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„So etwas wie ein Ritterschlag“

In Dresden strahlen drei Michelin-Sterne, sie sind die Sahnehaube für Restaurants. Ein Gespräch mit einem Prämierten.

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© Sven Ellger

Dresden. Mit exakt 300 Sternen ist die Verleihung der wichtigsten Restaurant-Auszeichnung des Jahres eine runde Sache. Und ein Rekord. Erstmals hat die Jury des Guide Michelin so viele Oscars an die besten deutschen Köche vergeben. Drei davon leuchten in Dresden. Damit haben die Sterneköche Stefan Hermann vom Restaurant bean&beluga, Stephan Mießner vom Restaurant Elements und Benjamin Biedlingmaier vom Restaurant Caroussel im Hotel Bülow Residenz ihr Label verteidigt. Mit Letzterem spricht die Sächsische Zeitung über heimliche Testesser, die wahren Sterneträger und alternative Stopfleber.

Herr Biedlingmaier, war die Nachricht über Ihren neuen Stern eine Überraschung?

Ich nenne es eher Erleichterung als Überraschung. Aber im ersten Moment ist mir wirklich der Schreck in die Glieder gefahren.

Haben Sie die offizielle Verleihung in Babelsberg miterlebt?

Nein, da sind immer nur die Kollegen eingeladen, die zum ersten Mal einen Stern verliehen bekommen. Ich habe die Ergebnisse übers Internet erfahren. Da folgte in der Liste mit den 300 Restaurants auf das Elements das bean&beluga, und dann ging es mit Kirschau und Leipzig weiter. Ich habe gedacht: Das darf doch nicht wahr sein! Aber an nächster Stelle las ich: Caroussel.

Was hätte es denn für Sie bedeutet, den Stern zu verlieren?

Das würde total am Ego kratzen. Ein Michelin-Stern ist so etwas wie ein Ritterschlag, den möchte man nicht einbüßen.

Aber Sie haben ihn ja...

Wir haben ihn! Das ganze Team! So gesehen stehen in unserer Küche lauter Sterne-Köche. Der Stern ist ja ans Restaurant gebunden, und das Caroussel trägt ihn unausgesetzt seit 1997. Er ist eine großartige Wertschätzung an die ganze Mannschaft, zu der 25 Kollegen gehören.

Wie oft kommen die Tester ins Restaurant, bis ihre Meinung feststeht?

Das weiß ich nicht, aber ich habe gehört, die Inspektoren besuchen jedes Restaurant zwei- bis dreimal im Jahr.

Sie bekommen nichts mit?

Selbst, wenn ich eine Ahnung hätte – ich würde meinem Team nichts davon sagen und es so arbeiten lassen wie sonst auch.

Geht es den Inspektoren ausschließlich ums Essen?

Angeblich schon. Aber ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass sie nicht auch auf die Bedienung und das Ambiente achten. Wenn ich in unschöner Umgebung unfreundlich bedient würde, hätte ich auch am Essen nicht ganz so viel Freude.

Verpflichtet ein Stern zu einem bestimmten Umgang mit den Produkten?

Es gibt keine Auflagen, aber es gehört zur Koch-Ehre, beispielsweise keine Fertigprodukte zu verwenden. Was sich in der Küche abspielt, welche Zutaten genau verwendet werden, kontrollieren die Inspektoren jedenfalls nicht.

Sind sie alle vom Fach?

Meines Wissens, ja. Die Inspektoren kommen alle aus der Gastronomie und sind sehr erfahren. Ich könnte mich auch bewerben.

Als Tester. Aber auch als Restaurant?

Selbst das geht. Wenn ich zum Beispiel irgendwo ein neues Gourmet-Restaurant eröffnen würde, könnte ich den Guide Michelin darauf aufmerksam machen. Vieles funktioniert auch über Mund-zu-Mund-Propaganda. Ansonsten stehen natürlich die Restaurants im Fokus, die bereits einen Stern odere mehrere haben.

Mit wie vielen kann ein Restaurant ausgezeichnet werden?

Es gibt maximal drei.

War Ihnen von Beginn Ihrer Laufbahn an klar, dass Sie einmal einen Stern erreichen wollen?

Absolut! Als ich meine Ausbildung hinter mir hatte und im Restaurant Silberberg in Baiersbronn anfing, habe ich mir fest vorgenommen: Wenn ich 30 Jahre alt bin, will ich einen Stern haben.

Wie alt sind Sie jetzt?

Einunddreißig.

Plan übererfüllt. Sie haben inzwischen fünf in Folge! Halten Sie drei Sterne-Restaurants in einer Stadt wie Dresden für ausreichend?

Überhaupt nicht. Das ist recht wenig. Berlin hat 13, und ich finde, es gibt sicherlich auch in Dresden noch mehr Restaurants, die das Zeug dazu haben.

Nicht jeder Ihrer Kollegen freut sich, wenn er einen Stern angeheftet bekommt. Was spricht denn dagegen?

Aus Sicht unseres Hauses spricht gar nichts dagegen. Der Stern ist ein tolles Aushängeschild. Aber wir pflegen die gehobene Küche ja auch seit so vielen Jahren, und unsere Gäste wissen das. Wenn aber ein Kollege auf dem Land plötzlich ein Sterne-Restaurant hat, dann kann das schwierig werden. Dann greift womöglich die berühmte Schwellenangst, die Leute denken, jetzt ist es dort furchtbar teuer und extrem nobel, und bleiben weg.

Weihnachten naht. Sie haben Abschied von der Gänsestopfleber genommen. Warum?

Weil ich es nicht mehr mit meinen ethischen Grundsätzen vereinen kann. Jahrelang habe ich Stopfleber gern verwendet, ich fand den Geschmack und die Konsistenz spannend. Aber die Tiere müssen dafür leiden, werden zwangsernährt, damit ihre Leber verfettet. Das muss nicht sein. Ich denke, heutzutage gibt es Alternativen. Unsere besteht überwiegend aus Nüssen und Kakaobutter, ist herzhaft, vegetarisch und ein Genuss ohne Reue.

Das Gespräch führte Nadja Laske.