Merken

So läuft die Wirtschaft im Landkreis

Rekordbeschäftigung, gute Auftragslage und viele Touristen machen 2017 zu einem super Jahr. Ein Problem bleibt aber.

Teilen
Folgen
© Daniel Schäfer

Von Franz Werfel

Freital. Bei Simone Sauer läuft es richtig gut. Die Geschäftsführerin der Heidenauer Dreherei Susa Sauer kann auf ein gutes Jahr zurückblicken. „Wir haben 2017 zehn Leute neu eingestellt und beschäftigen nun 190 Mitarbeiter“, sagt sie. Der Jahresumsatz konnte um eine halbe Million auf nun 25 Millionen Euro gesteigert werden. Susa Sauer, mit dem charakteristischen blauen Firmenturm an der B 172 kurz vor dem Ortsausgang Heidenau in Richtung Pirna gelegen, ist gefragt. 80 Prozent aller Drehteile stellt der Familienbetrieb für die Automobilindustrie her. Auf 100 Maschinen entstehen Bauteile für Airbags, Gurtstraffer und Motoren. Aus Heidenau werden sie zu den großen deutschen Autobauern gebracht. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Rund zehn Prozent aller Teile gehen in den Export, vor allem nach Ungarn, Rumänien und Polen.

„Die gute Entwicklung 2017 macht uns optimistisch für 2018“, sagt Simone Sauer. Von einer Krise in der Automobilindustrie hat sie nichts bemerkt. Das hat auch geholfen, die gestiegenen Preise für Rohstoffe aufzufangen. „Die Preissteigerungen müssen wir an unsere Kunden weitergeben“, sagt Sauer. Und die bezahlen, denn sie wissen die Qualität der Firma zu schätzen. Mit ihrem Betrieb steht sie exemplarisch für viele inhabergeführte Firmen im Landkreis, auch wenn die weitaus meisten Betriebe weniger als zehn Mitarbeiter haben.

Der deutschen Wirtschaft ist es im zurückliegenden Jahr insgesamt gut ergangen. Mehrmals wurde die Wachstumsprognose nach oben korrigiert. Wichtiges Standbein war die hohe Binnennachfrage. Denn wegen der niedrigen Zinsen geben die Deutschen seit mehreren Jahren das Geld lieber aus, anstatt es auf dem Konto zu parken. Die SZ fasst die wirtschaftliche Entwicklung der Region im Jahr 2017 zusammen und zeigt, warum die Gewinnung von Arbeitskräften die größte Herausforderung für die hiesigen Firmen sein wird.

Arbeitsmarkt: Sehr wenige Arbeitslose bei Rekordbeschäftigung

„Mal sehen, wie lange wir noch jeden Monat eine besonders niedrige Arbeitslosigkeit vermelden können“, sagte Gerlinde Hildebrand, die Chefin der Pirnaer Arbeitsagentur im Herbst. Über Monate war die Arbeitslosigkeit im Landkreis gefallen. Ende November waren rund 6 500 Frauen und Männer arbeitslos gemeldet, etwa 900 weniger als im Jahr zuvor. Die Arbeitslosenquote sank damit auf 5,2 Prozent. Sie lag somit leicht unter dem Bundesdurchschnitt (5,3 %) und deutlich unter dem sächsischen Schnitt (6,0 %). Zwei Drittel aller Frauen im erwerbsfähigen Alter im Landkreis gehen arbeiten – ein Spitzenwert, auch im deutschlandweiten Vergleich.

Die „unwahrscheinlich niedrige Arbeitslosigkeit“ freut auch Landrat Michael Geisler (CDU). Viele Menschen in der Region sind im Handwerk und in der Dienstleistungsbranche tätig. „Dadurch sind wir recht gut durch die Wirtschaftskrise 2008 gekommen“, sagte Geisler kürzlich der SZ. Es gab nur ganz wenige Pleiten. „Aufgrund dieser Wirtschaftsstruktur haben wir aber nicht die hohen Steuereinnahmen wie andere Regionen in Sachsen.“ Das Bruttoinlandsprodukt des Landkreises liegt – trotz der hohen Beschäftigung – am unteren Ende im Freistaat. Im Landkreis Zwickau ist es mit fast 28 000 Euro pro Jahr und Kopf ein Drittel höher als im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. „Die Leute bei uns sind ja nicht weniger fleißig als anderswo. Wir haben nur nicht die großen Industrieansiedlungen“, so Geisler. „Dafür haben wir den Nationalpark und Landschaftsschutzgebiete.“ Das schlage sich nieder in einem florierenden Tourismusgewerbe.

Tourismus: Mehr Gäste besuchen die Regionen im Landkreis

Dass die Tourismusbranche für den Landkreis wichtig ist, ist bekannt. Wie wichtig, das hat im vergangenen Jahr das Statistische Landesamt erstmals erhoben. Demnach arbeiten 4 000 Menschen in dem Bereich, das ist jeder zwanzigste Arbeitnehmer im Landkreis. Die Statistik zeigt aber noch mehr: Gleich nach den großen Städten Dresden mit 22 800 Gästebetten und Leipzig (17 100) bietet der Landkreis mit 16 900 Gästebetten die drittmeisten in Sachsen. Von Januar bis September 2017 kamen 555 000 Gäste in den Landkreis. Dabei buchten sie rund 2,1 Millionen Übernachtungen. Bei den Gästezahlen machte 2017 die Sächsische Schweiz mit sieben Prozent Zuwachs den drittgrößten Sprung nach Leipzig (+8,1 %) und dem Vogtland (+7,4 %). Und: Nirgendwo in Sachsen verweilten die Gäste so lange wie im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von 3,8 Nächten ist die höchste sachsenweit.

Für die Region wichtig ist auch das Festival „Sandstein und Musik“. 2017 fand es zum 25. Mal statt. Mit fast 11 000 verkauften Karten war es bisher der erfolgreichste Festival-Jahrgang. Dementsprechend erfreut war über die Zahlen Klaus Brähmig, der Vorsitzende des Tourismusverbandes in der Sächsischen Schweiz. „Das Festival steht für eine gelungene Symbiose von Tourismus und Kultur“, sagte er. Es sei ein kultureller Zugewinn für die Region, das Gäste auch von weiter her anziehe.

Industrie und Handwerk: Nicht nur die Baubranche boomt

Eine große Zufriedenheit mit der aktuellen Geschäftslage und stabiles Wachstum: So haben die meisten Industrie- und Handwerksbetriebe im Landkreis in den Herbstumfragen ihrer Kammern ihre aktuelle Stimmung benannt. Nicht nur die Baubranche boomt, auch wenn sie Spitzenreiter beim Konjunkturindex ist. „Die Branche ist voll bis oben hin“, sagte der Chef der IHK Dresden, Detlef Hamann, zur SZ. Das verarbeitende Gewerbe – eine der wichtigsten Branchen in der Region – setzte mit 1,7 Milliarden Euro bereits in den ersten sieben Monaten 2017 ein Prozent mehr um als im Vorjahreszeitraum.

Nicht nur Industriebetriebe, auch das Handwerk konnte von den niedrigen Zinsen profitieren und im vergangenen Jahr kräftig investieren. Zwei von drei Handwerksbetrieben gingen davon aus, dass sich ihre Geschäfte auch in diesem Jahr positiv entwickeln werden. Das Lebensmittelhandwerk und Dienstleister wie Friseure oder Textilreiniger hatten es dagegen schwerer. Zwar haben auch in diesen beiden Branchen die Umsätze kontinuierlich leicht zugelegt – allerdings konnte das die gestiegenen Kosten für das Personal nicht kompensieren.

Blick nach vorn: Mehr Arbeitnehmer braucht das Land

Landrat Michael Geisler blickt optimistisch nach vorn. „Fehlende Arbeitsplätze werden in den nächsten zehn bis 15 Jahren nicht unser Problem sein“, sagte er. Aber: Diejenigen, die diese Arbeitsplätze besetzen könnten, würden weniger. „Einer Prognose des Freistaats zufolge werden wir in Sachsen im Jahr 2030 nur noch die Hälfte der freiwerdenden Arbeitsplätze durch den eigenen Nachwuchs belegen können.“ Sachsen befinde sich mitten im Wettbewerb der Regionen – sowohl innerhalb Deutschlands als auch Europas. Sachsen, so Geisler weiter, müsse wettbewerbsfähig bleiben. „Das geht nur, wenn der ländliche Raum lebenswert bleibt.“