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So viel Müll in der Görlitzer Natur

Die Waldkindergartenkinder haben zwei Wochen lang Unrat aus dem Wald geholt. Sie waren schockiert, wie viel da liegt.

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© Nikolai Schmidt

Von Ines Eifler

Görlitz. In Gummistiefeln und Arbeitshandschuhen stapfen die Kinder durch das Wäldchen am Tierheim Krambambuli. „Sieh mal, ich hab etwas gefunden“, sagt Anton. Er hat den zerfledderten Rest einer Wachstuchdecke mit einem Stock aufgespießt und freut sich darüber, als hätte er ein Ostergeschenk entdeckt. Bald kommen auch Josse, Niklas, Merle und Lara an und zeigen, was sie zwischen Brennnesseln, unterm Holunder, im Laub oder halb in der Erde gefunden haben: eine löchrige Alditüte, ein Stück Zaun, eine rostige Metallstange, einen halben Blumentopf, Ziegelsteine, Schnapsflaschen, Knochen. „Die Knochen und die Ziegel könnt ihr hier lassen“, sagt Leona Scheinpflug, die gerade ein Freiwilliges Ökologisches Jahr im Waldkindergarten absolviert. „Alles andere nehmen wir mit.“ Nach einer halben Stunde ist der Bollerwagen voll, den die Kinder von ihrer Schutzhütte am Fuße des Steinbergs mit in den Wald gebracht haben.

„Als wir vor 14 Tagen begonnen haben, hat eine Fuhre nicht ausgereicht“, sagt Leona Scheinpflug. „Da haben wir erst mehrere Säcke voll Müll aus dem Wald geholt und mussten dann noch ein paar Mal mit dem Bollerwagen hin.“ Die 18-jährige Görlitzerin ist selber viel in der Natur unterwegs und stört sich schon seit Längerem immer wieder über Müll, dessen sich mancher mitten in der Natur entledigt. „An Spazierwegen und Trampelpfaden sieht es noch ganz gut aus“, sagt sie, „aber sobald man etwas tiefer in den Wald hineingeht oder direkt an der Straße, findet man überall Abfälle.“ An der Straße zwischen Kunnerwitz und Weinhübel ist ihr das besonders aufgefallen, aber auch im Loenschen Park, an der Landeskrone und in den Waldstücken rund um den Steinberg, die von den Kindern Namen wie „Spinnenwald“ oder „Astwald“ bekommen haben.

Weil die Kinder im Waldkindergarten ganz mit der Natur leben, hatte Leona Scheinpflug die Idee, sich gemeinsam mit ihnen genauer mit dem Thema Müll zu beschäftigen und ihnen zu vermitteln, dass er die Natur gefährdet. Etwa 30 Waldstücke durchwandern sie regelmäßig, nun suchten sie gezielt nach Unrat. „Es war gar nicht so einfach, sie von ihrer Freude, etwas gefunden zu haben, wieder abzubringen“, sagt Leona Scheinpflug. Aber sie erklärte ihnen, dass Kunststoff sehr lange braucht, bis er zerfällt, und dass selbst kleinste Teilchen im Boden zur Gefahr werden können, für Tiere, vielleicht auch für Pflanzen und womöglich für Menschen, die davon essen. Deshalb sammelten die Kinder nicht nur Müll, sie trennten ihn auch und erfuhren, was danach damit geschieht: Dass ein Teil verbrannt wird, wobei ein giftiger Rest übrig bleibt. Dass ein Teil wieder zu Erde wird, wenn man ihn kompostiert. Dass man Verpackungsmüll wie Glas oder Papier ein paar Mal wiederverwenden kann. Und dass man manchmal aus Müll ganz neue Dinge herstellen kann.

So legten die Kinder an ihrer Schutzhütte einen Komposthaufen an und beobachten nun, wie lange es dauert, bis sich Bananenschalen, Karottenkraut und Apfelgriebsche zersetzt haben. Der Waldkindergarten versucht ohnehin, so weit wie möglich auf Plastik zu verzichten, nur ohne Windeln und Feuchttücher für die ganz Kleinen geht es nicht.

Aus Tetra Paks hat Leona Scheinpflug mit den Kindern Vogelhäuschen gebastelt und bunt beklebt. Aus Joghurtbechern wurden Wind- und Wasserräder. An einem Tag wollten die Kinder wissen, wie viel Verpackungsmüll sie mit Frühstück und Vesper von zu Hause mitbringen. „Obwohl wir den Eltern nichts davon sagten, kam nicht viel zusammen“, sagt Leona Scheinpflug. „Die Familien unserer Kinder leben ja meist schon sehr umweltbewusst.“

Am schockierendsten für die Kinder war es in den zwei Wochen, zu erfahren, dass ein großer Teil des Plastikmülls der ganzen Welt in den Meeren schwimmt und dass viele Tiere daran sterben. „Aber auch in unseren Wald gehört kein Müll“, sagt die kleine Merle und wirft einen Packen grellgelber Folie in den Bollerwagen. „Außerdem: Wenn man Müll in den Wald wirft, ist das auch ein bisschen eklig.“