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So schamlos sind die Fälscher

Warum nicht gleich einen ganzen Wasserpark? Produktnachahmer scheuen auch nicht vor Großkopien zurück.

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© Plagiarius

Von Rolf Obertreis

Aliki Busse ist wieder fündig geworden. Bei ihrem Rundgang über die Ambiente, die weltgrößte Konsumgütermesse, am Freitag sind ihr offensichtlich nachgemachte Einkaufs- und Wäschetaschen der Originale des renommierten bayrischen Herstellers Reisenthel ins Auge gefallen. Die Firmen werden Besuch vom Zoll erhalten und müssen mit einer Beschlagnahmung der Plagiate rechnen, ist sich die auf Verfolgung von Produktfälschungen spezialisierte Anwältin aus München sicher. Der Trend, Originalprodukte zum Schaden der Hersteller zu kopieren und damit satte Gewinne einzustreichen, ist ungebrochen. Am Freitag präsentierte die Aktion „Plagiarius“ zum 42. Mal ihren Schmähpreis für dreiste Kopien.

2. Preis: Aufblasbarer Wasserpark „Wibit Sports Park XL“. Das originale Planschvergnügen (l.) kommt von Wibit Sports aus Bocholt, die Kopie aus China.
2. Preis: Aufblasbarer Wasserpark „Wibit Sports Park XL“. Das originale Planschvergnügen (l.) kommt von Wibit Sports aus Bocholt, die Kopie aus China. © Plagiarius
3. Preis: Puky Racer. Die Firma Puky aus Wülfrath hat ebenfalls Nachahmer in China. Das Kinderauto wurde 1:1 nachgebaut.
3. Preis: Puky Racer. Die Firma Puky aus Wülfrath hat ebenfalls Nachahmer in China. Das Kinderauto wurde 1:1 nachgebaut. © Plagiarius

Peinliche „Gewinner“ waren auch in diesem Jahr vor allem Firmen aus China. Die Firma Sunny Kingdom kopierte gleich einen ganzen großen aufblasbaren Wasserpark der Wibit Sports GmbH aus Bocholt mitsamt den notwendigen Schwimmwesten und dem Produktvideo, das einfach mit chinesischen Kindern nachgedreht wurde. Dabei geht es um richtig viel Geld: Im Original muss für den Park ein sechsstelliger Betrag auf den Tisch gelegt werden. Die Kopie ist deutlich billiger, der Schaden für das deutsche Unternehmen immens.

Betroffen von dreisten Fälschungen ist auch die Genius GmbH aus dem hessischen Limburg, wiederum von einer Firma aus China mit ihrem Küchenschneidgerät. „Es ist nachgemacht mit billigem Plastik, das auch noch gesundheitsschädliche Substanzen enthält, die Schneidklinken der Kopie sind stumpf und brechen leicht“, sagt Christine Lacroix, Sprecherin der Aktion Plagiarius, die der Ulmer Design-Professor Rido Busse 1977 ins Leben gerufen hat. Einen Schmähpreis gibt es in diesem Jahr auch für die ebenfalls aus China stammende Kopie eines roten Kinder-Rutschers der deutschen Firma Puky. „Design und Technik wurden eins zu eins vom Original übernommen. Die billigen Materialien und die schlechte Verarbeitung zeigen die minderwertige Qualität“, sagt Lacroix. Letztlich ist das kopierte Wägelchen für Kinder mehr als gefährlich.

Es sind immer noch in der Mehrzahl Firmen aus Fernost, die sich erdreisten, hochwertige Markenprodukte zu fälschen – meist in schlechter Qualität verbunden mit minderen Sicherheitsstandards und damit hohen Risiken für die Nutzer. „Das reicht von verunreinigten Parfüms und Kosmetika, minderwertiger Unterhaltungselektronik und gepanschten Lebensmitteln über Kinderspielzeug, unsichere Motorsägen bis zu nicht funktionstüchtigen medizintechnischen Produkten wie Notfallbeatmungsgeräten“, weiß Lacroix. Den jährlichen Schaden für die deutsche Wirtschaft taxieren Experten auf 30 bis 50 Milliarden Euro, weltweit sollen es 500 Milliarden Dollar sein. Allein in Deutschland fielen durch Plagiate fast 400 000 Jobs weg. 2016 hat der Zoll in der EU mehr als 41 Millionen Produkte beschlagnahmt, die die Rechte der Originalhersteller verletzen. Geschätzter Marktwert: 670 Millionen Euro. „Das ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Lacroix. Erleichtert wird das miese Geschäft der Fälscher, die sich die zumeist beträchtlichen Entwicklungskosten – bei einer Kaffeemaschine bis zu einer halben Million Euro – sparen, durch das Internet und den Online-Handel. Dort wird oft mit Fotos und Infos über das Originalprodukt geworben, aber tatsächlich nur die billige, mitunter gefährliche Kopie geliefert. Unternehmern empfiehlt Rechtsanwältin Busse, sich unbedingt Schutz- und Designrechte einräumen zu lassen. Und Verbraucher sollten nicht nur den Preis anschauen. „Günstig ist nicht immer gut. Im Übrigen unterstützt der Käufer mit dem Erwerb von billigen Kopien menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit.“ Und so liegt es in der Verantwortung jedes Verbrauchers, sich „statt für Ramsch mit Label von Kriminellen lieber für legale Produkte zu entscheiden.“