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Skandinavien in der Neustadt

Silvia Leder möchte ihre Faszination für Nordeuropa teilen – mit dem Nordischen Zimmer.

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© René Meinig

Von Sarah Grundmann

Von Frankreich nach Schweden in zwei Minuten? Das geht nur in der Dresdner Neustadt. Zwei Häuser neben dem beliebten französischen Café émoi auf der Kamenzer Straße ist vor Kurzem ein Stück Nordeuropa eingezogen. Übersetzerin Silvia Leder hat sich dort einen Traum verwirklicht und heißt im Nordischen Zimmer jetzt alle Fans der nordeuropäischen Sprachen „Välkommen“.

Der schwedische Gruß prangt an der Wand, von außen weisen Bilder von skandinavischen Häusern und Kinder-Zeichnungen von Pippi Langstrumpf auf das nordeuropäische Flair im Inneren der Kamenzer Straße 38 hin. Das zieht sich von der Palme mit schwedischen Fähnchen über die Ikea-Regale bis hin zu originalsprachigen Büchern. Doch was ist da eigentlich entstanden? Ein Übersetzungsbüro? Eine Sprachschule? Eine Bibliothek? Von allem ein bisschen. Leder will in der Neustadt Hobby und Beruf verbinden.

Ihre Faszination für Nordeuropa fing schon im Kindesalter an. Damals begeisterte die heute 44-Jährige vor allem die Sprache in Astrid-Lindgren-Büchern. „Ich habe schon als Kind versucht, Schwedisch zu lernen“, erinnert sich die heutige Übersetzerin. „Doch zu DDR-Zeiten war das nicht so leicht.“ Nach der Wende erfüllte sich Leder aber ihren Traum und ging nach Malmö, um dort Sprachbehinderten-Pädagogik zu studieren, später arbeitete sie in Göteborg als Lehrerin. Irgendwann zog es die gebürtige Leipzigerin aber wieder nach Deutschland, nach Dresden, in die Neustadt. Und auch der Beruf der Lehrerin war nicht die Erfüllung. Vor fünf Jahren machte sich Leder deshalb als Übersetzerin selbstständig.

Beim Studium, beim Lehren und auch beim Übersetzen haben sich mit der Zeit viele Bücher in nordeuropäischen Sprachen angesammelt. „Als mir dann ein niederländischer Professor wegen seines Umzugs nach Afrika seine Bücher in Originalsprache vermacht hat, wurde es meiner Familie zu viel“, sagt die Wahl-Dresdnerin und lacht. Schließlich kamen so auf einen Schlag rund 1 000 Bücher dazu.

Zunächst suchte Leder deshalb nach einem Büro, in dem sie übersetzen konnte und in welchem trotzdem noch genug Platz für die Bücher war. Als sie die Räume auf der Kamenzer Straße fand, formte sich aber langsam ein anderes Bild. Warum die ganzen Bücher nur für sich behalten? Gibt es nicht vielleicht in Dresden noch andere Nordeuropa-Fans, die gerne darin stöbern würden? Also richtete Leder in der Neustadt eine kleine Privatbibliothek ein. Seit Kurzem können Interessierte dort jeden Freitagnachmittag kostenlos Bücher aus dem nordischen Sprachraum ausleihen. Schwedisch, Niederländisch, Dänisch, aber auch exotischere Sprachen wie Färöisch oder ein seltener schwedischer Dialekt sind im Angebot. „Bisher sind vor allem Studenten vorbeigekommen“, sagt die Inhaberin. Es gebe aber auch viele Auswanderer, die Bedarf hätten. Das zeigt auch ein Blick auf die Zahlen der Stadt.

Demnach leben in Dresden immerhin fast 700 Menschen, die ihre Wurzeln in Dänemark, Finnland, Island, den Niederlanden, Norwegen oder Schweden haben. Die größte Gruppe bilden die Niederländer: 341 gibt es in der Landeshauptstadt. Die Finnen und Schweden landen mit jeweils 111 knapp dahinter, auf jeweils 66 Auswanderer bringen es Dänemark und Norwegen. Und immerhin drei Isländer leben in Dresden. Auch für Nicht-Muttersprachler gibt es etwas im Nordischen Zimmer.

Nicht nur ein ganzes Regal Sprachlern-Bücher steht ihnen zur Verfügung. Auf der Kamenzer Straße soll es auch Sprachkurse geben. Jeden letzten Freitag im Monat kann außerdem im Sprachcafé zwanglos geplaudert werden. Alle vierzehn Tag gibt Leder muttersprachlichen Unterricht für schwedische Kinder. „Es soll auch Ausstellungen und Lesungen geben“, sagt Leder. Vereine können die Räume zudem mieten, zum Beispiel, wenn sie Nationalfeiertage begehen wollen. „Ein Ort des Austausches soll es werden“, sagt die Initiatorin. Dabei kann sich jeder noch einbringen: Mit Ideen, mit Kursen und mit Büchern. Jeder Beitrag ist „Välkommen“.