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So viel Trinkgeld gibt’s im Landkreis

Gastronomen verraten, welche Beträge sie bekommen, was sie für angemessen halten und welche Touristen spendabel sind.

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© dpa-tmn

Von Franz Werfel

Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Was für ein grandioser Abend. Das Essen war ein Gedicht, die Getränke anregend und auch das Dessert famos. Nun bleibt nur noch eins: bezahlen. Allerdings ist das manchmal gar nicht so leicht, vor allem mit Blick aufs Trinkgeld. Denn während der Preis für Speis und Trank schwarz auf weiß feststeht, gibt es beim freiwilligen Obolus einen Spielraum. Laut Knigge sollten es in Restaurants und Cafés fünf bis zehn Prozent sein. Das ist aber keine Pflicht und teils durchaus umstritten. So erregte der frühere Fernsehmoderator Peter Escher auf Facebook die Gemüter, als er davon berichtete, wie ein Bekannter von ihm in einer Leipziger Pizzeria zwar die Rechnung in Höhe von 125 Euro für den gesamten Freundeskreis übernommen hat, aber der Kellnerin lediglich fünf Euro Trinkgeld gab. Daraufhin fragte diese, ob es einen Grund für den niedrigen Betrag gebe. Escher: „Klar, ich finde fünf Euro im Nachhinein auch zu wenig. Aber darf eine Kellnerin so etwas am Tisch sagen?“ Es ist ein umstrittenes Thema: Welches Trinkgeld ist angemessen, dürfen Beschäftigte in Küche und Gaststube einen Tipp erwarten – und wie sollten sie damit umgehen, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt werden?

Eine wichtige Voraussetzung für gutes Trinkgeld sei gute Leistung, sagt Christian Lohmann. Er ist der Generalmanager für die Toskana-World-Hotels und somit auch verantwortlich für die Elbresidenz in Bad Schandau, das einzige Fünf-Sterne-Haus in der Region. „Trinkgeld ist eben kein Teil des Gehalts, sondern ein Zusatz“, sagt Lohmann. Man könne einem Gast keine Vorschriften zum Trinkgeld machen und dürfe ihn keinesfalls danach fragen, warum er wenig Trinkgeld gegeben habe. Lohmann hat beobachtet, dass Gäste zwar anspruchsvoller werden, Leistungen in Hotel und Restaurant aber zunehmend zurückhaltend belohnen. „Als Faustregel gelten immer noch die fünf bis zehn Prozent der Gesamtrechnung“, sagt Lohmann. Aber: „Bei großen Familien- oder Firmenfeiern, die mehrere Tausend Euro kosten, müssen es nicht zehn Prozent on top sein.“

Ähnlich sieht das Thomas Pfenniger, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in der Sächsischen Schweiz. „Wenn das Essen richtig gut geschmeckt hat und der Service super war, gebe ich gern auch mal mehr Trinkgeld als zehn Prozent“, sagt er. Kellner und Köche bekommen das Trinkgeld steuerfrei zusätzlich zum Gehalt. Vor 16 Jahren hat der Dehoga-Bundesverband erwirkt, dass die mögliche steuerfreie Summe nach oben nicht gedeckelt ist. Das mache wegen der oft niedrigen Löhne in der Branche bei vielen Beschäftigten viel aus. „Lokale in der Sächsischen Schweiz setzen immer mehr auf regionale Zutaten“, sagt Pfenniger. Weil die im Einkauf teurer seien als weniger hochwertige Produkte, die Differenz aber meist nicht in Gänze auf die Gäste umgelegt werden könne, sei die Gewinnmarge des Gastronomen dann geringer.

Dankeschön für Zimmermädchen



In manchen sehr touristischen Lokalen in Dresden, schätzt der Freitaler Hotelier Frank Gliemann, entspricht das Trinkgeld nahezu 100 Prozent des Netto-Lohnes. „Dafür schuften die armen Kellner aber oft auch unter fragwürdigen Bedingungen“, sagt er. In Freital und im Landkreis könne das Trinkgeld etwa zehn bis 20 Prozent des Nettolohnes einer Servicekraft ausmachen, schätzt Gliemann. In seinem Freitaler Hotel und Gasthaus „Zur Linde“ geben die Gäste im Schnitt zwischen fünf und acht Prozent, sagt er. „Lässt ein Gast seine Restaurantrechnung auf die Hotelrechnung setzen, gibt es leider fast nie Trinkgeld. Wenn er seinen Aufenthalt bezahlt, ist das Essen vom Vorabend oft schon vergessen.“ In der „Linde“ kommt alles Trinkgeld in einen Topf. Je nach Arbeitsstunden teilt der Chef es dann auf. Für ihn hat das Trinkgeld auch mit der Wertschätzung seiner Angestellten durch die Gäste zu tun. „Das sind ja alles Menschen, die in der Gastronomie arbeiten, keine Maschinen.“

Amerikaner, Niederländer, Franzosen oder Russen seien gute Trinkgeldgeber – weil sie es von zu Hause so kennen und oft über die – verhältnismäßig – günstigen Preise in deutschen Restaurants staunen. Kartenzahler geben eher weniger Trinkgeld, ist Frank Gliemann aufgefallen.

Mittlerweile gehört es zum guten Ton, dass Restaurants das Trinkgeld bei Kartenzahlungen direkt mit abbuchen. „Viele Gäste wissen aber gar nicht, dass das für uns Mehrarbeit bedeutet“, sagt Gliemann. Denn bei einer Kartenzahlung läuft das Geld über die Buchhaltung. Es ist dann zwar immer noch steuerfrei, muss aber aufwendig wieder herausgerechnet werden. Der alte Spruch „Bares ist Wahres“ gilt demnach noch immer.

Und wie ist das mit dem Trinkgeld bei Zimmermädchen? Nicht üblich, sagt Christian Lohmann von der Elbresidenz, seien Sachgeschenke wie Pralinen, eine Flasche Wein oder Champagner. Schön seien zwei bis zehn Euro. „Ein kleiner Dank am Tag der Abreise auf dem Kopfkissen für diesen Knochenjob macht große Freude“, sagt auch Frank Gliemann. Während sich Ost- und Westdeutsche bei ihren Trinkgeld-Manieren im Restaurant nicht mehr unterscheiden, sei es längst noch nicht überall selbstverständlich, sich auch beim Zimmermädchen mit einem kleinen Obolus zu verabschieden. (mit SH)