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So überlebt man am Schillerplatz

Beim ständigen Auf und Zu der Läden hält sich Gerlinde Möhres tapfer. Der Kampf ist hart.

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© Christian Juppe

Von Julia Vollmer

Sieben Adressen hat der Weihnachtsmann. Und das allein in Deutschland, sagt zumindest die Deutsche Post. Ansonsten nimmt er die Wunschzettel auch am Nordpol oder in Norwegen in Empfang. Auf den Wunschzetteln der Kinder steht natürlich vor allem eines: Spielzeug. Und dieses müssen die Eltern – äh, natürlich der Weihnachtsmann – irgendwo kaufen. Seit beinahe zwei Jahrzehnten gibt es dafür eine Anlaufstelle am Schillerplatz. Gerlinde Möhres hält sich mit ihrem Laden Spielwaren am Blauen Wunder seit 17 Jahren. Ihr Sortiment reicht von Pferden bis Ritterschwert, von Lego bis Puzzles. Ihre Kriterien bei der Auswahl: hochwertig und funktional soll es sein. „Wir prüfen alle Spielzeuge vorher, ob die Kinder gut und sicher damit spielen können. Dinge, wo der Lack sofort absplittert oder der Reiz nach einmal spielen weg ist, kommen nicht in den Laden“, sagt die 63-Jährige. Mit dieser individuellen Auswahl und intensiver Beratung will sie sich gegen die mächtige Konkurrenz aus dem Internet durchsetzen. „Als das Internet richtig stark wurde, brach unser Umsatz erst mal um 15 Prozent ein“, erinnert sich die Mutter von drei Kindern. Doch mit Biss, 50 Wochenstunden Arbeit und der Treue ihrer Stammkunden konnten sie acht davon wieder aufholen, sagt sie. Selbst große Ketten wie Toys ’R‘ Us mussten im September Insolvenz anmelden. Der Rivale Internet war zu stark.

Ein weiteres Problem, das die Händler am Schillerplatz plagt, sind die steigenden Mieten. Laut dem ansässigen Händlerverbund Brückenschlag-Verein stiegen die Mieten in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent. „Einzelgeschäfte können nie die Preise wie Filialketten oder Imbisse zahlen, aber die Attraktivität des Platzes lebt von ihnen“, so Sprecher Karl-Peter Möhres. Der Gewerbeverein arbeitet an einer Veranstaltung von Hausbesitzern, Maklern und Hausverwaltern sowie der städtischen Wirtschaftsförderung, um mit den Mietern die Lage zu besprechen.

Außerdem sollen die Bedingungen für Autofahrer verbessert werden. Der Verein will auf den Tiefgaragenbetreiber der Schillergalerie zugehen, um über Rabatte für Dauerparker, Mitglieder und deren Mitarbeiter zu sprechen. Eine Idee des Vereins: die Dauerparkplätze im Umkreis von rund 100 Metern könnten durch Parkscheibenplätze für bis zu drei Stunden Parkzeit ersetzt werden.

Denn Handlungsbedarf ist da. Die Zahlen aus der Stadtverwaltung sind vielversprechend und traurig zugleich. Einerseits gibt es mit aktuell 93 angemeldeten Gewerben 24 mehr als noch 2010. Das sind aber auch sechs weniger als im vergangenen Jahr. Sechs Gewerbe wurden abgemeldet, in diesem Jahr eröffnete aber mit dem Duftladen Equivalenza auch ein neues Geschäft. „Die Lage mit einer aufgeschlossenen Zielgruppe im Umfeld lädt dazu ein, Geschäftskonzepte mal auszuprobieren“, beobachtet David Tobias, Geschäftsführer des Handelsverbands Sachsen. Diese müssten sich langfristig bewähren, und da sei es häufig die Miete, die in umsatzschwächeren Zeiten nicht zu stemmen ist.

Ein häufiges Kommen und Gehen am Schillerplatz sieht auch Lars Fiehler, Sprecher der Industrie- und Handelskammer. Die Gründe seien vielschichtig. Ladenmieten, Wettbewerb, eine Produktpalette, die nicht zu Kundenwünschen passt, Öffnungszeiten und hohe Preise seien oft Ursachen. Auch eine ungeregelte Nachfolge bei der Übergabe von Traditionsläden. Der Standort habe auch Vorteile: Im engeren Einzugsgebiet, in Blasewitz, Striesen und Loschwitz, leben die Dresdner mit der höchsten Kaufkraft. Zudem sei das Gebiet gut zu Fuß sowie mit Bus und Bahn zu erreichen. Dem gegenüber stünden eingeschränkte Parkmöglichkeiten, die durch die Diskussionen um die Flächen unter dem Blauen Wunder verschlechtert werden, so Fiehler. Eine Ursache für die hohe Fluktuation könnten die verstopften Haupt- und Nebenstraßen am Schillerplatz sein. Das verschlechtere die Aufenthaltsqualität beim Bummeln.

Zum Stöbern und Bummeln lädt auch Gerlinde Möhres in ihr Spielwarengeschäft ein. Aufgeben kommt für sie nicht infrage. Sie setzt im Weihnachtsgeschäft auf Klassiker wie Puppen und Steckenpferde. Was genau unter dem Baum liegen soll? Diese Wünsche nimmt der Weihnachtsmann an seinen Adressen in Himmelpfort oder Engelskirchen entgegen.