Merken

Ski am Polarkreis

Ralf Kretschmer lief jetzt bei der Premiere eines Ski-Marathons, der den berühmen schwedischen Wasa-Lauf in den Schatten stellt.

Teilen
Folgen
NEU!
© J. Leibiger

Von Jörg Richter

Nasseböhla. Ralf Kretschmer hat einen guten Chef. Einen mit viel Verständnis, auch wenn er das, was sein Mitarbeiter in der Freizeit macht, für ziemlich verrückt hält. Der Geologe aus Nasseböhla ist einer der eifrigsten Ausdauer-Skiläufer Sachsens. Wenn nicht sogar der Eifrigste! Mit 22 Teilnahmen am berühmten Wasa-Lauf in Schweden hält Kretschmer den ostdeutschen Rekord. Jedes Jahr quälen sich bis zu 16 000 Profi- und Hobby-Läufer über die 90 Kilometer. Und Kretschmer ist regelmäßig dabei.

Der Nasseböhlaer Ralf Kretschmer nahm auch teil.
Der Nasseböhlaer Ralf Kretschmer nahm auch teil. © Archiv

Jetzt aber hat er an einen Skimarathon teilgenommen, der mehr als doppelt so lang ist als der Wasa-Lauf. Der Rand-Großenhainer war einer von nur acht Deutschen, die bei der Premiere des Red-Bull-Nordenskiölds-Laufes dabei waren.

400 Läufer hatten sich angemeldet. Nur 330 gingen an den Start. Vermutlich hatten einige kurz zuvor doch noch kalte Füße bekommen, denn mit 200 Kilometern ist er der momentan längste Nonstop-Skilauf der Welt.

Andere berühmte Skilangläufe

Der Rajalta-Rajalle-Hiihto gilt mit insgesamt 440 Kilometern als der längste Ski-Marathon der Welt. Allerdings durchqueren die Teilnehmer die finnischen Weiten von der russischen bis zur schwedischen Grenze in sieben Tagesetappen.

Der Wasa-Lauf in Schweden ist der populärste Ski-Marathon der Welt. Starteten 1922 bei der Premiere noch 119 Wettkämpfer, so sind es heute jährlich etwa 50000. Allein 16000 nehmen sich die 90-Kilometer-Strecke vor. Rund eine Viertelmillion Zuschauer verfolgen das Spektakel am Streckenrand.

Das Arctic-Circle-Race ist ein Langstreckenrennen in Grönland. Es wird über drei Tage, 70 Kilometer nördlich vom Polarkreis ausgetragen. Der achtfache Olympiasieger Bjørn Dæhlie bezeichnete es 2004 als das „schwierigste Skirennen der Welt“, nach dem es wegen eines Schneesturms abgebrochen werden musste. Extreme Witterungsbedingungen mit Temperaturen unter -30 °C sind beim Artic-Circle-Race normal.

Quellen: Wikipedia und Google

1 / 3

„Schon die ganze Skimarathon-Saison über geisterte die Nachricht wie ein Phantom durch die Szene“, erinnert sich Kretschmer. Dann wurde aus dem Gerücht eine handfeste Nachricht: Der ausgewanderte Österreicher Wolfgang Mehl plane zusammen mit Sponsor Red Bull im Norden Schwedens einen Skilauf über diese enorme Distanz. – Noch am Start um 6 Uhr morgens blickte Kretschmer in viele fragende Gesichter. „Zu groß war die Ungewissheit. Keiner der Athleten hatte je 200 Kilometer am Stück in einem Rennen absolviert“, erzählt der Nasseböhlaer. Dabei waren es größtenteils Profis, die sich dieser Herausforderung stellten. „Für Amateure ist diese Strecke fast schon zu viel“, sagt Kretschmer. „Da muss man viel Spaß verstehen.“

„Lass lieber die Finger davon“

Noch nach dem Wasa-Lauf Anfang März habe er zu sich gesagt: „Lass lieber die Finger davon!“ Doch er wollte nach dem schneearmen Winter noch mal einen ordentlichen Saisonabschluss.

Als es eine Woche zuvor bei einem 65-Kilometer-Lauf im schwedischen Östersund gut für ihn lief, gab er sich einen Ruck. „Sei nicht so feige, habe ich zu mir gesagt“, so Kretschmer. Und dass im doppelten Sinn. Denn nicht nur sein innerer Schweinehund, sondern auch sein Chef im Chemnitzer Ingenieurbüro musste überzeugt werden. Doch er gab mit einigem Kopfschütteln zu diesem verrückten Vorhaben sein Einverständnis für weitere Urlaubstage.

Kretschmer startete beim Red-Bull-Nordenskiölds-Lauf ziemlich weit hinten. Die ersten 80 Kilometer heftete er sich an die Fersen von zwei Finnen und einen Schweden. „Beim Kilometer 90 dachte ich: Jetzt wäre der Wasa-Lauf zu Ende“, so Kretzschmer. Später nutzte er den Windschatten einer Schwedin. „Ab Kilometer 150 habe ich keinen mehr gefunden, der ein vernünftiges Tempo gelaufen ist“, erinnert er sich. Von da an hieß es, sich größtenteils alleine durchzubeißen.

Nach knapp 15 Stunden erreichte der Nasseböhlaer das Ziel. Noch vor Einbruch der Dunkelheit. Sein Lohn: Platz 232 beim allerersten Red-Bull-Nordenskiölds-Lauf.