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So lebten Bauern vor 2700 Jahren

An der B 175 in Döbeln Ost sind die Archäologen auf eine Siedlung gestoßen. Einige Fundstücke geben Rätsel auf.

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© André Braun

Von Jens Hoyer

Ein Bagger zieht das Erdreich zentimeterweise in der langgestreckten Grube ab: hellbrauner Lößlehm, dazwischen ein paar schwärzliche Verfärbungen. Sie sind für die Archäologen oft der einzige Hinweis, das an dieser Stelle einmal Menschen gesiedelt haben. In diesem Falle vor etwa 2 600 oder 2 700 Jahren. Ältere Eisenzeit heißt diese Periode der Menschheitsgeschichte. Dr. Volkhard Hirsekorn und sein Team graben sich gerade in Döbeln Ost auf der Trasse der künftigen B 175 in diese Epoche vor.

Dr. Christoph Heiermann (links) und Dr. Michael Strobel zeigen eine Schmuckscheibe aus Schiefer und ein Steinbeil.
Dr. Christoph Heiermann (links) und Dr. Michael Strobel zeigen eine Schmuckscheibe aus Schiefer und ein Steinbeil. © André Braun
Deutlich hebt sich eine Abfallgrube ab. Die früher Nutzer haben hier auch eine Reibemühle für Getreide entsorgt, die jetzt gefunden wurde.
Deutlich hebt sich eine Abfallgrube ab. Die früher Nutzer haben hier auch eine Reibemühle für Getreide entsorgt, die jetzt gefunden wurde. © André Braun

Menschen haben damals auf dem Hügel am Rande des heutigen Gewerbegebiets gelebt und vor allem Gruben mit Abfällen hinterlassen. Die organischen Materialien färben das Erdreich bis heute dunkel. Dazwischen sind ein paar runde Abdrücke im gleichen Farbton zu sehen: Pfostenlöcher. Das Holz, das einmal darin steckte, ist schon lange vergangen. Die Pfosten haben wahrscheinlich einmal zu Häusern gehört. Hausgrundrisse lassen sich aber heute nicht mehr erkennen, sagte Michael Strobel, Gebietsreferent am Landesamt für Archäologie.

Einige der Funde sind schon handgreiflicher. Scherben kamen zutage und die Tongewichte von Webstühlen. Ein besonderes Stück ist eine dünne Scheibe aus Schiefer, grob abgerundet mit einem Loch in der Mitte. Ein Schmuckstück vielleicht oder ein Amulett, sagte Strobel. Bis heute glänzt die Oberfläche des Schiefers silbrig. Ein anderer Fund will nicht so recht ins Bild passen. Die Ausgräber haben ein Steinbeil gefunden, das ziemlich abgearbeitet ist. Stein in der frühen Eisenzeit? „Die hat man später auch noch benutzt oder vielleicht als Kuriosum aufgehoben“, meint Strobel.

Ein wenig abseits vom vorgeschichtlichen Bauernhof haben die Archäologen unter dem Rasen ein wirkliches Prachtstück entdeckt. Fein säuberlich haben die Grabungstechniker einen Ofen freigelegt. Die Hitze hat die Lehmwände verziegelt, sie leuchten rötlich. Im Ofen Holzkohle zwischen Lehm. Die verkohlten Überreste werden den Archäologen helfen, die frühere Bestimmung des Ofens herauszubekommen. Finden sich Getreidekörner, ist der Verwendungszweck ziemlich klar.

„Wir vermuten, dass es sich um einen Darrofen handelt“, sagte Strobel. Darin wurden seinerzeit das Getreide getrocknet und etwas angeröstet, um es haltbarer zu machen. Als man vor einigen Jahren bei Mügeln für die Ortsumgehung grub, hatte man einen ähnlichen Ofen ausgegraben. „Das scheint damals üblich gewesen zu sein“, sagte Strobel. Auch Reibemühlen, um das Getreide zu mahlen, haben die Archäologen im mutmaßlichen Bauernhof entdeckt.

Auf der künftigen Trasse zwischen Autobahn und der Gake haben die Archäologen dagegen gar keine Funde gemacht. Das kann bedeuten, dass dort nichts war oder durch Erosion und Landwirtschaft alles zerstört wurde. Auch bei der Grabung am Gewerbegebiet sind die alten Abfallgruben im oberen Bereich wie abrasiert. Dort war wahrscheinlich jahrhundertelang gepflügt worden.

Ausgraben ist für Archäologen im Grunde der Sonderfall. „Unsere eigentliche Aufgabe ist der Erhalt. Wir wollen eigentlich nicht graben“, sagte Christoph Heiermann, Sprecher des Archäologischen Landesamtes. Am liebsten sind den Archäologen Wiesen und Waldflächen – dort sind die Siedlungsschichten geschützt. Kommende Generationen können vielleicht dokumentieren, ohne zu zerstören.

Die transportablen Funde aus Döbeln werden in der Zentrale in Dresden gewaschen und katalogisiert. Sie stehen mit einer umfangreichen Dokumentation Wissenschaftlern zur Verfügung. Besonders schöne Stücke werden auch ausgestellt. Etwa 150 Rettungsgrabungen gibt es pro Jahr in Sachsen, so Heiermann. Das archäologische Archiv wächst ständig. Dort lagern derzeit etwa 20 Millionen Einzelstücke.