybin steht zwar noch, hat aber schon seit Jahren keinen Springer mehr gesehen und verfällt. Schanzen gab es auch mal in Löbau, Schirgiswalde, Waltersdorf und sogar in Sagar an der Neiße. Aber sie sind schon längst abgerissen. In Waltersdorf am Lauschehang wurde bis Ende der 60er Jahre gesprungen. Dann kamen weniger aktive Wintersportler in die Region, was auch damit zu tun hatte, dass die DDR-Führung den alpinen Skisport aufgegeben hatte. Gerade diese Sportart aber hatte auch Skispringer und Langläufer ins Zittauer Gebirge gelockt. 1972 war der Aufwand für die Instandhaltung der Waltersdorfer Schanze nicht mehr zu rechtfertigen, sie wurde abgerissen. Das geschah in Sagar erst in den 90er Jahren. Den Schanzenrekord hielt dort mit 30 Metern lange Henry Glaß, der später bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck – am Bergisel – die Bronzemedaille gewann.

So namhafte Springer gingen in Sohland noch nicht über den Schanzentisch, aber das ist dem örtlichen Skiverein auch nicht das wichtigste. Sondern das regelmäßige Sporttreiben für jedermann und eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung für Kinder und Jugendliche. Wenn daraus dann Talente erwachsen, wie die elfjährige Jenny Nowak, die als Nordisch Kombinierte jetzt in ein Leistungszentrum in Klingenthal wechselt – umso besser.

Das dient auch dem Ruf der Region, findet Christoph Pilz von der Marketing-Gesellschaft Oberlausitz-Niederschlesien mbH (MGO). „Aus touristischer Sicht begrüßen wir es, dass in unserer Region Maßnahmen wie der Schanzenbau in Sohland realisiert werden“, spricht auch Pilz mitten im Sommer vom Skispringen. Solche Sportstätten seien für die Einheimischen wichtig, und sie lockten stets auch Besucher von außerhalb an, argumentiert der Marketing-Mann. Stimmt. Unter den Gästen beim 40. Internationalen Mattenspringen im Mai am Kottmar waren auch Sven Hannawald, der 2002 als bisher einziger Springer alle vier Wettbewerbe der Vierschanzentournee gewonnen hatte, und Marinus Kraus, 2014 in Sotschi Olympiasieger mit der deutschen Mannschaft.