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Skandal um katholische Kliniken in Köln

Eine junge Frau wird vergewaltigt. Sie will sich untersuchen lassen – zwei katholische Krankenhäuser verweigern die Hilfe.

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Von Elke Silberer

Köln. Zwei katholische Krankenhäuser haben einer traumatisierten Frau die Hilfe verweigert – mit dem Verweis auf Moral. „Welche Moral ist das?“, fragt die Kölner Ärztin Irmgard Maiworm.

Die erfahrene Notärztin erinnert sich sehr genau an die dramatischen Ereignisse vom 15. Dezember. Da kam diese junge Frau an jenem Sonnabendnachmittag in die Praxis, aufgelöst, mit verschmutzter Straßenkleidung. Sie erzählte: Am Vorabend war sie mit Freunden in der Stadt. Kurz vor der Heimfahrt mit der S-Bahn begann das Unfassbare. Die Freunde waren schon weg, alle auf dem Heimweg. An der Haltestelle habe sie noch gedacht: „In zehn Minuten kommt die Bahn.“ Danach nichts mehr. Keine Erinnerung.

Auf einer Bank wurde sie wach. Es war hell, Sonnabendnachmittag. Irgendwo in der Stadt, sie kannte die Gegend nicht. Irgendwann erfasste sie, wo sie war: in einem ganz anderen Stadtteil, in Köln-Kalk. Von einem Kiosk aus rief sie ihre Mutter an. Die brachte sie auf direktem Weg zur Notärztin.

Die junge Frau hatte Schmerzen, auch beim Toilettengang. Bei der Ärztin verdichtete sich die furchtbare Vermutung: Die Frau könnte mit K.o.-Tropfen betäubt und vergewaltigt worden sein. Die Ärztin, Irmgard Maiworm, sprach es aus. Und sie sprach über eine mögliche Schwangerschaft. Die 25-Jährige brach in Tränen aus. „Welche Folgen die Vergewaltigung haben kann, darüber hatte sie nicht nachgedacht“, sagt Maiworm. Sie stellte ein Rezept für die „Pille danach“ aus und rief die Polizei an.

Die kam in die Praxis und nahm das Protokoll auf. Maiworm wollte ihrer Patientin jede zusätzliche Belastung ersparen. Darum sollte die Frau zur gynäkologischen Untersuchung daraufhin ins Vinzenz-Krankenhaus ein paar Schritte weiter, direkt nebenan – auch zur Beweissicherung, falls die Frau später Anzeige erstatten würde.

Von der Krankenhaus-Kollegin kam jedoch eine Abfuhr. Die Begründung: „Zu einer Untersuchung nach sexueller Gewalt gehört ja auch ein Gespräch über die Pille danach und das Ausstellen eines Rezeptes. Das ist nach einem neuen Erlass mit dem christlichen Gedankengut nicht vereinbar, das dürfen wir nicht machen.“ So gibt Maiworm die Antwort wieder.

Selbst nach dem Hinweis, es gehe nicht um ein Rezept, sondern nur noch um die gynäkologische Untersuchung, habe die Ärztin abgelehnt. In einem ähnlichen Fall sei einer Kollegin fristlos gekündigt worden. „Die Kollegin hatte Angst um ihren Arbeitsplatz“, sagt Maiworm. Die zweite Abfuhr habe sie im Heilig-Geist-Krankenhaus mit der gleichen Begründung erhalten. Beide Krankenhäuser gehören der Stiftung der Cellitinnen.

Das Erzbistum bestreitet, dass seine Krankenhäuser gynäkologische Untersuchungen zur Spurensicherung bei Vergewaltigungsverdacht verweigern. Die Stiftung der Cellitinnen stellt fest, es sei „vermutlich zu einem Missverständnis“ gekommen. Das evangelische Krankenhaus Köln-Kalk führte die Untersuchung schließlich durch. (dpa)