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So kann Integration aussehen

Seit Dezember leben einige Flüchtlinge dezentral in Schwepnitz. Rührige Kirchgemeindemitglieder geben ihnen sogar Deutschunterricht.

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© Heinz Hirschfeld

Von Heinz Hirschfeld

Schwepnitz. Im Dezember verschlug es vier junge Flüchtlinge aus Syrien, dem Gazastreifen und anderen Ländern der Region in die kleine Gemeinde Schwepnitz.

Außerdem eine Familie aus Afghanistan, mit zwei kleinen Jungen. Die Frau von Hussein Jofoli - Sedige - entband im Februar den kleinen Mahan. Das bedeutete, dass Sedige im schwangeren Zustand, mit ihrer Familie zehn Wochen auf der Flucht von Afghanistan, über den Iran, die Türkei, Griechenland und dann zu Fuß nach Deutschland unterwegs war. Der Palästinenser Saleh Alnajjar hat eine achtwöchige Odyssee vom Gazastreifen hinter sich – über Ägypten mit einem ominösen Schiff nach Italien und letztendlich nach Deutschland. „Auf dem schaukelnden Schiff quälte die Ungewissheit, überhaupt lebendig anzukommen. Und wenn, dann wo. Aber jetzt sind wir alle froh, in Sicherheit bei hilfsbereiten Menschen zu sein. Danke“, sagt Saleh. Die Flüchtlinge wurden in Schwepnitz dezentral untergebracht. Die Schwepnitzer Bürgermeisterin Elke Röthig, Pfarrer z. A. Friedrich Porsch und andere Schwepnitzer hießen sie willkommen. In der kleinen Gemeinde von 1588 Seelen sprach sich die Anwesenheit der neuen Mitbewohner schnell herum. Der Pfarrer besuchte sie nach zwei Wochen in ihrem neuen Zuhause.

Hilfe bei Behörden-Unterlagen

Die Flüchtlinge freuen sich heute noch, wie hilfsbereit die Schwepnitzer sind. Sie halfen ihren fremden Mitbewohnern, die auf einmal gar nicht mehr so fremd waren, mit Fahrrädern, warmer Kinderkleidung und sogar einem Fernseher. Aber trotz allem lebten sie plötzlich in einem unbekannten Land mit anderem Glauben und fremder Sprache – vorerst. In Gesprächen im Dezember äußerten die Flüchtlinge schon den Wunsch, die deutsche Sprache zu erlernen, um besser am Leben ihrer Freunde teilnehmen zu können. „Im Januar fingen wir also an, einen Deutschkurs ins Laufen zu bringen“, erzählten Marianne Porsch, Pfarrersfrau und Ärztin im Babyjahr, Alfrun Georgi, Lehrerin im Babyjahr und Manfred Dietrich, Pfarrer im Ruhestand. Was diesen drei Menschen gemein ist, ist das Christsein in Schwepnitz und somit auch die Nächstenliebe. Zweimal wöchentlich je eine Stunde bitten sie die Flüchtlinge zum Deutschkurs ins Kirchgemeindezentrum. Auf einmal wurden aber auch einfache Dinge, wie eine Schultafel wichtig. Beim Kamenzer „Bündnis für Humanität und Toleranz“ wurden Lehrmittel beantragt. Im Pfarrbüro werden Arbeitsblätter kopiert. Und die Wissbegierigkeit der Flüchtlinge stieg von Mal zu Mal. Behördenformulare füllt man nun gemeinsam aus. Einkaufen kann man mittlerweile allein. Nachbarn fuhren Sedige Jofoli zur Nachsorge zum Arzt. In der Kirchgemeinde wurde außerdem eine Tischtennisplatte aufgestellt, was den Flüchtlingen gefällt. Der SV „Grün-Weiß“ Schwepnitz, bot den fünf jungen Männern, die Möglichkeit beim Fußballtraining mitzukicken.

Aus Lehrern werden Freunde

Fahrradausflüge, Kirchgemeindefest und vieles mehr erlebte man schon gemeinsam. Einmal haben die Flüchtlinge sogar mit dem 76-jährigen Manfred Dietrich einen Ausflug in die Sächsische Schweiz unternommen. „Es war nur eine Herrenpartie, weil ich in meinem Auto nicht so viel Platz hatte“, erklärt dieser. Wenn die Flüchtlinge mittlerweile von ihren drei „Lehrern“ sprechen, nehmen sie immer das Wort Freund in den Mund. Lernen konnten aber auch sie von den Flüchtlingen. So kam man, bei einer Besichtigung der St. Nikolaikirche, auch auf den Fastenmonat Ramadan zu sprechen.